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AfD-Wahlerfolge
"Geschickter und professioneller als die Piraten"

Im Gegensatz zu den Piraten richte sich die Alternative für Deutschland an eine breitere Anhängerschaft, sagte Richard Hilmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, im DLF-Interview zum Wahlerfolg der Partei. Außerdem habe die AfD ihr Programm deutlich geschickter ausgeweitet als die Piraten.

Richard Hilmer im Gespräch mit Friedbert Meurer | 16.09.2014
    Richard Hilmer, Geschäftsführer von infratest-dimap
    Die AfD sei in ihren internen Strukturen deutlich professioneller als die Piraten-Partei, betonte Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest Dimap, im Interview mit dem DLF. (picture-alliance / dpa-ZB / Klaus Franke)
    Friedbert Meurer: Die AfD hat vor zwei Wochen in Sachsen erstmals den Sprung in einen Landtag geschafft. Vorgestern folgte dann der Triumph in Brandenburg und in Thüringen mit über zehn und über zwölf Prozent der Stimmen. Es war damit gerechnet worden, dass die AfD es in beiden Ländern schaffen würde, aber nicht in dieser Höhe mit einem zweistelligen Wahlergebnis. Vor allen Dingen bei der CDU/CSU wird jetzt diskutiert, warum die AfD gerade bei ihnen so viele Stimmen fischt und was zu tun ist.
    Richard Hilmer ist Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap, das das Wahlergebnis am Sonntag auch wieder unter die Lupe genommen und analysiert hat. Guten Tag, Herr Hilmer!
    Richard Hilmer: Herr Meurer, guten Tag.
    Meurer: Die Kanzlerin behauptet ja, die AfD ist ein Problem für alle Parteien, nicht im Besonderen für die CDU. Hat sie da recht?
    "AfD wird eher der Union Ärger bereiten"
    Hilmer: Kurzfristig ja. Die AfD hat in der Tat von allen Parteien geholt. Das ist typisch für neu gegründete Protestparteien. Das war bei den Piraten nicht anders, das war seinerzeit bei Schill nicht anders, das war selbst bei den Grünen damals, Ende der 70er, Anfang der 80er-Jahre nicht anders. Aber langfristig, denke ich schon, ist die AfD sicherlich eine Partei, die eher der Union Ärger bereiten wird, denn sie ist schon eher auf dem rechten Parteienspektrum anzusiedeln.
    Meurer: Warum, glauben Sie, wird das die langfristige Entwicklung sein, obwohl vorgestern ja zum Beispiel auch so viele ehemalige Wähler der Linken die AfD gewählt haben?
    Hilmer: Die Linke ist eine Protestpartei, auch immer noch in ihren Grundzügen. Dort, wo sie dann Verantwortung übernimmt, wie eben in Brandenburg, da wird sie dann entsprechend abgestraft, weil sie sozusagen nicht dem Protest, nicht nur dem Gefühl folgen kann, sondern sie muss nach Vernunftgründen auch entscheiden, regieren, Verantwortung übernehmen. Das scheint nicht jeder Wähler dann auch zu honorieren. Insofern ist es nicht ganz überraschend, dass gerade die Linkspartei in Brandenburg am meisten darunter zu leiden hatte.
    Meurer: Die Wähler, die bei der AfD ihr Kreuz am Sonntag gemacht haben, halten die die AfD für eine rechte Partei, die rechts von der CDU steht?
    "AfD-Wahl war Botschaft an etablierte Parteien"
    Hilmer: Was die Werte anbetrifft, denke ich schon. Man hat es ja auch gesehen, gerade in Sachsen war das noch mal ein Stückchen bedeutsamer. Dort haben viele AfD-Wähler auch gesagt, im Grunde genommen könnte ich auch die NPD wählen. Das war jetzt in Thüringen und in Brandenburg weniger der Fall. Insofern müssen wir da noch ein bisschen genauer rangucken.
    Aber klar ist, dass die AfD jetzt nicht gewählt wird, weil sie eine besonders kompetente Partei in Sachen Wirtschafts- oder Finanzpolitik wäre, weil man ihr da so viel zutrauen würde, was den Euro anbetrifft oder Kriminalitätsbekämpfung. Es ist in erster Linie nach wie vor eine Botschaft in Richtung der etablierten Parteien.
    Meurer: Was suchen die Wählerinnen und Wähler bei der AfD? Was glauben sie, da zu finden?
    Hilmer: Ja ein ganzes Sammelsurium von Versprechungen. Die AfD hat es ja sehr geschickt verstanden, ihren Kernbereich, die Euro-Kritik, zu ummanteln mit neuen Themen. Da kam Zuwanderung erst dazu, dann Familienpolitik, auch ein Stück weit Außenpolitik. Auch da hat sie sich überraschend pointiert positioniert, gerade was die Stellung gegenüber Russland anbetrifft.
    Ob das auf Dauer wirklich zu einem konsistenten Programmangebot dann zusammengefügt werden kann, das muss man mal abwarten. Das ist die schwierige Aufgabe von solchen neu gegründeten Protestparteien. Bislang ist das nur den Grünen gelungen, das wirklich auf Dauer zu vereinen und sich wirklich einen festen Platz im deutschen Parteienspektrum zu sichern.
    Meurer: Das Ganze wird ja dadurch kompliziert: Wir haben nicht nur das Phänomen, dass von allen Parteien Wähler der AfD zugewandert sind, sondern die AfD wird auch quer durch die Bevölkerungsgruppen gewählt. Vor allen Dingen hohe Werte, steht in Ihrer Analyse, bei den Arbeitern und bei den Selbstständigen. Wie kommt das?
    "Heterogenität der AfD-Wählerschaft"
    Hilmer: Ja, das zeigt schon die Heterogenität der Wählerschaft. Die Selbstständigen, das ist quasi so ein Stück weit Kernklientel. Die AfD selbst, wenn man auch ihre Liste ansieht, wer jetzt in die Landtage zieht, ist ja eine durchaus bürgerliche Partei. Da finden sich Wissenschaftler, Geschäftsleute, Polizisten. Das ist schon bürgerliche Mitte. Auf der anderen Seite sind gerade die Themen, die sie aufgreift, Zuwanderung - da steckt natürlich auch Konkurrenzangst dahinter -, Kriminalität, Themen, die gerade die unteren Bildungsschichten in besonderer Weise betreffen, auch umtreiben.
    Insofern gibt das dann schon Sinn, dass die AfD auch wirklich von breitesten Bevölkerungsschichten gewählt wird. Bemerkenswert auch, dass sie gerade von Jungwählern, Erstwählern in hohem Maße gewählt wurde. Da ist sie zum Teil gerade bei jungen Männern ganz oben mit dabei, auf Augenhöhe mit den Volksparteien.
    Meurer: Das wäre die Parallele zu den Piraten, die ja wie Phönix aus der Asche aufgestiegen sind und dann sozusagen den Weg wieder zurückgewählt haben, unter einem Prozent, glaube ich, am Sonntag lagen. Da Sie vorhin Piraten und AfD so miteinander verglichen haben, wie viele Parallelen es da gibt, ist diese Parallele wirklich so ausgeprägt, oder ist die AfD nicht doch im Gegensatz zu den Piraten ein generationenübergreifendes Phänomen beispielsweise?
    Hilmer: Das ist auffällig, dass die AfD tatsächlich etwas breiter gestreut ist, was die Anhängerschaft anbetrifft. Sie hat allerdings begonnen wie die Piraten mit einem Themenkern, und das war die Euro-Kritik. Bei den Piraten war es die Digitalisierung, die digitale Welt, Datenschutz. Die Piraten haben es nicht verstanden, diesen Themenbereich auszubauen. Sie haben es nicht mal verstanden, ihn sozusagen auf aktuelle Probleme konkret anzuwenden.
    Die AfD ist da deutlich geschickter, was die Ausweitung des Programmangebotes anbetrifft. Sie ist auch sicherlich in ihren internen Strukturen deutlich professioneller. Sie muss sich nicht mit solchen Themen wie Liquid Democracy herumärgern. Allerdings da sind natürlich auch viele Eitelkeiten und auch Widrigkeiten unterwegs. Man muss mal sehen, ob sich diese Partei gerade im Erfolg auch zusammenführen lässt. Manchmal ist ja gerade der Erfolg dann auch Grund dafür, dass es innerparteilich zu Zerwürfnissen kommt.
    Meurer: Richard Hilmer, der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, zum Phänomen Alternative für Deutschland (AfD). Herr Hilmer, danke schön und auf Wiederhören nach Berlin.
    Hilmer: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.