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"Annan ist keiner, der schnell aufgibt"

Dass die verfeindeten Gruppen in Syrien keinen Dialog zustande bringen, sei ganz gewiss nicht Kofi Annan in die Schuhe zu schieben, sagt der Journalist Thomas Nehls. Der ehemalige UN-Generalsekretär kämpfe weiter für eine diplomatische Lösung.

Thomas Nehls im Gespräch mit Jeanette Seiffert | 21.07.2012
    Jeanette Seiffert: Hört man die Worte aus dem Umfeld Assads, erscheint sie einem fast ein wenig rührend, die UN-Mission unter Führung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Zu Beginn, vor einigen Wochen jedenfalls, formulierte er seinen Auftrag noch sehr eindeutig: Die Botschaft sei klar, Tötung und Gewalt müssten aufhören. Es müsse nun der Weg zum Dialog gefunden werden, zwischen allen Akteuren in Syrien. Die Realität indes sieht ganz anders aus: Das Töten geht weiter, Zehntausende Menschen sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Der UN-Sicherheitsrat hat gestern zwar die Beobachtermission um weitere 30 Tage verlängert - doch angesichts der regelrechten Endzeitstimmung, die sich in Syrien breit macht, stellt sich mehr denn je die Frage, ob es sich um mehr als nur ein Feigenblatt handelt.

    Welche Perspektive hat also die Mission des Kofi Annan noch? Darüber habe ich vor der Sendung gesprochen mit Thomas Nehls, unter anderem ehemaliger UN-Korrespondent in New York. Die bisherige Bilanz sieht ja nicht wirklich gut aus: Annans Friedensplan hat wenig bis gar nichts bewirkt, die Gewalt in den Städten eskaliert, eine Waffenruhe scheint weiter entfernt denn je. War es von Anfang an eine Mission impossible?

    Thomas Nehls: Nein, es hat ein abermaliger Versuch stattgefunden - und er findet noch statt - Kofi Annan ist keiner, der schnell aufgibt, eigentlich einer, der überhaupt nicht aufgibt. Das hat er auch früher in anderen Krisenregionen nicht getan. Und: Steter Tropfen höhlt den Stein. Er sagt ja auch stetig Ähnliches, dass es eben doch zu dem Dialog kommen muss.

    Und das ist ja der Punkt, da gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen tagtäglich, aber nicht wirklich den Versuch beider Seiten, oder auf der einen Seite Assads und auf der anderen Seite die Vielfalt der Opposition, tatsächlich aufeinander zuzugehen. Das nun Kofi Annan in die Schuhe zu schieben, wäre etwas sehr oberflächlich.

    Seiffert: Gerade zu Beginn hatten sich je sehr viele Hoffnungen auf Kofi Annan gerichtet. Er genießt international großen Respekt. Immerhin hat er seinerzeit Saddam Hussein dazu gebracht, Waffeninspektoren in den Irak zu lassen. Er ist bekannt für seine Wortgewalt und sein Charisma. Führt das womöglich dazu, dass man ihn und seine Einflussmöglichkeiten in der Syrien-Frage überschätzt?

    Nehls: Naja, das mag schon dazu führen, da haben Sie Recht, Frau Seifert, dass man möglicherweise wegen dieser Art, die ja oft Erfolg hatte – manchmal auch nicht, Anfang der 90er-Jahre in Ruanda nicht, da war er allerdings noch nicht UNO-Generalsekretär, sondern Chef der Peace-Keeping-Abteilung, also der Friedensmissions-Abteilung, und in Somalia hatte er auch wenig Glück. Also es gab auch schon Tiefpunkt in seiner Karriere, die 1962 ja schon begann bei den Vereinten Nationen – aber in der Tat, er versucht es. Und das ist ja die Aufgabe, eben mit Worten und mit Mahnungen, nicht mit Drohungen und schon gar nicht mit Waffen, auf die Parteien in Krisenregionen Einfluss zu nehmen. Und das ist ihm ja oft gelungen. Er hat mindestens nichts unversucht gelassen.

    Und wenn ich mir erlaube, ihn mal mit seinem Nachfolger zu vergleichen, der hat es nicht geschafft, in den Anfängen der Libyen-Krise sich nach Tripolis zu begeben. Möglicherweise hätte er ja was verhindern können. Kofi Annan wäre wahrscheinlich mehrmals dahin gereist.

    Seiffert: Sie haben ihn, also Kofi Annan, während Ihrer Zeit als Korrespondent in New York persönlich kennen gelernt. Was zeichnet den Mann aus?

    Nehls: Es ist schon auf Anhieb erstmal die Gegensätzlichkeit. Die starken Worte, Sie haben sie erwähnt, die aber sanft übergebracht werden. Seine Redeweise verfügt, hat mal der deutsche UNO-Experte Professor Manuel Fröhlich geschrieben, über eine unglaubliche metronomische Gleichmäßigkeit. Er klingt, so setzte er fort, altehrwürdig und seine Stimme ist doch volle Kraft. Monotonie ohne Eintönigkeit, Besseres viele mir da auch nicht ein. Und das prägt sich eben ein. Und das wird, auch wenn er zu Wiederholungen neigt, nicht weniger spannend. Man hört ihm einfach zu, man respektiert ihn nicht nur, wegen seines Amtes der jetzt wegen der gewesenen zwei Amtszeiten als UNO-Generalsekretär. Man zollt ihm wirklich tiefen Respekt und achtet seine Anstrengungen.

    Das vollständige Gespräch mit Thomas Nehls können Sie mindestens bis zum 21.12.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



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