
Viele wichtige Vertreter der einstigen „Ost“-Avantgarde – Schenker, Goldmann, Katzer, Dittrich, Keller, Schmidt – sind nicht mehr am Leben. Ihr Tun ist heute Erinnerung, abgeschlossene Vergangenheit. Werden aber Werke von ihnen aufgeführt, überraschen sie oft mit ihrer provokanten Direktheit und Vitalität.
Anna Schürmer, Musik- und Medienkulturwissenschaftlerin an der Kölner Musikhochschule fragte in ihrer Veranstaltung nach Zusammenhängen, denen avanciertes Komponieren im anderen deutschen Staat einstmals entsprang, nach dem künstlerischen Selbstverständnis und der Identität ihrer Protagonisten.
Anerkennung als gesamtdeutsches Erbe
Darüber sprach sie auch mit Frank Kämpfer, der im Deutschlandfunk dafür eintritt, Komponisten in und aus Ostdeutschland differenziert zu betrachten, sie im Westen neu zu entdecken und so einzupflegen in die gesamtdeutsche Nachkriegskultur.
„Wenn wir uns heute mit gegenwärtigem Komponieren in den ostdeutschen Bundesländern befassen, dann“ – so Kämpfer – „haben wir es aber mit Gemengelagen zu tun, in denen es jung und international und vielgestaltig zugeht, und genau das gilt es heute zu schützen.
Was wäre von ihnen zu lernen?
Das Bleibende an den Altvorderen soll indes nicht der Karrierebruch sein, den viele von ihnen im Zuge des Beitritts zum westdeutschen Markt in den 1990er Jahren erfuhren. Perspektivisch viel wichtiger scheint heute ihre Erfahrung von Mangel und Diktatur. Denn daraus ist ihr schöpferisches Ethos erwachsen, ernsthafte Kunst lebe von der Reibung an Staatlichem, sie sei Korrektiv, Diskussionsort gesellschaftlich wichtiger Fragen.