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Ägyptens Kopten
Frieden hinter hohen Mauern

Ägypten gilt als Wiege des Mönchtums. Doch seit Dezember 2016 haben Terroristen bei Angriffen auf christliche Kirchen und auf Gläubige mehr als 100 Menschen getötet. Vielleicht ist es die Verunsicherung, die die Kopten religiöser werden lässt. Das Kloster des Heiligen Bishoi hat jedenfalls wachsenden Zulauf zu verzeichnen.

Von Jürgen Stryjak |
    Heiligenbilder im Kloster Bishoi
    Das Kloster Bishoi liegt knapp hundert Kilometer nordwestlich von Kairo in der Wüste (ARD Abdulbar Zahran)
    Seit vielen Jahrhunderten wird an diesem Ort gebetet und meditiert, und es kommen Pilger aus dem ganzen Land. Wie Omm Mina und ihr Sohn Michael.
    Die Familie nehme sich fürs neue Jahr auch immer etwas Neues vor, sagt die Frau aus Oberägypten, und sie wollte dafür um Segen bitten. Die Familie hätte sich ein Auto gekauft und möchte nun dem Kloster, wie üblich bei größeren Neuanschaffungen, aus Dankbarkeit Gott gegenüber Geld spenden.
    Omm Mina und ihr Sohn Michael sind als Pilger ins Kloster gekommen.
    Omm Mina und ihr Sohn Michael sind als Pilger ins Kloster gekommen. (ARD Abdulbar Zahran)
    In den Wochen vor dem koptisch-orthodoxen Weihnachtsfest besuchen besonders viele ägyptische Christen das Kloster des Heiligen Bishoi. Der Sarg mit dem Leichnam des Heiligen liegt in einem Raum der Kirche – eingehüllt in einen Teppich, unter den die Gläubigen kleine Zettel stecken, auf die sie ihre Sorgen schrieben und auf denen sie um Hilfe und Segen bitten.
    "Ein gütiger Mensch, der jedem Mut machen kann"
    Miriam aus Kairo ist 33. Demnächst zieht sie nach Düsseldorf, um dort zu arbeiten:
    "Der Heilige Bishoi war sehr klein, aber auch sehr stark. Es heißt, er sei nahezu vollkommen gewesen, ein gütiger Mensch, der jedem Mut machen kann, der ebenfalls klein ist oder der nicht weiß, ob er den Anforderungen genügt, zum Beispiel bei der Arbeit."
    Die Senke Wadi El-Natrun befindet sich knapp hundert Kilometer nordwestlich von Kairo in der Wüste. Vor fast 1700 Jahren kam Bishoi hierher, um zu meditieren. Das damals gegründete Kloster erhielt später seinen Namen.
    Ägypten gilt als Wiege des Mönchtums. Heute sind die Christen des Landes in Gefahr. Allein seit Dezember 2016 haben Terroristen bei Angriffen auf Kirchen und auf Gläubige mehr als 100 Menschen getötet.
    Das Kloster Bishoi liegt etwas 100 Kilometer nordwestlich von Kairo in der Wüste.
    Das Kloster Bishoi liegt etwas 100 Kilometer nordwestlich von Kairo in der Wüste (ARD Abdulbar Zahran)
    Vater Matta ist zu Besuch im Kloster des Heiligen Bishoi, er leitet eine Kirchengemeinde bei Kairo.
    "Unsere Gottesdienste finden statt wie immer, aber die Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt. Wo früher ein, zwei Polizisten eine Kirche bewachten, stehen heute ganze Gruppen von Sicherheitskräften. Wir wollen ja die Gottesdienste nicht abschaffen. Eine Kirche ohne Messe ist keine Kirche."
    Das ist die eine Wirklichkeit, die traurige. Die andere Wirklichkeit ist eine tröstende. Die meisten Muslime im Land würden sich ein friedliches Zusammenleben mit ihren christlichen Nachbarn wünschen. Extremisten seien die Ausnahme, sagt Vater Matta.
    "Ich wohne in meinem Viertel und sogar in meinem Haus mit Muslimen zusammen. Das sind alles warmherzige Leute, die uns Christen respektieren. Ich habe nie etwas Schlechtes erlebt. Es gibt Familien, in denen der eine Sohn gut und der andere schlecht ist, und genau so ist es auch in der Gesellschaft. Es gibt solche und solche."
    Viel Zeit für Gebet und liturgische Gesänge
    Vielleicht ist es Verunsicherung, die die Kopten religiöser werden lässt. Sie rücken enger zusammen. In den vergangenen Jahren ist auch die Zahl derer gestiegen, die ihr Leben im Kloster als Mönch verbringen wollen. So wie Bruder Abraham, der als Sohn ägyptischer Eltern in Wien geboren wurde. Der 26-Jährige lebt als Novize im Kloster des Heiligen Bishoi.
    "Es kommen täglich an die 20 Leute, täglich, die das anstreben, also so auf die Art Mönchsanwärter. Derzeit wird jetzt wieder ein neues Gebäude gebaut, für 60 Zellen, fünfstöckig. Das ist jetzt, glaube ich, das sechste Gebäude."
    Seit 1976 ist Vater Joaqim Mönch im Kloster. Der 66-Jährige führt ein einfaches Leben, er verbringt viel Zeit im Gebet und mit liturgischen Gesängen, in den Wochen vor dem koptischen Weihnachtsfest nicht selten die gesamte Nacht hindurch.
    "Man muss Gott lieben, um in der Lage zu sein, die Familie und die Freunde zu verlassen, und um auf Beruf, Geld und die Ehe verzichten zu können. Die Brücke zum Leben als Mönch kann man ohne die Liebe zu Gott gar nicht überqueren."
    Vater Matta ist zu Besuch im Kloster des Heiligen Bishoi, er leitet eine Kirchengemeinde bei Kairo.
    Vater Matta ist zu Besuch im Kloster des Heiligen Bishoi, er leitet eine Kirchengemeinde bei Kairo. (ARD Abdulbar Zahran)
    Vater Joaqim führt durch das Kloster, das von hohen Mauern umgeben ist und in dem sich vieles seit Jahrhunderten kaum verändert hat. Er schließt den früheren Speisesaal der Mönche auf, der heute viel zu klein wäre und ein Museum beherbergt. Inzwischen leben über 200 Mönche in dem Kloster des Heiligen Bishoi. Bis in die siebziger Jahre hinein seien viele Klöster des Landes fast leer gewesen.
    "In unserem Kloster gab es vielleicht noch zehn, höchstens 15 Mönche. Damals war es der koptische Papst Shenouda, der besonders die jungen Leute wieder für das Klosterleben begeisterte. Mindestens zwei Mal pro Woche kam er selber hierher in die Wüste, um sich geistig zu erholen."
    Präsident al-Sisi beschwört immer wieder die Einheit von Muslimen und Christen
    Der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi beschwört immer wieder die Einheit von Muslimen und Christen im Land. Ägyptische Menschenrechtler, auch koptische, werfen seinem Regime allerdings vor, dass es beim Kampf gegen muslimischen Extremismus und beim Schutz der Christen nur zwei Mittel kenne: den repressiven Polizeistaat sowie demonstrative Aktionen wie etwa der Bau der bislang größten Kirche Ägyptens und ihre Einweihung am Sonntag. Doch die Probleme sitzen tiefer, Christen werden in vielen Gesellschaftsbereichen immer noch benachteiligt.
    "Ja, die Christen werden diskriminiert, zum Beispiel im Beruf, indem man ihre Bewerbung ablehnt oder sie manchmal nicht befördert. Die Freundschaft zwischen Muslimen und Christen ist nicht mehr wie früher. Die Spaltung hat in den Siebzigern begonnen. Die Extremisten werden die ganze Welt zerstören. Gott segne Abdulfattah al-Sisi."
    Immer mehr Kopten bezweifeln allerdings, dass Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig ist, sie zu beschützen. Bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel wurden sieben Menschen getötet, darunter auch ein Polizist, der die Kirche bewachte. Nach der Tat war der Attentäter noch eine knappe Viertelstunde lang unbehelligt in dem Viertel unterwegs – bevor er von einem muslimischen Zivilisten überwältigt wurde. Der Imam der Nachbarmoschee soll zuvor, so berichten ägyptische Medien, über Lautsprecher dazu aufgerufen haben, die Kirche zu verteidigen.