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Amtsenthebungsverfahren in Brasilien
Redemarathon bis in die Morgenstunden

Bis in den frühen Morgen haben die Senatoren in Brasilien über eine Amtsenthebung der suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff debattiert. Rousseffs Verteidiger kritisierte das Verfahren als "Vernichtung einer ehrbaren Person". Am Nachmittag wird endgültig abgestimmt.

Von Ivo Marusczyk |
    Dilma Rousseff vor Anhängern nach ihrer Suspendierung
    Nach der Zählung brasilianischer Medien haben schon mehr als zwei Drittel der Senatoren angekündigt, für die Absetzung der Präsidentin Dilma Rousseff zu votieren. (AFP/ EVARISTO SA)
    Es flossen Tränen und auch Schimpfworte waren zu hören. Aber selbst diese Beschimpfung war als historisches Zitat kaschiert. Angesichts der Tragweite der Entscheidung, die Brasiliens Senat jetzt fällen wird und angesichts der vielen Vorwürfe der letzten Monate verlief diese historische Senatssitzung erstaunlich ruhig, erstaunlich sachlich. Sie war vor allem: lang, sehr lang.
    Erst hatten Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers gehalten. Jose Eduardo Cardozo, der Verteidiger von Dilma Rousseff, scheint allerdings auch schon mit der sicheren Absetzung der Präsidentin zu rechnen.
    "Das ist die politische Todesstrafe, das ist die die Vernichtung einer ehrbaren Person. Werden Sie ab heute mit ruhigem Gewissen schlafen können, wenn sie den Ja-Knopf für die Verurteilung drücken? Und wenn Sie in den Spiegel schauen, wissen Sie dass Sie eine Unschuldige verurteilt haben, unter Vorwänden und ohne Grund?"
    Dilma-Anhänger kritisieren Verfahren
    Und einige Dilma-Anhänger werfen den neuen Machthabern vor, Dilma Rousseff nur abzusetzen, weil sie nicht in Schema passt, eine Frau, unverheiratet und nicht in den alten Machteliten Brasiliens verwurzelt. Aber Janaina Paschoal, die Anwältin der Anklage entgegnet: "Es darf auch niemand davonkommen, weil sie eine Frau ist. Bei einem männlichen Präsidenten würde ich auch das Impeachment fordern."
    Ihr Kollege Miguel Reale gibt offen zu, dass es längst nicht mehr um die Haushaltstricks geht, die der offizielle Grund für das Verfahren sind: "Die brasilianische Gesellschaft ist nicht aus politischer oder parteipolitischer Rache auf die Straße gegangen. Sie gingen auf die Straße weil sie Misswirtschaft feststellten, weil sie die Tatenlosigkeit nicht mehr aushielten."
    Abstimmung auf den Nachmittag verschoben
    Die Senatoren beweisen Durchhaltevermögen, jedenfalls die meisten. Zwei mussten zwischendurch medizinisch behandelt werden. Jeder hatte Redezeit für ein persönliches Statement, und fast keiner wollte darauf verzichten. Deswegen dauert die Sitzung bis in die frühen Morgenstunden. Rousseffs Parteifreund Lindbergh Farias hielt Dilmas Gegnern vor:
    "Das ist eine Farce, es ist eindeutig, dass es keine Amtspflichtverletzung gab. Dieser Prozess ist nur ein Vorwand. Und das hier ist ein Sondergericht, in dem Beweise völlig unbedeutend sind."
    Überzeugt hat er seine Kollegen damit aber nicht. Nach der Zählung brasilianischer Medien haben schon mehr als zwei Drittel der Senatoren angekündigt, für die Absetzung der Präsidentin zu votieren. Die Abstimmung muss nach dem Redemarathon noch einmal verschoben werden. Aber heute Nachmittag deutscher Zeit dürfte die Ära Dilma Rousseff zu Ende sein.