Wahl neuer Verfassungsrichter
Brosius-Gersdorf hält sich Verzicht auf Nominierung offen

Die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Brosius-Gersdorf, hält sich einen Verzicht auf ihre Bewerbung offen. Auf die Frage, ob der Streit um ihre Position dem Bundesverfassungsgericht schaden könnte, sagte die Staatsrechtlerin im ZDF, sobald dies auch nur drohte, würde sie an ihrer Nominierung nicht festhalten.

    Prof. Frauke Brosius-Gersdorf (Archivbild)
    Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf (Archivbild) (picture alliance / teutopress / -)
    Einen solchen Schaden könnte sie nicht verantworten, fügte Brosius-Gersdorf hinzu. Sie berichtete von massiven Drohungen gegen sie vor allem per E-Mail. Zudem seien Poststücke mit verdächtigem Inhalt an ihren Lehrstuhl in Potsdam gesendet worden. Sie habe vorsorglich ihre Mitarbeitenden bitten müssen, vorübergehend nicht mehr zu arbeiten.

    "Gemäßigte Positionen aus der Mitte der Gesellschaft"

    Brosius-Gersdorf betonte, sie wolle die Debatte um ihre Person versachlichen. Sie wies - wie bereits zuvor in einer schriftlichen Erklärung - Behauptungen zurück, sie sei linksradikal. Sie vertrete gemäßigte Positionen aus der Mitte der Gesellschaft. Das könne jeder nachlesen. Ihr wissenschaftliches Wirken gebe keinen Anlass für Missverständnisse.
    Gegen die von der SPD nominierte Juristin gibt es in den Reihen der Unionsfraktion inhaltliche Vorbehalte. Deshalb war die Wahl neuer Verfassungsrichter am Freitag im Bundestag kurzfristig verschoben worden. Bundeskanzler Merz (CDU) sagte, er sehe im Verfahren zur Wahl neuer Verfassungsrichter weiterhin keinen Bedarf für Eile. Man werde in der Koalition in Ruhe über eine Lösung sprechen. Die Entscheidung solle auch weiterhin im Bundestag getroffen werden.
    Bundespräsident Steinmeier hatte gesagt, wenn man einen Blick in die Zeitungen vom Wochenende werfe, lerne man sofort, "die Koalition hat sich jedenfalls selbst beschädigt".

    Unions-Fraktionschef Spahn räumt Mitverantwortung ein

    Unions-Fraktionschef Spahn räumte eine Mitverantwortung für die gescheiterte Richterwahl ein. In einem Brief an seine Fraktion schreibt Spahn (CDU), es ärgere ihn, dass die gute Bilanz der schwarzroten Regierung nach 70 Tagen von den Ereignissen überschattet werde. Ihm sei bewusst, dass er als Fraktionsvorsitzender dafür eine Verantwortung trage. Er werde nun alle Energie darauf verwenden, dass die Unionsfraktion "verlässlicher Stabilitätsanker" der Koalition bleibe. Spahn fügte hinzu, er sei überzeugt, dass man gemeinsam mit der SPD eine Lösung finden werde.
    Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) forderte die SPD-Spitze auf, ihren Personalvorschlag zurückzuziehen. Auf der umstrittenen Kandidatin liege kein Segen, sagte der CSU-Vorsitzende der "Bild"-Zeitung.

    Trotz Übereinkunft der Fraktionsspitzen wurde die Wahl abgesagt

    Weil nach Kritik aus der Union die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die von der SPD nominierte Jura-Professorin Brosius-Gersdorf trotz vorheriger Übereinkunft der Führungsspitzen und zuständigen Gremien nicht sicher war, waren am Freitag alle drei Richterwahlen abgesagt worden.

    Zahlreiche Rechtswissenschaftler verteidigen Brosius-Gersdorf

    Rund 300 Rechtswissenschaftler übten Kritik am öffentlichen Umgang mit der Kandidatin Brosius-Gersdorf. In einem offenen Brief heißt es, dass man dagegen nachdrücklich protestiere. Im Richterwahlausschuss eine Kandidatin zunächst zu bestätigen, um dann gegenüber ideologisierten Lobbygruppen und mit Unwahrheiten und Diffamierungen gespickten Kampagnen zurückzurudern, zeuge zumindest von fehlendem politischem Rückgrat und mangelnder interner Vorbereitung. Brosius-Gersdorf sei eine hoch angesehene Staatsrechtslehrerin. Das sei in Fachkreisen völlig unstreitig. Alle Äußerungen, die ihre wissenschaftliche Reputation infrage stellten, seien schlicht unzutreffend und unsachlich.
    Nach Ansicht des Ethikratsvorsitzenden Frister wirft das Scheitern der Wahl ein schlechtes Licht auf die politsche Kultur in Deutschland. Über Brosius-Gersdorf seien Unwahrheiten über ihre wissenschaftlichen Positionen und Plagiatsvorwürfe verbreitet worden, sagte Frister der Nachrichten-Agentur KNA. Dabei sei die Kandidatin vom Richterwahlausschuss bestätigt worden und fachlich über jeden Zweifel erhaben.

    Hörtipp: Deutschlandfunk-Politik-Podcast

    Verfassungsrichterwahl: Abstimmung abgeblasen, Vertrauen verspielt
    Diese Nachricht wurde am 16.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.