Montag, 29. April 2024

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"Aida" - vor 150 Jahren uraufgeführt
Verdis Triumph in Kairo

Eine Oper für das geopolitische Ereignis: Zur Eröffnung des Suezkanals bestellte der Herrscher Ägyptens bei Giuseppe Verdi die Oper "Aida". Heute vor 150 Jahren entfaltete die Kriegs- und Liebestragödie in Kairo erstmals ihre dramatische und musikalische Wucht live on stage.

Von Wolfgang Schreiber | 24.12.2021
Das Bühnenbild der Uraufführung von Guiseppe Verdis "Oper Aida" 1871 am Opernhaus Kairo (aquarellierte Federzeichnung von Philippe Chaperon, 1871
Das Bühnenbild der Uraufführung von Guiseppe Verdis "Oper Aida" 1871 am Opernhaus Kairo (aquarellierte Federzeichnung von 1871) (picture-alliance / akg-images)
„Ich bin überzeugt, dass ein Italien ohne Verdi das Gleiche wäre wie ein England ohne Shakespeare“ - was für eine Diagnose! Sie stammt von dem italienischen Avantgardisten Luciano Berio, sie illustriert Giuseppe Verdis enorme künstlerische und politische Energie. Als seine Oper „Aida“ zum ersten Mal erklang, hatte die umkämpfte Einheit Italiens, von Verdi selbst propagiert, gerade Gestalt angenommen. Seine drittletzte Oper, das fatalistische Wunderwerk eines nationalen und emotionalen Konflikts im alten Ägypten, schildert die Tragik einer durch Chauvinismus zerstörten großen Liebe. Zwei Königstöchter begehren einen jungen Feldherrn, der leider die Tochter des Feindes liebt. Der Triumphmarsch mit den eigens angefertigten langen Aida-Trompeten, schön und brutal, wurde Verdis größter Gassenhauer. Keine moderne Aida-Aufführung hat den Siegertriumph so barbarisch und grotesk dargestellt wie Regisseur Hans Neuenfels 1981 am Frankfurter Opernhaus.

Libretto des Ägyptologen Auguste Mariette

Die Uraufführung der „Aida“ am 24. Dezember 1871 in Kairo befeuerte die nationale Identität des modernen Ägypten. Der Khedive in Kairo hatte Verdi eingeladen, zur Eröffnung des Suezkanals etwas Großräumiges für das neue Opernhaus dort zu komponieren. Ein Abenteuer für den 56-Jährigen, längst berühmten Komponisten. Verdi reagierte skeptisch, studierte dann aber das glänzende Exposé des Ägyptologen Auguste Mariette, erfuhr vom schwindelerregenden 150.000-Francs-Honorar und stürzte sich in die Arbeit.

„Eine Oper für Kairo komponieren!!! Puh! Wenn mir jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, du wirst für Kairo schreiben, hätte ich ihn für einen Verrückten gehalten, aber jetzt sehe ich, dass ich der Verrückte bin.“

Spagat zwischen Drama und Musik

Feindschaft und Krieg der Nationen Ägypten und Äthiopien, zur Zeit der Pharaonen, die Hegemonie von Staat und Priesterschaft, die skandalöse, wegen Landesverrat mit dem Tod bestrafte Liebe des ägyptischen Feldherrn Radames zur äthiopischen Sklavin Aida, der Spagat zwischen Vaterlandspflicht und Liebe – es ist die Balance von Drama und Musik, die der Oper ihre mitreißende Spannung verleiht. Einerseits schlägt Verdis antiklerikaler Affekt durch – der allmächtige Oberpriester namens Ramphis will nichts als seine Religionsgewalt absichern. Andererseits gelingen Verdi zauberhafte Bilder von Ägyptens religiöser Kultur, mit Tanz und zarten exotischen Klängen.
Der blendend geformte Klang- und Bilderbogen sicherte der „Aida“ den durchschlagenden Erfolg, bis heute auf allen Opernbühnen. Bei „Aidas“ Uraufführung war der italienische Kritiker Filippo Filippi in Kairo mit dabei. Er beobachtete den obersten Staatslenker.
„Die höchste Genugtuung empfand der Khedive, er vermochte vor Freuden kaum an sich zu halten und wünschte, dass man unverzüglich in seinem Namen an Verdi telegraphiere, um ihm zu danken und Glück zu wünschen.“
Das tragische Ende der Oper konnte dem Glück der Zuschauer nichts anhaben. Tief empfunden und genial modelliert besingen zwei Liebende ihren von der Priesterschaft diktierten grausam seligen Tod.