Freitag, 29. März 2024

Lindners neue Bundesbehörde
Wie Deutschland Geldwäsche besser bekämpfen will

Deutschland gilt vielen Kriminellen als Paradies für Geldwäsche. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will jetzt der "Spur des Geldes" konsequenter folgen - mit einer neuen Bundesoberbehörde. Was sollen deren Aufgaben sein und wie funktioniert Geldwäsche?

25.08.2022
    Auf einem Tisch liegen mehrere Bündel mit Geldscheinen, die bei einer Razzia im Zusammenhang mit Geldwäsche gefunden wurden
    Bargeldfund bei einer Razzia in Deutschland: Um Ermittlungen zu starten, reicht der Verdacht auf Geldwäsche nach wie vor nicht aus. (imago images / Michael Gstettenbauer)
    Deutschland hat bei der Bekämpfung von Geldwäsche international keinen guten Ruf. Die Financial Action Task Force (FATF) erwog 2014 sogar kurzzeitig, Deutschland auf eine Schwarze Liste zu setzen. Denn diese internationale Institution zur Bekämpfung von unter anderem Geldwäsche erkannte in Deutschland zu viele Lücken für Kriminelle, durch sie mitsamt ihres schmutzigen Geldes schlüpfen konnten.
    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will den Bereich der Geldwäschebekämpfung nun neu organisieren. Künftig sollten auch groß angelegte Fälle von Finanzkriminalität konsequenter verfolgt und aufgedeckt werden, heißt es aus dem Ministerium. Dafür soll eine neue Bundesoberbehörde aufgebaut und ein Bundesfinanzkriminalamt gegründet werden. Die Rede ist von einem "Paradigmenwechsel" durch eine Stärkung bestehender Strukturen, Ausbildung, Digitalisierung und Vernetzung.

    Wie soll die neue Anti-Geldwäsche-Behörde aussehen?

    Nach dem Eckpunkte-Papier aus dem Bundesfinanzministerium soll die neue, noch namenlose Bundesoberbehörde auf drei Säulen stehen und bestehende Kompetenzen bündeln, die bislang auf Bundes- und Landesebene verstreut sind:
    • Zum einen soll ein Bundesfinanzkriminalamt geschaffen werden, eine polizeiartige Einheit, die gezielt komplexe Fälle illegaler Finanzflüsse aufklären und dazu auch eigene Ermittlungskompetenzen haben soll.
    • Eine neue Koordinierungsstelle soll sich gezielt um den sogenannten Nicht-Finanzsektor kümmern, also etwa Immobilienwirtschaft, Baugewerbe und Glücksspiel. Bereiche also, in denen in der Regel besonders viel Bargeld im Umlauf ist. Bisher gibt es allein hier in den Bundesländern 300 Aufsichtsbehörden, deren Arbeit dann künftig zentral koordiniert werden soll.
    • Die bereits bestehende Financial Intelligence Unit (FIU), eine Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, soll gestärkt werden und die neue Behörde unterstützen.
    Financial Intelligence Unit (FIU)
    Sie analysiert als Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen Straftaten und verarbeitet dabei eine große Menge von personenbezogenen Daten. Die FIU ist fachlich unabhängig. Ihre Befugnisse leiten sich ausschließlich aus dem Geldwäschegesetz (GwG) ab. Verschiedene Stellen, wie zum Beispiel Banken, Versicherungen und Immobilienmakler, sind verpflichtet, auffällige Sachverhalte bei der FIU zu melden. Kommt eine Stelle diesen Pflichten nicht nach, drohen rechtliche Konsequenzen. Diese Meldungen sollen durch die FIU auf einen Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder einer sonstigen Straftat analysiert werden. Je nach Ergebnis erfolgt die Abgabe an Strafverfolgungsbehörden und/oder Nachrichtendienste.

    Wie funktioniert Geldwäsche?

    Kriminelle nutzen Geldwäsche, um aus schweren Straftaten erzielte Einnahmen vor dem Zugriff des Staates zu verstecken. Oft stehen diese in direktem Zusammenhang mit organisierter Kriminalität. Weil "Geldwäscher" die Beträge nicht einfach auf ein Konto einzahlen können, ohne verdächtig zu wirken, nutzen sie Geschäftsfelder mit einem schwer nachvollziehbaren Geldmengenfluss, um die illegalen Einnahmen als Umsätze zu verbuchen. Dazu genutzt werden häufig Wettbüros, Gastronomiebetriebe oder über die Verschleierung von Zahlungsströmen über sogenannte Korrespondenzbanken. 
    Wurde das kriminell verdiente Geld im Ausland gemacht, nutzen Kriminelle gerne sogenannte Müllschiffe um das Geld zu waschen. Dabei gründen sie in Deutschland eine Firma, die billig eine Schiffsladung Elektroschrott ankauft. Diesen Schrott deklarieren sie als hochwertige Computer und verkaufen die Ladung dann zu viel höheren Preisen an eine ihrer Firmen im Ausland. Im Zuge dieses Geschäfts werden die kriminell im Ausland erwirtschafteten Gelder nach Deutschland transferiert und somit "gewaschen". Dabei entstehen sogenannte Reinigungskosten. 
    Eine Grafik zeigt die drei Phasen der Geldwäsche

    Deutschland und Geldwäsche - wo stehen wir?

    Deutschland genießt international einen eher schlechten Ruf bei der Geldwäschebekämpfung. Laut früheren Zahlen des Finanzministeriums geht es hierzulande um ein jährliches Volumen von 100 Milliarden Euro, das dem Staat entgeht. Das habe auch viel mit den föderalen Strukturen in Deutschland zu tun, so Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende im RBB inforadio. Viele Kompetenzen würden nicht auf Bundesebene zentral koordiniert, sondern lägen auf Länderebene zerstückelt. Das führe dazu, "dass die organisierte Kriminalität, zum Beispiel die Mafia aus Italien Gelder hierzulande wäscht", so Duffy. Gerade bei Vermögenswerten wie Immobilien, gebe es in Deutschland noch zu wenig Transparenz.

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    Dass Bundesfinanzminister Christina Lindner (FDP) die neue Behörde gerade jetzt vorstellt, hängt wohl auch mit dem bald erscheinenden Bericht der Financial Action Task Force (FATF) zusammen. Alle paar Jahre untersucht das internationale Gutachter-Gremium den Fortschritt verschiedener Länder bei der Bekämpfung von Geldwäsche.
    2010 bekam Deutschland ein miserables Zeugnis ausgestellt. Dieses Mal, das ist schon bekannt, hat das Gremium Fortschritte Deutschlands anerkannt. Dazu zählt auch das seit Januar 2020 bestehende neue Geldwäschegesetz. Immer noch gebe es aber erhebliche Defizite struktureller Art.
    Financial Action Task Force (FATF)
    Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied der im Jahr 1989 gegründeten FATF. Sie ist das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen. Für diesen Bereich setzt sie Standards. Obwohl die Standards als nicht unmittelbar bindendes Recht keine unmittelbare Wirkung entfalten, haben sie bislang mehr als 170 Länder für sich als verbindlich und bindend anerkannt. Zugleich fördert die FATF die weltweite Verbreitung dieser Standards und überprüft deren Umsetzung in ihren Mitgliedstaaten. Das Gremium ist der OECD in Paris angegliedert und umfasst aktuell 35 Mitgliedstaaten sowie die EU-Kommission und den Golf-Kooperationsrat. Als Reaktion auf die Ereignisse des 11. September 2001 hatte die FATF im Oktober 2001 zusätzlich das Mandat zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung erhalten.

    Polizeilich erfasste Fälle von Geldwäsche in Deutschland von 2010 bis 2021

    Ein Säulendiagramm zeigt die Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von Geldwäsche in Deutschland von 2010 bis 2021
    Abgebildet werden die Fälle von Geldwäsche, Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte gemäß § 261 StGB (Bundeskriminalamt/Statista)

    Wie sind die Reaktionen auf die Pläne des Bundesfinanzministers?

    Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Günter Krings hält das Vorhaben Lindners für einen richtigen und überfälligen Schritt. Auch der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler begrüßt die Pläne grundsätzlich. Im Deutschlandfunk kritisierte Fiedler aber, dass Lindners Vorschlag den Anschein habe, eine zusätzliche Behörde zu schaffen. Fiedler forderte, stattdessen den Zoll und die polizeilichen Teile des Zolls besser zu organisieren und einzubinden. "Dann wäre es in der Tat richtig und gut ein Bundesfinanzkriminalamt zu schaffen."
    Der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser forderte eine Pflicht zur Offenlegung der tatsächlichen Eigentümer von Immobilien und Unternehmensanteilen sowie der Herkunft größerer Vermögen. Auch die Bürgerbewegung Finanzwende setzt darauf, dass es zukünftig möglich ist, dass Immobilien, deren Eigentümer nicht eindeutig ermittelt werden können, beschlagnahmt werden dürfen. Und: Bei dem neuen Amt dürften Themen wie schwere Steuerkriminalität wie zum Beispiel Cum-Ex nicht ausgeklammert werden.
    Letzte Details der Pläne von Bundesfinanzminister Lindner (FDP) müssen noch in der Ampel-Koalition geklärt werden. Grüne und SPD haben grundsätzlich ihre Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert.
    Quellen: Stephan Detjen, Jörg Münchenberg, BfDI, BaFin, Bundesministerium der Finanzen, BND, dpa, Nastassja Shtrauchler