
Aus den Alpen wurde in diesem Sommer viel über Einsätze der Bergrettung berichtet: tragische Abstürze, tödliche Steinschläge – und immer wieder auch Geschichten über Personen, die in Sneakern und kurzen Hosen die Verhältnisse am Berg unterschätzt hatten.
Ein genauer Blick auf die aktuellen Einsatzstatistiken zeigt: Die ehrenamtlichen Bergretter haben überall in den Alpen gut zu tun, aber der Eindruck, dass sie viel öfter gerufen werden als früher, bestätigt sich nur in einzelnen Regionen. Und doch wandelt sich die Art der Einsätze.
Wie haben sich die Einsatzzahlen der Bergretter entwickelt?
Es ist unmöglich, einen alpenweit einheitlichen Trend zu beschreiben – schließlich sind die Berge im Allgäu anders als im Berner Oberland, die einzelnen Regionen unterschiedlich stark touristisch erschlossen.
In Österreich sind nach Angaben des Kuratoriums für Alpine Sicherheit ehrenamtliche Bergretter in diesem Sommer (Mai bis September) 3.674 verunfallten Personen zu Hilfe geeilt. Das sind etwa 200 mehr als im Zehn-Jahres-Schnitt und 500 weniger als im Sommer 2024.
In den Bayerischen Alpen waren es in diesem Sommer 3041 Gerettete. Hier fällt vor allem auf, dass die Bergretter rund um die Zugspitze häufiger ausrücken mussten, während zum Beispiel im Allgäu die Zahlen leicht zurückgingen.
Stabilisierung auf hohem Niveau
Die Schweizer Rettungsflugwacht Rega zählte vom 1. Januar bis 13. August 737 Rettungseinsätze - das sind zwar fast 120 mehr als im selben Zeitraum 2021, aber auch leicht weniger als noch im Vorjahreszeitraum. Aus Italien liegen noch keine Daten für das aktuelle Jahr vor; dort vermeldete man 2024 eine "Stabilisierung auf hohem Niveau".
Immer mehr Menschen zieht es in die Berge. Das lässt sich zumindest aus den Mitgliederzahlen des Deutschen Alpen-Vereins (DAV) ableiten. 2024 zählte der DAV 1,57 Millionen Mitglieder – das entspricht einer Verdopplung seit 2007. Man könne nicht erkennen, dass die Unfallzahlen überproportional zunähmen, teilte der DAV auf Anfrage mit.
Warum gibt es so viele Einsätze?
Die meisten Unfälle im Sommer passieren beim Wandern oder Bergsteigen – in Österreich etwa machen sie fast drei Viertel aller Unfälle aus. Der Rest verteilt sich hauptsächlich auf Klettern und zuletzt vermehrt auch auf Mountainbiking.
Eine weitere Entwicklung der letzten Jahre: Mehr Bergsportler rufen unverletzt die Bergrettung, wenn sie vor Erschöpfung nicht mehr weiter können oder wenn sie das Terrain unterschätzt haben und sich nicht mehr weiter trauen. Fachleute sprechen in solchen Fällen von Blockierungen. In Österreich machen sie laut Kuratorium für Alpine Sicherheit inzwischen etwa jeden dritten Notruf aus.
"Taxifahrten" für Unverletzte
Auch in der touristisch sehr beliebten italienischen Region Südtirol häufen sich nach Angaben des dortigen Bergrettungsdienstes die sogenannten "Taxifahrten" für Unverletzte, die manchmal einfach nur die letzte Seilbahn verpasst haben. Auch wenn Einzelfälle diskussionswürdig sind: Den Bergrettern ist es lieber, frühzeitig alarmiert zu werden, als wenn Betroffenen tatsächlich etwas zustößt.

Denn es gibt in jedem Jahr auch schwere und tödliche Bergunfälle. Alpenweit kommen jeden Sommer mehrere hundert Menschen beim Bergsport zu Tode – wobei der Anstieg über die Jahre weniger deutlich ausfällt als bei den Verletzten.
Ungefähr die Hälfte der Toten verunglückt bei Bergunfällen, also zum Beispiel bei schweren Stürzen oder Steinschlag. Die andere Hälfte entfällt auf sogenannte internistische Notfälle wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Häufig sind Männer jenseits der 50 betroffen, die bei sommerlichem Wetter körperlich anstrengende Touren absolvieren.
Wie ist die Bergrettung organisiert und wie wird sie finanziert?
Das ist von Land zu Land unterschiedlich. Mit Ausnahme der Schweiz kommen vielerorts vor allem ehrenamtliche Bergretter zum Einsatz. Sie sind in Ortsverbänden organisiert.
Ähnlich wie freiwillige Feuerwehren werden die ausgebildeten Ehrenamtler über Pager kontaktiert. Wer verfügbar ist, eilt dann zur Rettungsstelle. Arbeitgeber müssen in der Regel ihre Angestellten für Einsätze freistellen und werden im Nachhinein finanziell kompensiert.
In vielen Situationen fordern die Leitstellen zusätzlich einen Rettungshubschrauber an, sofern die Wetterverhältnisse das zulassen. In der Regel sind das keine eigenen Hubschrauber der Bergrettung, sondern kommen etwa auch bei schweren Verkehrsunfällen zum Einsatz.
Spenden, Mitgliedsbeiträge und Geld vom Staat
Die Finanzierung der Bergrettung ist im Alpenraum je nach Region und Land sehr unterschiedlich organisiert. Allgemein fußt sie auf privaten Spenden, Mitgliedsbeiträgen und teilweise auch staatlicher Förderung.
Generell gilt: Medizinische Notfälle werden von der Krankenversicherung abgedeckt. Zusätzliche Unfallversicherungen können bei einer Rettung in den Bergen ebenfalls greifen. So sind auch Mitglieder des Deutschen Alpen-Vereins über ihren Beitrag für solche Fälle versichert.
Allerdings können Versicherungen die Kostenübernahme ablehnen, wenn die gerettete Person sich ohne ausreichende Selbsteinschätzung grob fahrlässig in Gefahr begeben hat. Laut der österreichischen Alpinpolizei mussten in der vergangenen Alpin-Saison 2024/25 knapp die Hälfte der unverletzt Geretteten die Flugkosten selbst übernehmen.
Mehrere Tausend Euro für einen Flug
Ein Helikopterflug kann mehrere Tausend Euro kosten. Die Bergwacht Bayern betont jedoch, dass jede Rechnung, die ausgestellt wird, nur einen Teil der tatsächlichen Kosten ausmacht: Schließlich muss teure Ausrüstung dauerhaft vorgehalten, die Bergretter müssen umfangreich geschult werden.
Der Freistaat Bayern stellte in den letzten drei Jahren rund zehn Millionen Euro für die Ausrüstung der Bergwacht zur Verfügung. Außerdem entsteht, ebenfalls vom Freistaat gefördert, am Hauptsitz in Bad Tölz das Bayerische Zentrum für Alpine Sicherheit. Kosten: 18 Millionen Euro.
Welche Rolle spielt der Klimawandel für die Sicherheit in den Bergen?
In einem gewissen Ausmaß sind die Berge durch den Klimawandel gefährlicher geworden: In vielen Gebieten kommt es vermehrt zu Steinschlag. Im Juli verunglückte die Biathlon-Legende und Profi-Bergsteigerin Laura Dahlmeier im pakistanischen Karakorum-Gebirge durch Steinschlag tödlich.
An sich ist Steinschlag ein natürlicher Prozess: Jedes Mal, wenn Wasser in Felsadern gefriert, treibt es den Spalt weiter auf. Bei Erwärmung dehnt sich wiederum das Gestein aus, beim nächsten Niederschlag kann wieder Wasser eindringen, der Prozess wiederholt sich. Alpenweit gibt es je nach Gesteinsart große Geröllfelder – und Bewegungen dort sind Alltag.
Durch den Klimawandel geht jedoch auch der Permafrost zurück, der in höheren Lagen als Kitt den Berg zusammenhält. Berge werden instabiler, die Prozesse laufen beschleunigt ab. In einigen Alpenregionen hat sich die Frequenz der Steinschläge merklich erhöht.
In zweiter Linie ist der Klimawandel in den Alpen auch für mehr Extremwetterereignisse verantwortlich – zum Beispiel Starkregen, der wiederum zu Murenabgängen führen kann.
Wie hat Social Media den Bergsport verändert?
Der Hauptgrund für mehr Einsätze der Bergrettung dürfte sein, dass einfach deutlich mehr Menschen in den Bergen unterwegs sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Dabei spielen auch die sozialen Medien eine Rolle. Diese können als Plattform für Aufklärung und Tipps für verantwortungsvollen Bergsport dienen. Doch Berg-Influencer posten vor allem spektakuläre Bilder – vielfach, ohne zugleich auf die Risiken in den Bergen hinzuweisen. Hüttenwirte klagen darüber, dass inzwischen mehr Gäste mit unzureichender Ausrüstung unterwegs sind und teilweise auch eine sorgfältige Tourenplanung vermissen lassen.
Durch Seilbahnen stehen viele Alpengipfel längst auch Menschen offen, die sich nicht unbedingt eine Höhentour zutrauen. Damit sie sich nicht für ein Foto mit dem Gipfelkreuz in Gefahr begeben, hat man sich auf der Zugspitze etwas Besonderes einfallen lassen: Wer nicht von der Besucherplattform aus bis zum Gipfelkreuz kraxeln kann oder will, hat jetzt die Möglichkeit, an einem eigens dafür aufgestellten Nachbau des Kreuzes direkt an der Seilbahn Selfies machen.
















