Donnerstag, 25. April 2024

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Angehörige ein Jahr nach Hanau
"Fühle mich von Politik und Ermittlungsbehörden allein gelassen"

Auch ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau blieben viele Fragen der Hinterbliebenen unbeantwortet, sagte Ajla Kurtović, deren Bruder Hamza bei dem Attentat getötet wurde. Dass die Ermittlungen nicht weiterkämen, stelle ihr Vertrauen in den Rechtsstaat auf eine harte Probe, sagte sie im Dlf.

Ajla Kurtovićim Gespräch mit Philipp May | 16.02.2021
Eine offizielle Gedenktafel mit den Fotos der neun Opfer erinnert am Anschlagsort in Hanau-Kesselstadt an die Opfer der Anschläge im Jahr 2020. Der Rechtsextremist Tobias R. hatte hier am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. (zu dpa: «Trauer, Unmut, drängende Fragen - Hanau gedenkt der Anschlagsopfer»)
Die Anschläge von Hanau jähren sich am 19. Februar 2021 zum ersten Mal (dpa/picture alliance/Boris Roessler)
Am 19. Februar 2020 erschoss ein 43 Jahre alter Deutscher neun Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der hessischen Stadt Hanau: Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păutesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu und Hamza Kurtović. Danach tötete der Täter seine Mutter und sich selbst. Die Bundesanwaltschaft attestierte ihm eine zutiefst rassistische Gesinnung.
Ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau werfen Hinterbliebene den Ermittlungsbehörden weiterhin schwere Versäumnisse vor.
Menschen in Hanau zünden Kerzen an und legen Blumen nieder.
Nach Anschlag von Hanau - Neue Strategien gegen Rechtsextremismus
Der rechtsextremistische Terror stellt Sicherheitsbehörden vor ein massives Problem. Laut BKA seien 50 Prozent der Täter vorher nicht polizeibekannt. Darauf müssten sich die Sicherheitsbehörden einstellen – und mehr Befugnisse zur Gefahrenabwehr erhalten, fordern Landespolitiker.

Kritik an Politik und Ermittlungsbehörden

Viele Fragen seien unbeantwortet, sagte , sagte Ajla Kurtović, deren Bruder Hamza bei dem Attentat getötet wurde, im Deutschlandfunk: "Fragen wie: Hätte man den Täter stoppen können? Was ist ins der Tatnacht passiert? Was ist danach passiert? Warum hat man uns am Tag der Tat hingehalten? Warum hat man uns nicht gesagt, wo mein Bruder ist? Warum wussten wir eine Woche nicht, wo mein Bruder ist?"
Auch ein Jahr nach den Morden sei man genau so weit wie am ersten Tag und wisse nicht, was wirklich passiert sei, so Kurtović. Wenn man ihr vor dem 19. Februar 2020 gesagt hätte, dass Ermittlungen so schleppend vorangingen - "das hätte ich nicht gedacht", sagte Kurtovic.
Sie fühle sich allein gelassen von Politik und Ermittlungsbehörden: "Ich habe Vertrauen in den Rechtsstaat und die Ermittlungsbehörden, aber dieses Vertrauen wird immer wieder auf die Probe gestellt." Denn statt ihre Fragen zu beantworten, würde immer mit dem Finger auf die jeweils andere Behörde gezeigt. "Dabei ist es mir aber egal ob mir meine Fragen die Polizei, der Generalbundesanwalt oder der Innenminister beantwortet", so Kurtovic.

"Es gibt Tage, die sehr schwarz sind"

Halt fände sie bei ihrer Familie, ihrem Freund und Unterstützern. "Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, und man versucht weiter zu machen und stark zu sein. Das gelingt an einigen Tagen. Es gibt aber auch Tage, die sehr schwarz sind und wo man eigentlich nicht damit zurecht kommt."
"Es ist trotzdem schön, dass ein Jahr nach Hanau, Hanau nicht vergessen ist, trotz Pandemie. Dass die Angehörigen eingeladen sind, die Familien vor Ort sind und wichtige Vertreter von der Bundesebene auch da sind", sagte Kurtovic zur geplanten Gedenkfeier am ersten Jahrestag.
Unter der Friedensbrücke in Frankfurt erinnert ein 27 Meter langes Gedenk-Graffiti an die Opfer des Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020.
Gedenken an Hanau: "Wir möchten, dass diese Tat restlos aufgeklärt wird"
Selma Yilmaz-Ilkhan vom Hanauer Ausländerbeirat mahnt, den rechtsextremen Anschlag von Hanau nicht zu vergessen. Die Tat müsse restlos aufgeklärt werden.