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50 Jahre "Star Trek"
Ein Spiegel gesellschaftlicher Realitäten

"Beam me up, Scotty!" Viele kennen und lieben diese Worte von Kaptain Kirk in der Science Fiction-Reihe "Star Trek", die inzwischen zur Legende geworden ist und 50. Geburtstag feiert. Dass die Abenteuer von Kirk, Spock und Co mehr sind als eine utopische Kulisse im Weltraum, daran besteht unter Kulturwissenschaftlern kein Zweifel.

Von Benedikt Schulz | 08.09.2016
    Das Star Trek-Flaggschiff, die USS Enterprise
    Das Star Trek-Flaggschiff, die USS Enterprise (dpa/ picture-alliance)
    Picard: "Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern, und den Rest der Menschheit."
    Andreas Rauscher: "Utopien, die sind zwar ganz gut für soziologische Aufsätze oder philosophische Diskussionen, aber Star Trek ist wirklich eine der ganz wenigen Utopien, die es in den Mainstream geschafft haben."
    Archer: "Wir alle sind Forscher, getrieben von Neugier auf das, was hinter dem Horizont ist, was hinter unseren eigenen Küsten liegt."
    Sebastian Stoppe: "Die Geschichten handeln nicht über Technik und auch nicht über Aliens, die jetzt eine Invasion auf der Erde durchführen wollen, sondern da geht’s im Wesentlichen um das menschliche Zusammenleben."
    Kirk: "Dass das Wichtigste Freiheit ist im Leben der Menschen. Wir das Volk. Und alle, alle Bürger haben die gleichen Rechte.
    Sebastian Stoppe: "Ich glaube die Wurzeln von Star Trek liegen in so einer tiefen humanistischen Überzeugung, die Gene Roddenberry gehabt hat. Ich glaube, er hatte die Idee, ein Zukunftsbild der Menschheit zu entwickeln, wo nicht alles perfekt ist, wo aber die Menschheit gelernt hat aus ihren Fehlern und zu einer besseren Gesellschaftsordnung gekommen ist."
    Sebastian Stoppe, Politik- und Kommunikationswissenschaftler aus Leipzig.
    "Die Idee war, dass man in naher Zukunft eine Föderation hat, die die unterschiedlichsten Völker umfasst und das auf der Erde Frieden eingekehrt ist, dass es keine Hungersnöte mehr gibt, dass man sozusagen mit diesem technischen Fortschritt eine Basis schafft, dass man damit in Zukunft ein friedliches Zusammenleben ermöglicht."
    Andreas Rauscher, Medienwissenschaftler aus Mainz. Stoppe und Rauscher haben beide ihre Dissertation über Star Trek geschrieben, haben das Phänomen aus wissenschaftlicher Perspektive untersucht.
    Intro aus der 60er Jahre Fernsehserie: "Der Weltraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."
    Sternzeit 1513,1 – das Jahr 2266, die USS Enterprise NCC 1701 fliegt zum ersten Mal über die Bildschirme US-amerikanischer Fernseher, auf der Erde schreibt man dagegen erst das Jahr 1966. Inmitten des Kalten Krieges kreiert der Drehbuchautor und Filmproduzent Gene Roddenberry eine Fernsehserie, die sich von allem bis dahin dagewesen radikal unterscheidet, auch von der Science-Fiction, die das damalige Publikum gewöhnt war und der bis heute fünf Serien, 13 Kinofilme und einige hundert Romane gefolgt sind.
    Andreas Rauscher: "Die Ur-Idee von Star Trek, dass man in den 1960er Jahren, als die Zeit gerade stark vom Kalten Krieg geprägt war, dass man da ein Fortschrittsideal entwirft, dass sehr demokratisiert ist und in dem auch im Unterschied zur typischen Invasions-Science Fiction, in der ja dann irgendwelche Ufos vom Mars, die für den Kommunismus stehen zurückgekämpft werden, dass da stattdessen diplomatische Lösungen im Mittelpunkt stehen."
    Star Trek war diskursiv, inhaltlich fordernd – und: Es wurde viel geredet aber wenig getan. Dass der amerikanische Fernsehsender NBC den ersten Pilotfilm ablehnte, ist kein Wunder. Roddenberry bekam eine zweite Chance und musste Zugeständnisse machen. Mehr Faustkämpfe und weniger Philosophie.
    "Also Roddenberry erklärte mal, dass er die Serie als Western, als wagon train to the stars verpackt hatte, damit man sie an die Sender verkaufen konnte."
    Trotz der Kompromisse, Roddenberry rückte keinen Meter ab von seinem humanistischen Fortschrittsideal einer geeinten Föderation der Planeten. Die Menschheit in Star Trek hat Ungerechtigkeit und Krieg überwunden, Religion gilt als etwas, was die fortschrittliche Gesellschaft längst hinter sich gelassen hat. Anstelle von Machtstreben und Gier als Triebkräfte der Menschheit ist alleine der Drang nach Erkenntnis getreten. Rassismus gibt es nicht mehr. Auf der Brücke taten neben dem klassischen amerikanischen Helden Captain Kirk, auch ein russischer Waffenoffizier und ein weiblicher schwarzer Kommunikationsofffizier ihren Dienst. Zur Zeit des Kalten Kriegs und inmitten einer von Rassenunruhen erschütterten USA ein gesellschaftspolitisches Ausrufezeichen. Und dass ein Alien namens Spock nicht bedrohliches Monster, sondern vernunftbegabtes Wesen und gleichberechtigtes Mitglied der Crew war, war ebenfalls radikal neu. Roddenberrys Vision der Zukunft war in vielerlei Hinsicht zu gut, um wahr zu sein.
    "Betrachtet man das Star Trek der 80er Jahre und das davor, dann kann man sicherlich sagen, dass Star Trek eine naive Utopie war."
    Malte Kirchner ist einer der Macher des TrekCast, eines Star Trek Podcast, der inzwischen mit einigen tausend Hörern zu den erfolgreichsten Star Trek-Fanprojekten in Deutschland gehört. Einmal im Monat schalten sich Kirchner und seine Kollegen Thorsten Kroke und Yann-Patrick Schlame zur Redaktionskonferenz zusammen um über Star Trek zu fachsimpeln.
    Thorsten Kroke: "Um Zynismus in so ner eher dunkleren Gesellschaft zu sehen, hilft einem, die Utopie den Spiegel vorzuhalten."
    Zentraler Bestandteil von Star Trek: die Gewissheit auf der richtigen Seite, auf der Seite des Guten und des Fortschrittlichen zu stehen. Und: die Möglichkeit, über das Erzählerische Mittel der Utopie die Gesellschaft der Gegenwart zu kritisieren.
    Nur drei Tage nach Beginn der Tet-Offensive, die die amerikanische Öffentlichkeit mit der Realität des Vietnamkrieges konfrontierte, am 2. Februar 1968 brachte Star Trek einen deutlichen Kommentar an der Kriegspolitik der US-Regierung.
    Kirk: "Die Bewohner hier sind in ihrem Garten Eden geblieben. Pfeil und Bogen für die Jagd, es gibt keine Streitigkeiten untereinander, es ist hier ausgesprochen friedlich und ruhig.
    Eingeborener: "Vorsicht! In Deckung!"
    Spock: "Pfeil und Bogen, Captain?"
    Kirk: "Dorfbewohner mit Gewehren, wie ist das möglich? Ihre Entwicklung war längst nicht so weit fortgeschritten."
    Auf dem entfernten Planeten Neural ist die eine Hälfte der friedlichen, vorindustriellen Bevölkerung plötzlich mit modernen Waffen ausgestattet und beginnt einen blutigen Krieg.
    Kirk: "Als ich vor 13 Jahren auf dem Planeten war haben die Dorfbewohner gerade gelernt, wie man Eisen schmiedet."
    Scotty: "Wollen Sie damit sagen, dass den Bewohnern dieses Planeten von einer fremden Macht geholfen wurde?"
    Diese fremde Macht sind natürlich die Klingonen. Jene kriegerische Rasse, die mit ihren Bärten und Augenbrauen aussehen wie die Parodie russischer Hunnenvölker – und die damit eine nur kaum verhüllte Metapher auf den feindlichen Block im Kalten Krieg darstellen. Sie lösen auf dem friedlichen Planeten den Stellvertreterkrieg aus – die Föderation, der Westen, spielt das Spiel bereitwillig mit:
    Kirk: "Pille, erinnere dich doch mal an die Großmächte des 20. Jahrhunderts. Die haben sich damals waffenstarrend gegenübergestanden. Aber zu einem Krieg kam es trotzdem nicht.
    McCoy: "Ja, ich erinnere mich, aber man hatte dauernd Angst, dass es dazu kommen könnte."
    Kirk: "Was würdest du denn vorschlagen! Dass nur eine Seite mit den modernsten Waffen ausgerüstet wird? Du kannst versichert sein, dann würden wir jetzt nicht friedlich im Weltraum herumfliegen. Nein! Die einzige Lösung ist das Gleichgewicht der Kräfte. Beide müssen gleich stark sein."
    McCoy: "Und wenn die Klingonen noch mehr Waffen liefern?"
    Kirk: "Dann werden wir unseren Freunden auch mehr Waffen geben, um sie genauso stark zu machen. Ein schmutziges Spiel."
    Die Originalserie der 60er Jahre war voll von Anspielungen und Stellungnahmen auf den Kalten Krieg und die politische Lage in den USA.
    Ausschnitt aus Nachrichtenfilm über den Zusammenbruch des Kommunismus aus der Tagesschau.
    Die vielleicht deutlichste Parallele zum Kalten Krieg handelt von dessen Ende. Dezember 1991, keine drei Wochen vor dem offiziellen Ende der Sowjetunion beendete Captain Kirk den Kalten Krieg der Föderation mit den Klingonen im Kinofilm "Das unentdeckte Land".
    Spock: "Es gibt ein altes vulkanisches Sprichwort: Nur Nixon konnte nach China gehen."
    Der Mond Praxis, wo sich die Hauptenergieversorgung des klingonischen Imperiums befindet, explodiert und als Folge ist die Atmosphäre des klingonischen Heimatplaneten vergiftet, ein konkreter Hinweis auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
    Spock: "Infolgedessen wird sich ihr Vorrat an Sauerstoff in 50 Erdenjahren total erschöpft haben. Durch ihr enorm hohes Militärbudget hat die klingonische Wirtschaft keine Reserven für die Bekämpfung dieser drohenden Katastrophe."
    Selbst der Name des Klingonen, der die Friedensverhandlungen mit der Föderation aufnimmt, Gorkon, ist an den sowjetischen Führer Gorbatschow angelehnt.
    In der globalen Umbruchphase der späten 80er und frühen 90er wird die Welt plötzlich unübersichtlicher, Staaten lösen sich auf, neue, kleinteiligere Konflikte entstehen. Diese komplexer gewordene Welt der Ära nach dem Kalten Krieg spiegelt sich in den neuen Star Trek-Serien, angefangen mit "The Next Generation", die ab 1987 in den USA ausgestrahlt wurde. Die neue Enterprise ist Teil einer Föderation, die sich ihrer ethisch-moralischen Position nicht mehr sicher ist – und der Feind kommt nicht mehr nur von außen, sondern von innen.
    Picard: "Wir jagen einen Unschuldigen Mann."
    Admiral Satie: "Ich begreife nicht, wieso Sie so unglaublich naiv sein können. Captain, mein Vater lehrte mich, dass die Vereinte Föderation der Planeten die bemerkenswerteste Institution ist, die je eingerichtet wurde. Und dass es meine Aufgabe ist dafür zu sorgen, dass sie geschützt wird."
    In der Folge "Das Standgericht" führt eine hochdekorierte Sternenflottenadmiralin einen Schauprozess gegen einen unschuldigen Fähnrich, weil sie überall Feinde und Verschwörungen gegen die Föderation wittert.
    Picard: "Die Verhöre werden aufhören."
    Admiral Satie: "Die Verhöre werden nicht aufhören, im Gegenteil, sie werden ausgeweitet.
    Picard: Admiral! Was Sie hier tun, ist unethisch. Es ist amoralisch."
    Bei aller Ambivalenz: Am Ende findet fast jede Folge zu einer klaren Haltung. Und moralische Leitfigur ist der von Patrick Stewart verkörperte Captain Jean Luc-Picard.
    Picard: "Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, sind wir alle unwiderruflich gefesselt."
    Andreas Rauscher: "Diese Figur dient als ein kritisches Gegengewicht zu den früheren Ideen einer Cowboy-Diplomatie, sodass bei Next Generation in vielen Aspekten doch auch schon sehr nuancierte Gegen-Ansätze zu Reagan und dem ersten Bush realisiert wurden. Es kommt in der Next Generation dann auch klar raus, dass das Geld abgeschafft worden ist, dass man einer nicht näher definierten amerikanisch geprägten Form des Sozialismus lebt, was ein direkter Gegenentwurf zu den Reaganomics der damaligen Zeit ist."
    Picard: "Sehen Sie, im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld".
    Lily: "Es gibt kein Geld? Wollen Sie damit sagen, Sie werden nicht bezahlt?"
    Yann-Patrick Schlame: "Ich finds ja interessant, dass man damit durchgekommen ist, in einem kapitalistischen System, wie den USA eine Utopie zu etablieren, in der Geld keine Rolle spielt. Das ist ja eigentlich hochkommunistisch."
    Dass eine Gesellschaft ohne Geld funktioniert, wird innerhalb des Star-Trek-Kosmos schlicht durch den technologischen Fortschritt erklärt. Die Technik hat Probleme wie Hunger, Überbevölkerung, Krankheit, Armut einfach überwunden. Yann-Patrick Schlame vom TrekCast nennt Star Trek bedingungslos fortschrittsgläubig.
    "Diese ganze Science Fiction würde ja ohne diesen Fortschrittsglauben ja gar nicht funktionieren. Und interessanter finde ich noch, dass es eigentlich kaum Kritik gibt, also es wird kaum innerhalb der Serie hinterfragt, ob die Technologie auch negativen Nutzen hat".
    Für den Politikwissenschaftler Sebastian Stoppe ist der Fortschritt aber nur die Basis für eine utopische Erzählung – seiner Meinung nach ist Star Trek deshalb auch nicht wirklich Science Fiction.
    "Die klassische Science Fiction beschäftigt sich hauptsächlich damit, was Technik mit den Menschen anrichtet. Ne Utopie hingegen möchte ja einen fiktiven Gesellschaftsentwurf präsentieren, der ideal ist im Vergleich zu dem, was wir in der Gegenwart haben. Da geht es also weniger um Technik. Im Wesentliche geht’s eigentlich darum, wie hat sich diese Gesellschaft auf Basis dieses technologischen Fortschritts weiterentwickelt."
    In Star Trek – The Next Generation werden viele moralische Probleme der realen Welt durchdiskutiert – die Serie griff Themen wie Umweltschutz, Sterbehilfe, Todesstrafe oder medizinische Ethik auf. Auch philosophische Grundprobleme wie die Frage ob das Glück vieler mehr wert ist als das Glück eines Einzelnen. Selbst Terrorismus war Thema im Star Trek-Kosmos – wo er deutlich vielschichtiger behandelt wurde, als in zeitgenössischen US-Produktionen. Eine Entwicklung, die in der Folgeserie Deep Space Nine deutlich größere Ausmaße annahm.
    Cardassianer: "Wollen Sie bestreiten, dass die Föderation an organisierten terroristischen Aktivitäten gegen das cardassianische Volk beteiligt ist? Und bewusst diesen neuen Vertrag unterwandert?"
    Nach langem Krieg schließt die Föderation Frieden mit den Cardassianern, einer aggressiven, feindlichen Macht. Der Frieden markiert aber kein Happy End – es werden stattdessen die Probleme diskutiert, die ein unter den Bedingungen von Realpolitik abgeschlossener Friedensvertrag mit sich bringt. Im Zuge des Friedensabkommens fallen Planeten an die Cardassianer – obwohl dort Kolonisten der Föderation leben – die wehren sich mit terroristischer Gewalt.
    Hudson: "Ihr Territorium ist laut Vertrag an die Cardassianer gefallen. Gebiete, für die diese Menschen alles riskiert und geopfert haben. Der Vertrag ist nicht gut, die Föderation gab einfach zu viel her."
    Sisko: "War es nicht auch so, dass einige cardassianische Kolonien in der Föderationszone bleiben wollten. Das klang doch nach einem vernünftigen Kompromiss!"
    Wer will, kann darin auch eine Parallele zur Siedlungsproblematik im Nahostkonflikt sehen – Die Föderation verurteilt zwar die Taten der Terroristen – aber die Handlung äußert auch Verständnis und macht deutlich, dass es in einer komplizierten Welt keine einfachen Antworten mehr gibt. Andreas Rauscher:
    Andreas Rauscher: "Deep space Nine ist von den ganzen poststrukturalistischen Ideen geprägt, wo man im Zug der Postmoderne vom Ende der großen Erzählungen, die die Welt erklären, ausgeht."
    Sisko: "Da draußen töten sich gegenseitig Menschen, Major! Soll das heißen, Sie raten mir, davor die Augen zu verschließen?"
    Major Kira: "Aber haben sie denn nicht das Recht sich zu verteidigen?"
    Sisko: "Sie sind eindeutig zu weit gegangen!"
    Kira: "Eines kann ich ihnen mit Sicherheit sagen: die Cardassianer sind unsere Feinde, nicht ihre eigenen Kolonisten. Und wenn die Sternenflotte das nicht einsieht, dann ist die Föderation noch naiver, als ich es bisher gedacht habe."
    Ist die moralische Haltung bei der Next Generation noch recht eindeutig geht sie in Deep Space Nine beinahe vollständig in postmoderner Ambivalenz verloren. Dass sich unter den Bedingungen eines Krieges moralische Ideale schwer aufrechterhalten lassen ist zentrales Thema der Serie.
    Sisko: "In den vergangenen drei Monaten habe ich jeden Freitagmorgen die offizielle Liste des Sternenflottenpersonals, das im Krieg getötet oder vermisst wurde bekanntgegeben. Es ist so etwas wie ein grausames Ritual geworden.
    Bashir: Wir sollten dafür sorgen, dass die Romulaner in dem Krieg auf unserer Seite sind. Mit den vereinten Kräften der Föderation, der Klingonen und der Romulaner können wir endlich in die Offensive gehen."
    In der Folge "Im fahlen Mondlicht" steckt die Föderation inmitten eines Krieges gegen eine fremde Macht, den sie langsam aber sicher zu verlieren droht. Um die Romulaner davon zu überzeugen, auf Seiten der Föderation in den Krieg einzutreten, greift der Captain von Dee Spack Nike, Benjamin Disco zu einer verzweifelten und ethisch fragwürdigen Maßnahme. Er lässt einen Romulaner töten und sorgt dafür, dass es so aussieht, als ob die feindliche Macht die Verantwortung trägt.
    Sisko: "Um genau 8 Uhr, Stationszeit, hat das Romulanische Reich dem Dominion offiziell den Krieg erklärt. Ich log und ich betrog. Ich habe Männer bestochen, ich leistete Beihilfe zum Mord. Aber das Verdammungswürdigste von allen ist, dass ich denke, dass ich damit leben kann."
    Gewalt ist inzwischen zum legitimen Mittel einer Politik geworden, die sich gegen übermächtige Feinde zu Wehr setzen muss.
    "Wenn man sich Deep Space Nine anschaut, dann greift das eigentlich schon vieles vorweg, was ab den 2000er Jahren im Krieg gegen den Terror zum politischen Gegenstand wurde."
    Meint Medienwissenschaftler Rauscher. Anders als in der klassischen Serie der 60er Jahre und auch anders als in The Next Generation wird das moralische Dilemma hier nicht mehr aufgelöst, gibt es kein richtiges und kein falsches Handeln mehr. Ein Weg, der in den Folgeserien Voyager und Enterprise weiter verfolgt wurde.
    Die bislang letzte Neuorientierung des Star Trek-Franchise stellen die Kinofilme des Regisseurs und Produzenten JJ Abrams dar. Anstatt eine neue Geschichte mit neuen Charakteren aus der Star Trek-Historie zu erzählen, werden dort die Anfänge der Enterprise-Crew unter James T. Kirk behandelt. Die Filme folgen der Logik und der Ästhetik des modernen Blockbuster-Kinos, viele Kritiker haben den mangelnden Tiefgang bemängelt. Aber: Auch in der neuesten Star Trek-Interpretation bleibt die Utopie einer fortgeschrittenen Menschheit noch spürbar – nur: Unter wiederum völlig veränderten Vorzeichen einer spätestens nach 9/11 verunsicherten westlichen Welt.
    Spock: "Da ich wieder ihr erster Offizier bin, ist es meine Pflicht gegen unseren Auftrag Einspruch zu erheben."
    Kirk: "Sicher, was auch sonst."
    Die Enterprise wird im Film "Into Darkness" auf eine Jagd geschickt, den Terroristen Khan Noonien Singh zu töten. Der logisch denkende Vulkanier Spock ist der Einzige, der Bedenken äußert.
    Spock: "Keine Sternenflottenvorschrift verurteilt einen Mann zum Tode ohne einen Prozess. Abgesehen von den Regeln ist diese Handlung moralisch falsch."
    Wer will, kann darin durchaus einen Kommentar zur erneuerten Außenpolitik der USA unter Barack Obama sehen, in der Terroristen, allen voran Osama bin Laden, ohne Prozess getötet werden. Und als gegen Ende des Films Passanten auf der Erde mit Schrecken in den Himmel blicken, wo ein riesiges Raumschiff in selbstmörderischer Absicht Richtung Erde rast ...
    Khan: "Neues Ziel! Sternenflottenhauptquartier!"
    Da greift der Film bewusst auf die ikonisch gewordenen Bilder vom 11. September zurück. Die Föderation der neuen Star Trek Filme ist weit von Roddenberrys Idealvorstellung entfernt, sie ist verängstigt, Gefahren drohen ihr von außen und von innen.
    Sebastian Stoppe: "Das ist dann eine hart verteidigte Utopie. Letztendlich ist man davon überzeugt und sagt Nein, was wir machen, ist das Richtige, aber es ist hart erkauft und ich glaube, die Botschaft ist, ein idealer Gesellschaftsentwurf muss auch immer aktiv verteidigt werden."
    Kirk: "Es wird immer diejenigen geben, die uns Schaden zufügen wollen. Um sie aufzuhalten, riskieren wir, etwas ebenso Böses in uns selbst zu wecken."
    Die Utopie gibt es nicht mehr. Themen wie Gleichberechtigung, Bürgerrechtsbewegung, eine zufriedene Gesellschaft ohne Hunger, die wissenschaftliche Erforschung des Weltraums, all das kommt hier nur noch am Rande vor. Das neue Star Trek handelt nicht von einer idealen Gesellschaft, sondern davon, wie eine Gesellschaft im Wohlstand ihre Werte nicht aufgibt. Aber wo steht Star Trek nach 50 Jahren im Spannungsverhältnis von naiver Zukunftsgläubigkeit und zynischer Gesellschaftsstudie?
    Sebastian Stoppe: "Also ich glaube Star Trek ist nie zynisch geworden in der Darstellung einer zukünftigen Gesellschaft. Star Trek mag in letzter Zeit pessimistischer geworden sein."
    Andreas Rauscher: "Zugleich aber bestand weiterhin als utopische Perspektive, dass dieser Zustand doch erreicht wird, sodass es nicht im kompletten Zynismus von einigen Dystopien untergeht. Sondern als Idealperspektive immer noch dieses utopische Miteinander, dass Roddenberry entworfen hatte möglich ist."
    Kirk: "Mr Sulu – bringen Sie uns raus!"