Donnerstag, 18. April 2024

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Vor 70 Jahren
Als der Bundestag das Mutterschutzgesetz verabschiedete

Die Adenauer-Regierung tat sich schwer damit, den 1945 ungültig gewordenen Mutterschutz im Arbeitsrecht neu zu regeln. Eine Berufstätigkeit von Frauen entsprach nicht ihrem Rollenbild. Doch am 24. Januar 1952 konnte ein neues "Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ den Bundestag passieren.

Von Monika Köpcke | 24.01.2022
Herstellung des BMW-Motorrads R 25 im BMW-Werk München -  fotografiert am 04.09.1949
Arbeiterinnen im BMW-Werk München 1949 (imago /Rolf Poss)
"Es wäre wirklich Aufgabe der Regierung gewesen, umgehend ein solches Gesetz vorzulegen."
Die KPD-Abgeordnete Grete Thiele sprach 1951 im ersten Bundestag. Noch während des Wahlkampfs hatten alle Parteien eine rasche Novelle des Mutterschutzes angekündigt - auch die CDU, die 1949 die Wahl gewonnen hatte. "Aber dann, wenn man wirklich die Frau und die Mutter schützen soll, wenn man sie sicherstellen muss, dann denkt die Adenauer-Regierung nicht daran, diese Versprechungen in der Praxis zu erfüllen.“ Seit der Industrialisierung gab es immer wieder einzelne Arbeitsschutzregelungen für werdende Mütter.

Prekäre Lage der Frauen nach 1945

Doch den ersten umfassenden Mutterschutz brachten 1942 ausgerechnet die Nationalsozialisten auf den Weg. Während die Männer im Krieg verheizt wurden, schufteten die Frauen an der Heimatfront. Gleichzeitig sollten deutsche Mütter viele gesunde Kinder gebären, um die "Wehrkraft des Volkes" zu erhalten. Dafür führten die Nazis Beschäftigungsverbote vor und nach der Entbindung ein, untersagten schwere körperliche Arbeit und garantierten den jungen Müttern finanzielle Unterstützung. Mit dem Ende des sogenannten "Dritten Reichs" verloren diese Bestimmungen ihre Gültigkeit. Und das in einer Zeit großer Not. Elly Heuss, die Frau des ersten Bundespräsidenten, sagte 1950:
„In den Städten leben die Abertausende von berufstätigen Müttern, darunter viele Kriegerwitwen, die für sich und ihre Kinder den Lebensunterhalt verdienen müssen. Diese Frauen leben häufig allein oder mit ihren sehr alten Eltern zusammen, für die sie oft noch zu sorgen haben. Die Kräfte dieser Mütter, die schon im Krieg weit überspannt waren, sind heute fast verbraucht."

Hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit in der frühen Bundesrepublik

Die berufstätige Mutter entsprach so gar nicht dem Leitbild der Adenauer-Regierung. Sie propagierte die verheiratete Frau, die sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmerte, während der Mann das Geld verdiente. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Viele Männer kehrten als körperliche oder seelische Wracks aus dem Krieg zurück, und die Frauen mussten für den Lebensunterhalt sorgen. Die Zahl der Eheschließungen sank ebenso stetig wie die Zahl der Geburten. Dafür stieg die Scheidungsrate, und im europäischen Vergleich gab es in der Bundesrepublik eine hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit.
Angesichts dieser Entwicklungen musste die Regierung grünes Licht für den Entwurf eines neuen Gesetzes geben, das dann in 18 Ausschusssitzungen festgezurrt wurde. Vor der Abstimmung im Bundestag mahnte die Sozialdemokratin Liesel Kipp-Kaule: "Sie wissen, dass Hunderttausende von Frauen auf diese Stunde warten und uns allen dankbar sein werden, dass es nun endlich so weit ist, dass sie nicht den willkürlichen Maßnahmen von Behörden, Krankenkassen und Arbeitgebern ausgesetzt sind." Am 24. Januar 1952 nahm der Bundestag das "Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter" einstimmig an, zwei Wochen später trat es in Kraft. Es orientierte sich weitgehend an den Bestimmungen von 1942. Fortan galt:
"Sechs Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt bleiben Arbeitnehmerinnen bei vollen Bezügen zu Hause. Während der Schwangerschaft dürfen sie keine schweren körperlichen Arbeiten ausführen und nicht zu Akkord-, Nacht- und Sonntagsarbeit herangezogen werden. Bis zu 4 Monate nach der Geburt genießen sie einen Kündigungsschutz."

Die DDR verband Mutterschutz mit Kinderbetreuung und beruflicher Förderung

Mehr war damals nicht drin. Während die DDR bereits 1950 mit dem „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ die Schutzbestimmungen für werdende Mütter mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und der beruflichen Förderung verband, dominierte in der Bundesrepublik ein anderes Bild: Berufstätigkeit wurde als notwendiges Übel benachteiligter Frauen gesehen. Das neue Mutterschutzgesetz sollte diese Frauen nicht nur um ihrer selbst willen schützen, sondern auch die Reproduktion der Bevölkerung stärken. Die SPD-Politikerin Louise Schröder sagte nach seiner Verabschiedung:
"Dann aber können wir mit Recht sagen, dass wir für alle berufstätigen Mütter auch den entsprechenden Mutterschutz geschaffen haben, und damit unserer Bevölkerungspolitik, von der wir doch alle derselben Ansicht sind, wie nötig sie es hat, den entsprechenden Dienst geleistet haben.“
Der Mutterschutz ist längst ein unumstrittener Bestandteil des Arbeitsrechts geworden. Angesichts niedriger Geburtenraten kreist die Familien- und Arbeitspolitik heute vielmehr um die Frage, wie sich Berufs- und Kinder-Alltag besser vereinbaren lassen.