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50. Todestag von Diane Arbus
Ihre Bilder stellten Fragen

Die US-Fotografin Diane Arbus setzte mit ihrer Arbeit Maßstäbe. In großen Porträtserien fragte sie nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft - bis sie in Depressionen versank und am 26. Juli 1971 mit 48 Jahren aus dem Leben schied.

Von Anette Schneider |
    Eine Frau übt mit weit ausgebreiteten Armen hinter einem Zirkuszelt Schwertschlucken, ein lesbisches Paar liegt nackt auf einem Bett. Ein Transvestit schminkt sich für einen Club-Auftritt. Und in langen, schief geknöpften Nachthemden und Pyjamas zieht eine Gruppe geistig behinderter Frauen durch die Nacht.
    Mit ihren Aufnahmen von gesellschaftlichen Randgruppen und Außenseitern wurde Diane Arbus schlagartig berühmt. Für sie selbst schwer greifbar, "und auch ein bisschen peinlich, aber ich glaube, es gibt Dinge, die niemand sehen würde, wenn ich sie nicht fotografiert hätte", schrieb Diane Arbus in den 1960er-Jahren.

    Ein ungewöhnliches Gesellschaftspanorama der USA

    In diesem Jahrzehnt entstand auch ihr einzigartiges Werk, mit dem sie ihrer Zeit weit voraus war und das Künstlerinnen und Künstler bis heute inspiriert - ein sehr ungewöhnliches Gesellschaftspanorama der USA: Sie porträtierte Drogenabhängige und Superreiche, FKK-Anhänger in einem Nudisten-Camp, Ballkönige von Senioren-Tanztees, desillusionierte Paare, Wahrsagerinnen, Weihnachtsmänner auf einem Lehrgang. Stets wurde sie dabei angetrieben von einer Frage, sagt der Foto-Spezialist Jeff Rosenheim, Mitherausgeber von "Revelations", der bisher umfangreichsten Monografie über Arbus:
    "Wie fügt sich das Individuum ein in die Gesellschaft? Das ist das Wesen ihrer Fotografie. Sie blickt auf die Menschen und ihre Bemühungen: Wie überleben sie in dieser Welt? In welcher Form sind sie Teil der Gesellschaft - wie stehen sie außerhalb?"

    Die Zurichtung des Individuums enthüllt

    Um das zeigen zu können, fotografierte Arbus die Menschen in ihrer vertrauten Umgebung: im Vorgarten, im Salon, im Schlafzimmer, in Clubs und Vereinen. Oft blicken sie direkt in die Kamera und wirken entsetzlich verloren, wie fehl am Platz. Arbus enthüllt die Zurichtung des Einzelnen durch gesellschaftliche Konventionen, zeigt Anpassung - und Ausbruchsversuche. Und Bilder stellen Fragen, glaubt Jeff Rosenheim: Wie werden wir die, die wir gern sein möchten? Wie erfüllen wir unsere eigenen Sehnsüchte? Diese Fragen stellen die Bilder.
    Fragen, die auch die Künstlerin umtrieben. 1923 in einer wohlhabenden jüdischen Familie in New York geboren, erhielt die künstlerisch Begabte früh privaten Zeichenunterricht, besuchte eine Kunstschule und heiratete - gegen den Willen der Eltern -, als sie gerade 18 Jahre alt war.

    Gelangweilt von der Modefotografie

    Sie begann zu fotografieren, eröffnete mit ihrem Mann Allan Arbus ein Studio für Modefotografie, das schnell erfolgreich war, sie aber nach einigen Jahren langweilte. Sie trennte sich von Mann und Studio und wurde - mit zwei kleinen Kindern - freie Fotografin.
    In dem Bildband "Zeitschriftenarbeit" schreibt Diane Arbus’ Tochter Doon - "Die Zeitschriften boten ihr die Chance, zu arbeiten und ihre Arbeiten zu veröffentlichen; und am wichtigsten war wohl, dass sie sie ermutigten, sich als Profi zu verstehen."
    Frühe Aufnahmen von Diane Arbus in New York
    Als die Kuratoren des New Yorker Metropolitan Museum 2007 das Fotoarchiv von Diane Arbus übernahmen, waren sie überrascht, denn die meisten dieser Arbeiten waren unbekannt.
    Diane Arbus, die mit Richard Avedon befreundet war und bei Lisette Model gelernt hatte, arbeitete rastlos an ihrem Gesellschaftspanorama. Und die Redakteure bei "Esquire" oder "Harper’s Bazaar" ließen ihr meist freie Hand, sagt Jeff Rosenheim: "Vom ersten Moment an waren die Leute von ihren Bildern fasziniert. Sie wurde von der Guggenheim-Foundation unterstützt, stellte 1967 mit Lee Friedlander und Garry Winogrand aus. Von Anfang an besaß sie eine eigene Bildsprache."

    Existenzielle Krisen

    Trotz des Erfolgs lebte die Fotografin, die stets darum rang, ihren eigenen künstlerischen Weg zu gehen, in existenzieller Unsicherheit. Als Ende der 60er-Jahre Aufträge ausblieben, weil die Zeitschriften ihre Konzepte änderten, als auch Anträge für ein Stipendium immer wieder abgelehnt wurden, nahm sich die an Depressionen leidende Diane Arbus am 26. Juli 1971, mit erst 48 Jahren, das Leben. Zehn Jahre zuvor hatte sie für eine Fotoreportage über Nonkonformisten einen Begleittext geschrieben, der sich liest wie ihr Lebensmotto, um dessen Verwirklichung sie sich zeitlebens bemühte.
    "(Diese Menschen) haben sich weiter hinausgewagt als wir, nicht getrieben, sondern einer Eingebung folgend, ... Träumer und Helden eines Wirklichkeit gewordenen Traums, der unseren Mut und Erfindungsgeist auf die Probe stellt, damit wir uns erneut und wie zum ersten Mal fragen, was wahrhaftig und unausweichlich und möglich ist."