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ADAC-Skandal
Wirtschaftsjurist: Mehr Kontrolle für Non Profits notwendig

Für finanzstarke Stiftungen und Vereine müssten gleiche Standards gelten wie für Wirtschaftsunternehmen, sagt Michael Adams im Deutschlandfunk. Der emeritierte Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg forderte mehr Kontrolle von außen. Dafür fehlten aber bislang die Gesetze.

Michael Adams im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 21.01.2014
    Die Fassade der neuen Deutschland-Zentrale des ADAC.
    Bei Großorganisationen mit viel Geld wie dem ADAC müsse es auch Kontrolle geben, fordert Michael Adams. (dpa / Peter Kneffel)
    Dirk-Oliver Heckmann: 19 Millionen Mitglieder hat der Automobilclub Deutschlands, der ADAC, nach eigenen Angaben. Doch seit ein paar Tagen muss man bei Zahlen, die der ADAC in Umlauf bringt, wohl besonders misstrauisch sein, seit nämlich bekannt wurde, dass Kommunikationschef Michael Ramstetter bei der Wahl zum Lieblingsauto des Jahres die Teilnehmerzahl nach oben manipuliert hat, und zwar um den Faktor zehn, und das nicht einmal, sondern mehrfach. Viele fragen sich jetzt: Wenn schon manipuliert wird, weshalb nicht auch zum Beispiel an der Pannenstatistik, und welchen Interessen folgt der Verein eigentlich, den Interessen seiner Mitglieder oder jenen Interessen eines gigantischen Wirtschafts-Konglomerats mit zahlreichen Tochtergesellschaften? – Darüber sprechen wir jetzt mit Michael Adams, er ist emeritierter Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg. Schönen guten Morgen, Herr Adams.
    Michael Adams: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Adams, CSU-Chef Horst Seehofer hat sich gestern eingeschaltet. Er hat gesagt, die Manipulationen hätten ihn überhaupt nicht überrascht. Sie auch nicht?
    Adams: Ja, wir haben es hier mit einem sogenannten Non Profit zu tun. Das heißt, das ist ein Verein, dessen Ziele gar nicht auf wirtschaftliche Dinge gerichtet sein dürfen. Gleichzeitig aber hat der ADAC ein blühendes Geschäftsleben unter dem Verein in GmbHs hängen, und das summiert sich immerhin zu einem Geldbetrag von jährlich einer Milliarde an Einnahmen. Da tauchen nun die verschiedensten Probleme auf, denn anders als eine Aktiengesellschaft muss der ADAC nicht als Verein eine Rechnungslegung nach außen vorlegen. Er muss nicht Aktionären Rede und Antwort stellen, und so ist in der Organisation sehr viel weniger Druck als in einem normalen Wirtschaftsunternehmen. Aber gleichzeitig ist enorm viel Geld da, und das kann zu unmenschlichen Versuchungen führen, entweder selbstherrlich zu werden, bräsig zu werden, Paläste zu bauen, es sich gut gehen zu lassen und Macht auszuüben, ohne dass man im Grunde fragen muss, wollen das meine Mitglieder. Denn viele dieser Mitglieder, die der ADAC hat, sind im Grunde Kunden ihres Versicherungssystems, sind Leute, die Angst haben, auf der Straße liegen zu bleiben, und sich deshalb versichern.
    Heckmann: Der ADAC ist als Verein organisiert, das ist ja soweit bekannt. Das hört sich ja auch erst mal prima an und ist ja vielleicht auch ein Faktor für seinen Erfolg und für seine Glaubwürdigkeit, die er bisher genossen hat. Aber das macht die ganze Sache auch intransparent?
    Adams: Ja, das ist es. Wir lieben natürlich Institutionen, die unabhängig sind. Das ist die Wissenschaft, das ist das Rote Kreuz, es sind die Kirchen und der Tierschutz. Aber alle diese Organisationen leiden unter demselben Problem, dass sie intern es nicht schaffen, die notwendige Identität für ihre Glaubwürdigkeit herzustellen. Hier diese Organisation ist von Skandalen heimgesucht worden, und deshalb braucht man da im Grunde Hilfe von außen, so wie auch die Aktiengesellschaften von außen gezwungen worden sind, Wirtschaftsprüfer hereinzulassen. Seit Neuestem müssen die Vorstände auch sagen, wie viel Geld sie verdienen, und all das ist natürlich bei solchen Großorganisationen, wo so viel Geld da ist, auch erforderlich. Die Menschen sind sich ziemlich ähnlich, ob sie beim ADAC arbeiten, in der Kirche oder bei BMW.
    Viel Geld "verändert natürlich den Charakter an der Spitze"
    Heckmann: Ein eingetragener Verein – Sie haben es gerade eben schon erwähnt – darf eigentlich keinen Profit machen. Beim ADAC ist das nicht der Fall, jedenfalls nicht, wenn man die Tochtergesellschaften in den Blick nimmt. Wie kann das sein, dass so was funktioniert?
    Adams: Ja. Der Verein als solches darf nicht auf Gewinn gerichtet sein. Aber er darf Gesellschaften haben, die Gewinne machen und die dieses Geld dann in den Verein hineingeben. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und das ist beim ADAC im großen Stil der Fall. Sie haben es damit im Grunde mit einer Holding-Gesellschaft zu tun, die über Milliarden-Einnahmen verfügt, und das verändert natürlich den Charakter an der Spitze. Es geht halt um sehr viel Geld und viele möchten dieses Geld in den eigenen Kassen haben, oder sie möchten mit diesem Geld Macht ausüben. Wir haben hier letzten Endes eine ungute Konstruktion.
    Heckmann: Michael Ramstetter, das habe ich gestern gelesen, hat offenbar ein Jahresgehalt von 250.000 Euro bezogen. Das heißt, in einer solchen Konstruktion, in einem solchen eingetragenen Verein mit Tochtergesellschaften, die hohe Profite abwerfen, sind dem Griff in die Kasse Tür und Tor geöffnet?
    Adams: Ja. Natürlich passt der Verein auf. Würden sie das nicht tun, wäre der innerhalb von Monaten in einem allgemeinen Rausch, wenn sich jeder über die Kassen hermacht, verschwunden. Es gibt Controlling und man passt auf, es gibt auch eine begrenzte Transparenz. Sonst würden diese Institutionen nicht existieren. Aber es hat nicht den Standard, den ein normales Wirtschaftsunternehmen hat, und wenn man so stark im Wirtschaftsleben involviert ist und vor allem auch so viel Vertrauen in Anspruch nimmt, muss man dieselben Standards einhalten. Dafür fehlen die Gesetze, und da muss man sagen, dass es sehr viel Widerstand gegeben hat, als ich diese Vorschläge gemacht habe, von allen Seiten, denn das würde ja auch die Gewerkschaft betreffen und all diese sogenannten Non Profits. Da ist natürlich in diesen Gesellschaften manches im argen, weil es intransparent ist, und deshalb hat man da nicht so viel Interesse daran, einer Regulierung zu unterliegen, wie sie im Wirtschaftsleben üblich ist.
    Heckmann: Der ADAC hat eine interne Prüfung angekündigt, an der auch externe Berater beteiligt werden sollen. Glauben Sie, dass man sich auf das Ergebnis dieser Prüfung verlassen kann?
    Adams: Ich glaube schon, dass man das kann. Der ADAC weiß, dass das existenziell ist, dass er sich so etwas nicht noch mal leisten kann, denn dann werden die Leute sich abwenden, denn wie gesagt: Vertrauen ist das Geschäft, auf dem das Ganze beruht. Aber letzten Endes ist das Kurieren an Einzelsymptomen. Wir müssen eine Struktur schaffen, in der unsere Stiftungen, unsere Vereine, also die Non Profits, gut arbeiten können, dass sie Druck haben, immer transparent zu sein und der Öffentlichkeit alles zeigen zu können. Das wird nicht gemacht. Wir haben es ja zum Beispiel auch bei den Prachtbauten in der Kirche gesehen, dass selbst die eigenen Mitglieder überrascht wurden davon. Daran fehlt es, an einer professionellen Kontrolle dieser Organisationen mit einer Transparenz nach außen.
    Heckmann: Um eine Wiederholung dieser Vorgänge zu verhindern, will der ADAC organisatorische Maßnahmen ergreifen. Sie haben es gerade schon mal angedeutet: Sie haben ja Vorschläge entwickelt vor einigen Jahren, für die SPD-Bundestagsfraktion, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
    Es fehlt der "Druck von außen"
    Adams: Ja.
    Heckmann: Welche Veränderungen müssten das sein? Was müsste sich ändern?
    Adams: In der Tat wäre es ganz einfach, das zu machen. Man würde das, was im Handelsgesetzbuch vorgesehen ist, einfach in größtem Umfang auf diese Gesellschaften übertragen, nämlich dass sie sagen, welche Geldströme an welcher Stelle stattfinden, wie die Verdienststrukturen in dem Konzern sind und was im einzelnen für Geschäftsfelder mit welchen Geldern bearbeitet werden. Das wäre im Grunde schon der Hauptpunkt. Denn wie gesagt: Ein normales Wirtschaftsunternehmen hat ja Aktionäre, die aufpassen und sagen, wo ist das Geld geblieben, warum seid ihr vergleichsweise inprofitabler als ein anderes Unternehmen. Dieser Druck fehlt von außen und sobald der Druck weg ist, ja warum soll sich ein Vorstand so viele Feinde nach innen machen, wie es ein normaler Vorstand machen muss, um dort mit den üblichen Standards zu arbeiten.
    Heckmann: Kurze Frage zum Abschluss, Herr Adams. Denken Sie, dass ein solcher Schritt kommen wird, denn als Sie Ihre Vorschläge unterbreitet hatten, da gab es ja offenbar genug Widerstand?
    Adams: Ja, der Widerstand ist da. Die Gesellschaften und diese Vereine begreifen nicht, dass das eine Hilfe ist, eine Hilfe, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Effizienz ihrer Organisation zu verbessern. Sie sehen eher die Verpflichtung und sie wollen das nicht. Mein Eindruck ist, es bedarf noch weiterer gefallener Gelber Engel, bevor da was passiert.
    Heckmann: Wir werden sehen, wie das weitergeht. Das war einstweilen Michael Adams, emeritierter Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Hamburg. Herr Adams, haben Sie recht herzlichen Dank für das Gespräch.
    Adams: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.