Bargeld ist in Deutschland weiterhin das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel – die Nutzung ist aber rückläufig, elektronische Alternativen legen zu. Dieser Trend existiert schon lange, in der Coronakrise hat der Wunsch nach kontaktlosen Zahlungsmöglichkeiten aber noch weiter zugenommen. Dabei sind insbesondere Zahlungsmethoden mit dem Smartphone (Mobile Payment) auf dem Vormarsch, Zahlungen mit EC- und Kreditkarten stagnieren hingegen.
Was spricht für die Abschaffung des Bargelds?
Die Zahlungsmittel der Menschheit haben sich stets weiterentwickelt und sind dabei immer effizienter geworden, sagt Alexander Kriwoluzky vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Früher hätten Menschen Güter wie Kakaobohne oder Perlen als Geld genutzt, dann habe man Münzen entwickelt und schließlich auch Scheine.
Mit den heutigen technischen Mitteln seien aber wesentlich effizientere Zahlungsverfahren möglich als Bargeld zu nutzen. Im Vergleich zu digitalem Geld seien Münzen und Scheine unpraktisch und ziemlich teuer. Bargeld muss erst mal produziert werden, dann muss es hin- und hertransportiert werden und immer passend vorliegen. Die Coronapandemie habe uns zudem noch vor Augen geführt, dass Bargeld auch ein Hygieneproblem hat.
Noch fehlt es an digitalem Zentralbankgeld
Kriwoluzky betont, dass es vor einer vollständigen Abschaffung des Bargelds noch einen wichtigen Schritt brauche: nämlich eine digitale Währung. Erst die wäre dann ein digitales Äquivalent zum Bargeld. Denn Bargeld ist Zentralbankgeld, wer Bargeld besitzt, der ist damit direkt Gläubiger der Zentralbank. Wer hingegen ein Konto bei einer Geschäftsbank hat, der ist damit lediglich Gläubiger seiner Bank. Über die Einlagensicherung ist dieses Geld auch staatlich abgesichert, bis zur Höhe von 100.000 Euro pro Kunde.
Die Europäische Zentralbank (EZB) prüft seit Längerem die Einführung eines digitalen Euros und hat ein Projekt dazu gestartet. Nach einer zweijährigen Untersuchungsphase entschied sie im Oktober 2023, das Projekt fortzuführen: Bis November 2025 soll die Einführung der Digitalwährung technisch und rechtlich vorbereitet werden. Ob der digitale Euro kommt, ist damit noch nicht abschließend entschieden. Falls das neue Zahlungsmittel eingeführt wird, wäre es Zentralbankgeld und hätte auch sonst viele der Eigenschaften von Bargeld. So soll damit auch mehr Anonymität als mit digitalen Bezahldiensten möglich sein.
Kriwoluzky ist überzeugt, dass man einen digitalen Euro so bauen könnte, dass er ebenso wie Bargeld Anonymität gewährleistet. Bereits existierende private Kryptowährungen bieten ein hohes Maß an Anonymität, hinterlassen aber dennoch Spuren. Jede Transaktion wird schließlich in der Blockchain dokumentiert. Es sei sehr schwierig, Transaktionen „wirklich total anonym zu machen“, sagt die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Schleswig-Holstein Marit Hansen.
Man stehe hier aber ohnehin vor einer Abwägung, sagt Kriwoluzky. Denn mit der Einschränkung oder Abschaffung der Bargeldnutzung werde häufig auch die Hoffnung verbunden, damit den Schwarzmarkt einzudämmen. Hier müsse man sich entscheiden: Kampf gegen Kriminalität oder Schutz der Anonymität.
Zahlungsmittel der Kriminellen und Steuerhinterzieher?
Mit relativ einfachen Mitteln lasse sich ein Schwarzmarkt auch in einer bargeldlosen Welt aufrechterhalten, sagt der emeritierte Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider von der Universität Linz, der lange zu Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung geforscht hat.
Um Menschen steuerfrei zu beschäftigen, könne man sie beispielsweise mit Prepaid-Kreditkarten, auf die man einen gewissen Betrag lade, bezahlen. Wer in Besitz dieser Karte komme, könne das darauf geladene Geld ganz unkompliziert ausgeben. Er schätzt, dass der Schwarzmarkt aufgrund der Umstellung dennoch erst mal um fünf bis zehn Prozent zurückgehen würde.
Dass man durch eine Abschaffung des Bargelds kriminelle Netzwerke trockenlegen kann, glaubt Schneider hingegen nicht. Kriminelle seien heutzutage viel schlauer. Größere Summen transportierten sie im Regelfall nicht mit einem Koffer voll Bargeld sondern über Scheinfirmen. In der organisierten Kriminalität spiele Bargeld meist nur im Endverbraucher-Stadium beim Drogenverkauf eine größere Rolle.
Dass große Summen Bargeld dennoch weiterhin ein Indiz für kriminelle Geschäfte sein können, hat Ende 2022 der Fall Eva Kaili gezeigt. Der Vater der früheren Vize-Präsidentin des EU-Parlamentes war mit einem Koffer voller Bargeld aufgegriffen worden, worauf die Behörden Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht einleiteten. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung in Brüssel sollen dann Säcke mit Bargeld gefunden worden sein. Kaili wurde von allen Ämtern entbunden und festgenommen. Nach vier Monaten Untersuchungshaft kam sie Mitte April 2023 in Hausarrest. Ein Urteil in dem Fall steht noch aus. Kaili bestreitet die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Korruption und Geldwäsche.
Was spricht gegen die Abschaffung des Bargelds?
Dass elektronische Zahlungswege immer beliebter werden, das sei überhaupt kein Problem, findet Alexander Neubacher, Meinungsredakteur beim "Spiegel". Das Problem beginne dann, wenn Staaten die Möglichkeiten zur Bargeldzahlung einschränken oder Bargeld sogar ganz verbieten wollen. „Dann kommen wir in einen richtig problematischen Bereich“, sagte Neubacher. Die Möglichkeit zur Barzahlung müsse dringend erhalten bleiben.
Bargeld funktioniert ohne Strom und ohne Smartphone oder andere Endgeräte. Für Neubacher ein entscheidender Vorteil. Wer Bargeld in der Tasche hat, der kann damit bezahlen, auch bei Stromausfällen und unabhängig davon, ob Server oder andere technische Geräte funktionieren.
Bargeld ist anonym
Neubacher wies zudem darauf hin, dass etwa 500.000 Menschen in Deutschland nicht einmal über ein Girokonto verfügten. Das seien Menschen, die technisch überfordert seien, aber auch Menschen die in finanzieller Not oder in unklaren Rechtsverhältnissen seien. Bargeld sei für jeden Menschen in jeder Situation nutzbar. Zu den Leidtragenden eines zunehmend bargeldlosen Deutschlands würden auch Obdachlose, Straßenmusiker und Kirchengemeinden gehören. All diejenigen, die ihre Einnahmen oder zumindest Teile davon aus kleinen Münzspenden beziehen.
Bargeld ist anonym. „Ich kann mir Sachen kaufen, ohne dass jemand anders nachvollziehen kann, was ich damit gemacht habe“, sagt Neubacher. Das sei im Alltag für viele Menschen in Deutschland nicht wichtig. Man könne aber beispielsweise in China sehen, wie Staaten über die Kontrolle des Zahlungsverkehrs auch ihre Bürger eng im Blick haben.
Und natürlich sind nicht nur Staaten an den Daten interessiert. Wenn man viel bargeldlos zahle, dann erzeuge man damit ein Daten-Profil, das quasi ein Logbuch des eigenen Lebens sei, sagt Norbert Häring, Wirtschaftsredakteur des „Handelsblatts“. Unternehmen tauschten solche Daten untereinander und für Verbraucher sei gar nicht mehr nachvollziehbar, wer diese dann habe.
Bargeld begrenzt die Möglichkeiten von Negativzinsen. Als Banken von ihren Kunden Geld verlangt haben, um deren Geld anzunehmen, hatten Bürger stets eine Alternative: Ihr Geld von der Bank holen und als Bargeld lagern. Diese Funktion von Bargeld werde auch schon durch eine Bargeldobergrenze sehr stark unterlaufen, meint Neubacher.
Gibt es Pläne, Bargeldnutzung zu begrenzen?
Weder in Deutschland noch in der Europäischen Union gibt es Pläne, Bargeld vollständig abzuschaffen. Allerdings wurden und werden immer wieder Maßnahmen diskutiert, um bestimmte Nutzungsweisen einzuschränken. Bargeldbefürworter sehen hinter den politischen Maßnahmen gegen einzelne Banknoten oder Münzen verdeckte Pläne, die Nutzung des Bargelds damit zu schwächen und es schneller zu verdrängen.
2018 hat die Europäische Zentralbank die Produktion von 500-Euro-Scheinen beendet. Sie hatte diesen Schritt als Maßnahme gegen Geldwäsche begründet. Die Scheine sind zwar weiterhin gültig – und bleiben das auch dauerhaft –, doch wenn sie bei einer Zentralbank landen, werden sie aus dem Verkehr gezogen. Stattdessen landen dann weitere 100- und 200-Euro-Scheine im Umlauf.
Initiative gegen kleine Cent-Münzen
Schon im Jahr 2013 hat die EU-Kommission eine Untersuchung vorgelegt, in der die Abschaffung der kleinen Euro-Cent-Münzen diskutiert wird. Anfang 2020 wurde dann ein Entwurf der Kommission veröffentlicht, in dem die Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen geplant waren. Das sollte über einheitliche Rundungsregeln erreicht werden, alle Preise hätten danach auf null oder fünf Cent enden sollen.
Die Kommission hat ihr Ziel mit den Kosten des Bargelds begründet. Die Herstellung der kleinen Kupferstücke sei teurer als deren Nennwert, auch der Transport verursache erhebliche Kosten.
Im Oktober 2022 hat die EU-Kommission 17.800 Bürger aus EU-Staaten zu einer möglichen Abschaffung der zwei kleinsten Münzen befragt, 64 Prozent der Befragten befürworteten die Idee. Finnland, Belgien, Irland, Italien und die Niederlande geben bereits keine neuen Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr aus, sie werden dort allerdings weiter als Zahlungsmittel akzeptiert.
Wiederholte Debatten um Bargeldobergrenze
Seit Jahren wird auch immer wieder über Obergrenzen für Bargeldzahlungen gesprochen. Zuletzt hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser im November 2022 für eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro ausgesprochen und damit gemischte Reaktionen ausgelöst. Zudem wird auch über eine EU-weite Bargeldobergrenze diskutiert. In der Mehrzahl der EU-Länder gibt es bereits Höchststummen für Bargeldzahlungen.
Wer würde von einer Welt ohne Bargeld profitieren?
Die Gewinner einer zunehmend bargeldlosen Welt wären zunächst die Banken. Denn Bargeld und Geldautomaten auch in den hintersten Winkeln des Landes zur Verfügung zu stellen, kostet sie viel Geld. „Tatsächlich ist das ein Kostenblock, das ist gar keine Frage“, sagt Tanja Beller vom Bundesverband Deutscher Banken. „Digitale Produkte kosten aber natürlich auch. Und letztendlich müssen die Banken so ein bisschen ihren eigenen Weg finden, auf welche Filialstruktur sie setzen, welche Kunden sie haben, welche Angebote sie dort noch machen - also da gibt’s durchaus ganz unterschiedliche Wege.“
Von einer zunehmend bargeldlosen Welt profitieren natürlich auch besonders Kreditkartenanbieter und die Anbieter mobiler Bezahlmöglichkeiten: Zwischen 0,2 und 0,3 Prozent des Umsatzes erhalten Kreditkartenanbieter bei jedem Bezahlvorgang vom Händler. Apple verlangt vom Verkäufer für seinen Bezahldienst Apple Pay 0,15 Prozent des Umsatzes. Und dann sind da natürlich die vielen Daten, die elektronische Zahlungen erzeugen. Diese lassen sich beispielsweise zu Werbezwecken kommerziell nutzen.
pto, tmk