Sonntag, 28. April 2024

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550. Geburtstag von Albrecht Dürer
Besessen von der sichtbaren Welt

Albrecht Dürer brachte die italienische Renaissance nach Deutschland. Mit ungekannter Liebe zum Detail hielt der Nürnberger Maler und Grafiker das Leben fest oder komprimierte biblische Texte in wenigen Bildern. 550 Jahre nach seiner Geburt wirkt sein Stil moderner denn je.

Von Carmela Thiele | 21.05.2021
    Eine Zeichnung zeigt einen jungen Mann mit freiem , sehnigem Öberkörper, Vollbart die langen Haare unter einem Haarnetz zusammengebunden, und den Betrachter fragend anblickend
    "Suche Leute aus, die als hübsch gelten und male sie mit allem Fleiß ab", riet Albrecht Dürer Maler-Schülern. Hier zeichnete er sich um 1500 selbst als Akt. (picture alliance / akg-images )
    Eine Zeichnung, ein Selbstporträt. Ein noch junger Mann schaut fragend aus dem Bild, mit Bart, das lange Haar unter dem Haarnetz verstaut, die eine Seite des Oberkörpers beleuchtet, eine sehnige Gestalt, nackt, selbstbewusst und ohne Scham. Die Federzeichnung auf blauem Papier stammt von Albrecht Dürer und ist mehr als 500 Jahre alt. Der Nürnberger Maler war besessen von der sichtbaren Welt, von der Wirklichkeit, wie sie sich seinem Auge unmittelbar darstellte. Um sich an den Werken der Frührenaissance und in der Darstellung der Perspektive zu schulen, reiste er mehrfach nach Italien. Im Jahr 1505 blieb er eineinhalb Jahre. Aus Venedig schrieb Albrecht Dürer an seinen Freund Willibald Pirckheimer:
    "Noch schelten sie es und sagen, es sei nicht antikisch Art, darum sei es nicht gut. Aber Giovanni Bellini soll mich vor vielen Kavalieren sehr gelobt haben und ist selber zu mir gekommen, sich etwas auszusuchen, und er wollte auch etwas bezahlen."

    Der Blick in den Spiegel ersetzte ihm das Modell

    Geld spielt in Dürers Denken eine zentrale Rolle. Der am 21. Mai 1471 in Nürnberg geborene Albrecht Dürer hatte die Übernahme der Goldschmiedewerkstatt seines Vaters ausgeschlagen und an die Lehre als Goldschmied eine Lehre als Maler angeschlossen. Er folgte seiner Neigung, was ökonomisch zunächst ein Fehler war. Der schmale Jüngling ließ sich die Haare wachsen und porträtierte sich selbst, als Edelmann, als Patrizier oder in der Pose eines Jesus Christus. Der Blick in den Spiegel ersetzte ihm das Modell. Lebendig sollten die Figuren seiner Bildtafeln sein, und schön. Im ästhetischen Diskurs seiner Lehre der Malerei rät er künftigen Malern:

    "Suche Leute aus, die als hübsch gelten"

    "Um zu einem guten Maß zu kommen, um die Hübschheit in einen Theil unseres Werks zu bringen, ist es am allerdienlichsten, dass du von lebendigen Menschen dein Maß nimmst. Aber suche Leute dazu aus, die als hübsch gelten und male sie mit allem Fleiß ab."
    Susanna und die beiden Alten, um 1610/11 von Peter Paul Rubens (1577-1640) und Frans Snyders (1579-1657). Öl auf Holz, 175 × 200 cm. Madrid, Academia de San Fernando
    Ausstellung - Nackte Körper in der Renaissance
    Adam und Eva, der Heilige Sebastian und Nackte, die fröhlich herumtollen: Eine Ausstellung in der Royal Academy in London zeigt den Akt in der Kunst um 1500. Männer- und Frauenakte sind gleichermaßen vertreten – das sorgte im Vorfeld für eine kleine Kontroverse.
    Adam und Eva, die vier Apostel, Maria mit dem Kind: Das bislang schematisch dargestellte Personal religiöser Bilder entwickelte in den Werken Albrecht Dürers eine pulsierende Leiblichkeit. Seit seiner Jugend erforschte der talentierte Zeichner mit dem Stift die Welt. Berühmt ist das in Kohle gezeichnete Bildnis seiner greisen Mutter, die Betenden Hände, aber auch die kolorierte Studie eines Feldhasen.

    Die Apokalypse in wenigen Bildern

    Thomas Eser, der Dürer-Experte des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, erklärt: "Er hat sich mit höchster Konsequenz neuen Bildaufgaben gewidmet. Bildaufgaben, die im Detail schon vorhanden waren. Wenn Sie an Altargemälde denken, dann sehen Sie oft im Vordergrund Rasenstücke oder kleine Tierchen, im Hintergrund Burgen, Landschaften. Dürer erklärt diese nebensächlichen Details dann zur Hauptaufgabe seiner Kunst und schafft damit ganz revolutionäre Werkgruppen wie zum Beispiel seine Landschaftsaquarelle, seine Naturstudien."
    Um sich ein finanzielles Standbein aufzubauen, bediente Albrecht Dürer die große Nachfrage nach Illustrationen religiöser Texte. Doch auch in der Druckgrafik setzte er neue Standards. In seinen Holz- und Kupferstich-Folgen komprimierte er biblische Texte wie die Apokalypse in wenigen Bildern. Neu war auch Dürers Selbstbewusstsein als Autor. Sein gesamtes Werk kennzeichnete er mit einem Signet: ein großes D für Dürer, eingestellt in ein großes A für Albrecht
    Albrecht Dürer Die apokalyptischen Reiter, 1511.
    Albrecht Dürers "Die apokalyptischen Reiter" 1511 (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)

    Der späte Dürer - ein Schmerzensmann

    1520 brach der Künstler zu einer letzten großen Reise auf, die ihn in die Niederlande führte. Ein Jahr später notierte er in seinem Tagebuch:
    "Da ich vormals in Zeeland war, überkam mich eine wunderliche Krankheit, von der ich noch von keinem Mann gehört. In der dritten Woche nach Ostern stieß mich ein Fieber an mit einer großen Ohnmacht, Unlust und Kopfschmerzen. Und diese Krankheit habe ich noch."
    Albrecht Dürers "Melencolia I" - "Unser blöd Gemüt kann zur Vollkommenheit nicht kommen"
    Er war einer der einflussreichsten europäischen Künstler: Albrecht Dürer. Weltberühmt sind seine "Betenden Hände" oder das "Rhinozeros". Renaissance und Humanismus prägten ihn. Auch die Schriften Martin Luthers hat Dürer regelrecht verschlungen. Sein Meisterstich "Melencolia I" gewährt Einblick ins Denken Dürers – und ins Denken der Reformationszeit.
    Ein Selbstbildnis auf grün grundiertem Papier aus dieser Zeit zeigt Dürer sitzend als Schmerzensmann, nackt mit eingefallener Brust und ausweichendem Blick. Er starb am 6. April 1528 im Alter von 56 Jahren. Zuletzt widmete sich Albrecht Dürer hauptsächlich seinen theoretischen Schriften. Doch ist es sein zeichnerisches und grafisches Werk, das ihn als Künstler unsterblich machte.