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Besuch im EU-Parlament
Von der Leyens "Charmeoffensive" in Straßburg

Ursula von der Leyen soll neue Kommissionspräsidentin der EU werden und war bereits in Straßburg, um Werbung in eigener Sache zu machen. Auch Ratspräsident Donald Tusk besucht das EU-Parlament. Ihm werfen die Grünen vor, das Gremium mit der Entscheidung für von der Leyen geschwächt zu haben.

Von Samuel Jackisch | 04.07.2019
Von der Leyen spricht vor Journalisten am 3.7. 2019 in Straßburg
"Viel zuhören, viel mitnehmen" - Ursula von der Leyen in Straßburg (picture alliance/Alexey Vitvitsky/Sputnik/dpa)
"Charmeoffensive" wäre wohl der treffende Missionstitel für die Reise der amtierenden Bundesverteidigungsministerin nach Straßburg. Bei ihrem ersten Besuch im neu zusammengesetzten Europaparlament muss Ursula von der Leyen den Frust vieler Abgeordneter ertragen. Vor allem Sozialdemokraten, Grüne und Linke sind von ihrer Nominierung wenig begeistert. Aber auch von der Leyens eigene Christdemokraten hätten lieber ihren Wahl-Spitzenkandidaten Manfred Weber auf den höchsten Posten der EU gehoben. Von der Leyen weiß das und tritt in Straßburg beinahe schon demütig auf.
"Mir ist wichtig, dass ich viel zuhöre, viel mitnehme. Damit ich in 14 Tagen meine Vision für die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren darlegen kann – die auf einem sicheren, tragfesten Fundament beruht."
Von der Leyen muss inhaltlich überzeugen
Denn nur wenn ihr Programm als mögliche EU-Kommissionspräsidentin auch inhaltlich überzeugt, wollen die Abgeordneten im Parlament die Personalie von der Leyen bestätigen, heißt es zum Beispiel bei den Liberalen.
Die Grünen stellen ebenfalls inhaltliche Bedingungen. Sven Giegold zum Beispiel fordert, zuallererst das europäische Wahlrecht zu ändern. Denn der Europäische Rat, dessen Vorsitzender Donald Tusk am Vormittag ebenfalls im Parlament auftritt, habe mit der Entscheidung für von der Leyen das Europaparlament geschwächt.
"Insofern muss er schon sehr gut erklären, wie er für dieses Paket eine Mehrheit finden kann. Das geht nur durch vertrauensbildende Maßnahmen des Rates. Insbesondere: Endlich ein klares Okay zu transnationalen Listen und Spitzenkandidaten. Damit ein so fragwürdiges Verfahren, wie wir es jetzt erlebt haben, niemals wieder vorkommt."
Das Wort "gemeinsam" fällt besonders oft
Ein Vorschlag, den von der Leyen durchaus unterstützt. Viel Geschirr ist zerschlagen worden, während und nach der Europawahl, zwischen Rat, Kommission und Parlament. Ein Grund mehr für Ursula von der Leyen, in Straßburg besonders oft das Wort "gemeinsam" zu verwenden.
"Wir haben einen langen und schwierigen Wahlkampf hinter uns. Jetzt ist ganz entscheidend, Einigkeit zu zeigen. Unsere gemeinsame Leidenschaft für Europa, das so wichtig ist in dieser Welt, und das hörbar und sichtbar sein muss."
Eine Mehrheit im Parlament für ihre Kandidatur in vorausichtlich zwei Wochen, ist Ursula von der Leyen bisher nicht sicher. Von ihrem diplomatischen Geschick wird deshalb abhängen, wie schnell sich das ändert – und sich die Debatten in Straßburg nach den Personalien wieder die Sacharbeit drehen.