Was zu hören ist auf dem "Tape", dem Band, genauer: der Tonkassette, von dem der Titel des Stückes von Stephen Belber kündet? Nein, keine Musik - statt dessen ein Verhör, eine ebenso rücksichtlose wie selbstquälerischen Befragung unter alten Freunden. Warum ein Verhör unter Freunden? Weil Vince, ein Feuerwehrmann und Teilzeit-Drogendealer, der seit der Highschool immer irgendwie orientierungslos durchs Leben trieb, nie wirklich vergessen konnte, dass ihm Jon, mittlerweile ein einigermaßen erfolgreicher Filmregisseur, beim Abschlussfest der gemeinsamen Schulzeit die Frau seines Lebens vor der Nase wegschnappte; vor zehn Jahren. Ihm, Vince, hatte sie Sex immer verweigert - mit Jon ging sie mir nichts dir nichts ins Bett.
Was ist damals wirklich passiert, grübelt Vince seither - womöglich eine Vergewaltigung? Ein "date rape", eine willkommene sexuelle Begegnung, die gewalttätig aus dem Ruder lief? Vince ist extra zum Filmfestival nach Lansing gereist, wo Jon den jüngsten Film zeigen kann. Er hat sich in ein Motel eingemietet und den alten Freund dorthin eingeladen - und aus dem zwar freundschaftlichen, aber immer aggressiver werdenden Austausch von Jugenderinnerungen wächst das "Verhör", in dem Jon mehr oder weniger zugesteht, dass die heiße Nacht damals mit Amy Randall durchaus als Vergewaltigung betrachtet werden könnte. In einer Reisetasche, aus der Vince ansonsten Bier und Koks hervor holt, läuft derweil der Kassettenrekorder mit, und das "Tape" darin zeichnet alles auf.
Auch Amy hat Vince ins Motel bestellt - er will sie und Jon einander konfrontieren; was aber vorderhand wie die ziemlich kleinkarierte Rache eines betrogenen Schülers aussieht, steigert sich in Belbers fernsehspielkurzem 80-Minuten-Stück zum Schlagabtausch der Zuweisungen und Bekenntnisse von Schuld und Schmerz. Als Amy dann tatsächlich auftaucht, gerät das Rache-Spiel völlig aus den Fugen: Während der "Täter" von damals sich unentwegt entschuldigen will, will das "Opfer" sich an gar keine Vergewaltigung erinnern. Und den selbst ernannten Rächer und Ehrenretter Vince nimmt die Frau schon mal überhaupt nicht ernst.
Mit einem fingierten Anruf bei der Polizei straft sie schließlich beide: Jon wird endgültig zum Schuldbekenner, bereit zum Gang in den Knast; Vince spült das ganze Kokain ins Klo und hat schließlich, als Amy geht, tausende Dollar verloren.
Ein kleiner, aber immens starker Plot; und mehr kommt dann auch nicht. Derart einfach gestrickte, aber knallhart pointierte Texte gibt es hierzulande nicht. Stefan Pucher fand, dass das noch nicht reicht - und pfropft der konzentrierten Handlung die Bilder einer Live-Video-Kamera auf, die aus einem Bad mit vielen Spiegeln heraus das schlichte Motel-Zimmer des Bühnenbildes mit allerlei Film-Perspektiven auflädt. Plötzlich sind dann etwa die Streithähne im selben Bild auf der Leinwand über der Bühne, obwohl sie weit voneinander weg sitzen - schöner Effekt, bestimmt, aber nötig war das nicht. Den Grad von szenischer Notwendigkeit, wie etwa in der Video-Artistik der Inszenierungen von Frank Castorf, erreicht Pucher ohnehin nie.
Aber Pucher vertraut dem Schauspieler-Trio: Felix Goeser, dem koksenden Feuerwehrmann, dem Filmregisseur und Schuldbekenner Bernd Moss und Nina Hoss, der ziemlich grandios die vollkommen rätselhafte Rolle von Amy gelingt; es liegt auch an ihr, dass die tatsächliche "Wahrheit" des Stückes völlig ungewiss bleibt. Als sie geht, bleibt jedem seine.
Dann machen sie noch Musik: Hoss mit Stimme und Gitarre, Moss am Bass und Goeser (der zuvor auch schon zur Gitarre sang) am Schlagzeug. Auch das ist gar nicht zwingend, aber prima: Pucher hat über die Lebens- und Theaterkraft hinaus nach dieser ureigen amerikanischen Lebenslügen-Atmosphäre gesucht, genau wie vor Kurzem gerade bei Arthur Miller. Er ist auf der Spur, und ihm gelingt eine achtbare Rückkehr nach Berlin, an dessen Volksbühne er ja zu Beginn der Regie-Karriere ziemlich schmerzlich scheiterte. Star des Abends aber ist das prächtige Stück eines hierzulande bis jetzt völlig unbekannten Dramatikers, dem ja vielleicht seit "Tape" auch nichts derart Kluges mehr gelang - aber nun wird sich dieses eine Stück von ihm festsetzen in den Spielplänen deutscher Theater. Hoffentlich.
Was ist damals wirklich passiert, grübelt Vince seither - womöglich eine Vergewaltigung? Ein "date rape", eine willkommene sexuelle Begegnung, die gewalttätig aus dem Ruder lief? Vince ist extra zum Filmfestival nach Lansing gereist, wo Jon den jüngsten Film zeigen kann. Er hat sich in ein Motel eingemietet und den alten Freund dorthin eingeladen - und aus dem zwar freundschaftlichen, aber immer aggressiver werdenden Austausch von Jugenderinnerungen wächst das "Verhör", in dem Jon mehr oder weniger zugesteht, dass die heiße Nacht damals mit Amy Randall durchaus als Vergewaltigung betrachtet werden könnte. In einer Reisetasche, aus der Vince ansonsten Bier und Koks hervor holt, läuft derweil der Kassettenrekorder mit, und das "Tape" darin zeichnet alles auf.
Auch Amy hat Vince ins Motel bestellt - er will sie und Jon einander konfrontieren; was aber vorderhand wie die ziemlich kleinkarierte Rache eines betrogenen Schülers aussieht, steigert sich in Belbers fernsehspielkurzem 80-Minuten-Stück zum Schlagabtausch der Zuweisungen und Bekenntnisse von Schuld und Schmerz. Als Amy dann tatsächlich auftaucht, gerät das Rache-Spiel völlig aus den Fugen: Während der "Täter" von damals sich unentwegt entschuldigen will, will das "Opfer" sich an gar keine Vergewaltigung erinnern. Und den selbst ernannten Rächer und Ehrenretter Vince nimmt die Frau schon mal überhaupt nicht ernst.
Mit einem fingierten Anruf bei der Polizei straft sie schließlich beide: Jon wird endgültig zum Schuldbekenner, bereit zum Gang in den Knast; Vince spült das ganze Kokain ins Klo und hat schließlich, als Amy geht, tausende Dollar verloren.
Ein kleiner, aber immens starker Plot; und mehr kommt dann auch nicht. Derart einfach gestrickte, aber knallhart pointierte Texte gibt es hierzulande nicht. Stefan Pucher fand, dass das noch nicht reicht - und pfropft der konzentrierten Handlung die Bilder einer Live-Video-Kamera auf, die aus einem Bad mit vielen Spiegeln heraus das schlichte Motel-Zimmer des Bühnenbildes mit allerlei Film-Perspektiven auflädt. Plötzlich sind dann etwa die Streithähne im selben Bild auf der Leinwand über der Bühne, obwohl sie weit voneinander weg sitzen - schöner Effekt, bestimmt, aber nötig war das nicht. Den Grad von szenischer Notwendigkeit, wie etwa in der Video-Artistik der Inszenierungen von Frank Castorf, erreicht Pucher ohnehin nie.
Aber Pucher vertraut dem Schauspieler-Trio: Felix Goeser, dem koksenden Feuerwehrmann, dem Filmregisseur und Schuldbekenner Bernd Moss und Nina Hoss, der ziemlich grandios die vollkommen rätselhafte Rolle von Amy gelingt; es liegt auch an ihr, dass die tatsächliche "Wahrheit" des Stückes völlig ungewiss bleibt. Als sie geht, bleibt jedem seine.
Dann machen sie noch Musik: Hoss mit Stimme und Gitarre, Moss am Bass und Goeser (der zuvor auch schon zur Gitarre sang) am Schlagzeug. Auch das ist gar nicht zwingend, aber prima: Pucher hat über die Lebens- und Theaterkraft hinaus nach dieser ureigen amerikanischen Lebenslügen-Atmosphäre gesucht, genau wie vor Kurzem gerade bei Arthur Miller. Er ist auf der Spur, und ihm gelingt eine achtbare Rückkehr nach Berlin, an dessen Volksbühne er ja zu Beginn der Regie-Karriere ziemlich schmerzlich scheiterte. Star des Abends aber ist das prächtige Stück eines hierzulande bis jetzt völlig unbekannten Dramatikers, dem ja vielleicht seit "Tape" auch nichts derart Kluges mehr gelang - aber nun wird sich dieses eine Stück von ihm festsetzen in den Spielplänen deutscher Theater. Hoffentlich.