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1997 in Kraft getreten
25 Jahre UNO-Chemiewaffen-Konvention

Am 29. April 1997 trat das bislang von 193 Staaten ratifizierte "Abkommen über ein vollständiges Verbot chemischer Massenvernichtungswaffen" in Kraft. Fast 100 Jahre hatte das Ringen um ihre Ächtung gedauert. Eingesetzt wurden sie seither dennoch.

Von Andreas Zumach | 29.04.2022
 Ein Mitarbeiter der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten, GEKA, bereitet 2013 in Munster eine Chemiewaffen-Granate zur Delaborierung ( trennen von Sprengstoff und Kampfstoff) vor
Ein Mitarbeiter der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten, GEKA, bereitet eine Chemiewaffen-Granate zur Entsorgung vor (Archivbild) (picture alliance / photothek)
"Dieses Abkommen zum Verbot von Chemiewaffen ist bislang ohne Beispiel in der Rüstungskontrollgeschichte. Es ist der erste internationale Vertrag, mit dem nicht nur die vollständige Zerstörung einer ganzen Kategorie von Massenvernichtungswaffen vereinbart wurde, sondern auch das Verbot, derartige Waffen künftig neu zu produzieren oder an andere Staaten zu liefern."
Mit diesen Worten begrüßte am 29. April 1997 in New York der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan das Inkrafttreten des "Abkommens über ein vollständiges Verbot von Chemiewaffen". Fertig vereinbart hatte die Abrüstungskonferenz der UNO in Genf das 180-seitige Vertragswerk mit zahlreichen Anhängen nach über 23-jährigen Verhandlungen bereits im September 1992. Doch es dauerte noch einmal fast fünf weitere Jahre, bis der Vertrag nach der Ratifikation durch die Parlamente von 65 Staaten in Kraft treten konnte.
Von zentraler Bedeutung für die politische Relevanz des Vertrages war die Ratifikation durch die Staaten, die damals noch chemische Waffen besaßen - insbesondere die USA und die Sowjetunion. Zusammen verfügten die beiden Großmächte über mehr als 90 Prozent der weltweiten C-Waffenarsenale. Doch der Senat in Washington vollzog die Ratifizierung erst am 24. April 1997 nach jahrelangen kontroversen Debatten - und einem eindringlichen Appell US-Präsident Bill Clintons, "an den Senat: das Richtige zu tun und diesen Vertrag zu ratifizieren."

Schon 1899 vage geächtet

In der Ratifizierungsdebatte erinnerte der demokratische Senator Patrick Moynihan an die fast 100-jährigen Bemühungen zur Ächtung chemischer Massenvernichtungswaffen: 1899, vor fast einem Jahrhundert, organisierte der russische Zar Nikolaus der Zweite eine Friedenskonferenz in Den Haag in Holland. Die 26 Teilnehmerstaaten vereinbarten drei Regeln zur Kriegsführung, darunter das Verbot, im Krieg Gift oder giftige Gase einzusetzen.“

Erster Weltkrieg: Einsatz von 113.000 Tonnen chemischer Kampfmittel

Dieses Verbot wurde auf der zweiten, von US-Präsident Theodore Roosevelt einberufenen Haager Friedenskonferenz im Jahr 1907 zwar von 40 Staaten ausdrücklich bekräftigt. Doch unter Verstoß gegen dieses Verbot setzten im Ersten Weltkrieg zunächst Deutschland und dann auch Frankreich, Großbritannien und Österreich-Ungarn insgesamt 113.000 Tonnen Senfgas, Blausäure, Chlorgas sowie 35 weitere chemische Kampstoffe ein. Mit verheerenden Folgen für die gegnerischen wie für die eigenen Bodentruppen: rund 1,2 Millionen Soldaten wurden verwundet, über 100.000 starben.
Unter dem Eindruck dieser entsetzlichen Erfahrungen vereinbarten 36 Staaten im Jahr 1925 das Genfer Giftgasprotokoll, das aber wiederum nur den Einsatz chemischer Waffen verbot, nicht aber deren Produktion und Besitz. Den Anstoß für internationale Bemühungen um ein vollständiges Verbot lieferte dann der großflächige Einsatz von Chemiewaffen durch den irakischen Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg gegen den Iran.

Ende das Kalten Krieges macht den Weg frei

Diese Ereignisse verliehen den seit 1969 stagnierenden Verhandlungen erheblichen Auftrieb, erinnert sich der ehemalige deutsche Unterhändler Ralf Trapp: "Natürlich wurde das mit beeinflusst durch den Einsatz von chemischen Waffen im Golfkrieg, im Krieg zwischen Iran und Irak in den 80er- Jahren mit einer großen Zahl von Getöteten durch den Einsatz chemischer Waffen.

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Als nach Ende des Kalten Krieges die USA und die Sowjetunion grundsätzlich bereit waren, auf Chemiewaffen als Abschreckungsinstrumente zu verzichten, war der Weg frei für ernsthafte Verhandlungen über ein vollständiges Verbot. Nach den Chemiewaffeneinsätzen im syrischen Bürgerkrieg seit 2012 unterzeichnete auch die Regierung in Damaskus unter gemeinsamem Druck der USA und Russlands das Verbotsabkommen und gab ihre Chemiewaffenvorräte zur Vernichtung frei.

Vier Staaten stehen noch abseits

Inzwischen sind 193 Staaten dem Verbotsvertrag beigetreten, mehr als jedem anderen Rüstungskontrollabkommen, das seit Ende des
19. Jahrhunderts vereinbart wurde. Abseits stehen derzeit nur noch Ägypten, Israel, Nordkorea und Südsudan.