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Buddhistischer Meister
Lama Ole unterliegt in Rechtsstreit zu islamfeindlichen Äußerungen

Wenn der Däne Ole Nydahl in Deutschland Vorträge anbietet, kommen Tausende. Oft äußert sich der Star des Diamantweg-Buddhismus herabsetzend über den Islam und über Muslime. Einzelne Buddhisten kritisierten ihn schon vor Jahren öffentlich - und bekamen nun vor einem österreichischen Gericht Recht.

Von Mechthild Klein | 26.01.2021
Geschlossene Blase? Lama Ole Nydahl auf einem vom Buddhistischen Dachverband Diamantweg e.V. organisierten Treffen in Kassel 2015
Lama Ole Nydahl auf einem vom Buddhistischen Dachverband Diamantweg e.V. organisierten Treffen in Kassel 2015 (imago stock&people / Andreas Fischer)
Der buddhistische Lama Ole Nydahl fällt schon seit Jahren mit abwertenden Aussagen über Muslime und den Islam auf. So sagte er zum Beispiel in einem Vortrag am 23. März 2016 vor Tausenden Anhängern in Kassel:
"Ich kann euch sagen: Zu viel Islam und unsere Freiheit ist weg. Die greifen erst die Frauen an, das wisst ihr ja, nicht, Klitoris ab und so weiter und all die anderen Sachen, nicht, die mit den Frauen gemacht wird. Und dann kommen all die anderen Sachen, nicht. Dass sie geschlagen werden, dass zwölfjährige Mädchen mit sechzigjährigen Nachbarn verheiratet werden und all die verschiedenen Sachen da, nicht."
Auf eine Frage aus dem Publikum bei der derselben Veranstaltung, ob Nydahl der Meinung sei, dass alle Flüchtlinge oder nur radikale Muslime abgeschoben werden sollen, antwortete er: "Ich meine vor allem Moslems. Ich meine Leute, die lernen, das zu tun, was wir nicht wollen. Die anderen sind vielleicht ein bisschen unglücklich und haben Fehler und so weiter, nicht, aber wer dem Koran folgt, der ist nicht genießbar in einer modernen Gesellschaft. Das ist er nicht! Er ist nur darauf aus, die Sachen auszunützen, unterdrückt die Schwachen, er kriegt keine ordentliche Ausbildung und so weiter, nicht, und alles geht runter. Die sind alle eine Belastung diese Leute."

Öffentliche Wahlempfehlung: AfD

Der Däne ist der Star der Diamantweg-Buddhisten. Wenn er spricht und nicht gerade eine Pandemie Großveranstaltungen unmöglich macht, sind volle Säle garantiert. Seinen zahlreichen Zuhörern empfahl der Lehrer bei diesem Vortrag in Kassel im Jahr 2016, die Partei AfD zu wählen. Und an späterer Stelle ergänzte Nydahl, dass Merkel eben die Leute aufgenommen habe, die sonst keiner haben wolle. Später behauptete er, dass Muslime unter anderem ungebildet seien und ihre Kinder und Frauen schlagen würden.
Umstrittener Meister
Diamantweg-Star Ole Nydahl wird vorgeworfen, islamfeindliche Äußerungen zu verbreiten. Die Deutsche Buddhistische Union wollte deshalb im Herbst über einen Ausschluss entscheiden. Der Diamantweg hat nun selbst seinen Austritt erklärt.
Einige buddhistische Blogger oder auch Medien wie die "Allgäuer Zeitung", die solche oder ähnliche Äußerungen öffentlich kritisierten, erhielten Post von Nydahls Anwalt. Doch nun hat der Oberste Österreichische Gerichtshof die Auslegung einer kritischen Stimme gegen Nydahl bestätigt, – nach einer fast vierjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung. In der Urteilsbegründung heißt es: Ole Nydahl ziele "mit seiner Kritik sehr wohl auf die Religion des Islam als solche sowie auf Muslime in ihrer Gesamtheit und nicht bloß auf radikale Gruppierungen". Eine Differenzierung fehle weitgehend.
Begonnen hatte der Rechtsstreit, nachdem Peter Riedl in seinem Blog schrieb, Nydahls Aussagen über den Islam empfinde er als verunglimpfend. In seinem Blog hatte er außerdem eine Zeugin zitiert, die die Äußerungen des Meisters auf der Veranstaltung in Kassel mit eigenen Worten wiedergab. Riedl war Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft und Herausgeber der buddhistischen Zeitschrift "Ursache/ Wirkung". Nach seiner Kritik meldete sich Nydahls Anwalt. Peter Riedl:
"Im August 2017 hat mir der Anwalt von Ole Nydahl geschrieben, ich solle eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Das habe ich nicht gemacht und bin dann zwei Monate später geklagt worden."

Rechtsstreit wegen islamfeindlicher Äußerungen

Und darum geht es in dem Streit: Ole Nydahl klagte auf Unterlassung und Widerruf von Äußerungen, die er als unwahr und verleumderisch beziehungsweise als ehrenbeleidigend ansah. Riedls Zeugin hatte das Gehörte zusammengefasst, demnach hätte Nydahl auf dem Vortrag unter anderem gesagt, dass Menschen, die aus Ländern mit islamischer Kultur stammten, ungebildet seien und ihre Frauen schlügen und deutsche Frauen belästigten. Peter Riedl wehrte sich juristisch. Nydahl hielt dagegen, diese Aussagen seien so nicht gefallen.
Hannah Nydahl als Kinoheldin - Denkmal des Diamantwegs
Auf der Suche nach spirituellen Erfahrungen zieht es die Dänin Hannah Nydahl Ende der 1960er-Jahre nach Nepal und Indien. Der Film "Hannah- ein buddhistischer Weg zur Freiheit" erinnert an Nydahl – ohne einen Hauch von Kritik.
Mehrere Gerichte in Deutschland und Österreich beschäftigte Lama Ole mit seinen Klagen gegen den Blog-Artikel. Am Ende kam heraus, dass die von Nydahl im Vortrag getätigten Äußerungen im Blog-Artikel im Kern richtig wiedergegeben worden sind. Nydahl unterlag also in diesem Rechtsstreit. Der Oberste Gerichtshof in Wien hat auch die Revision des buddhistischen Lehrers Ole Nydahl zurückgewiesen. Peter Riedl begründet seine Hartnäckigkeit so:
"Mir ging es darum, dass es, dass wir in einer ganz komplexen und schwierigen Zeit leben und es wirklich ganz viele Probleme mit dem Islam gibt. Und da Ole Nydahl immer ganz undifferenziert gegen Muslime Aussagen macht. Und nun ist ja gar keine Frage, dass es im Islam viele Probleme gibt. Es gibt die salafistischen Prediger, es gibt den IS und ganz, ganz viel. Das ist aber in einer Zeit wie dieser nicht gut, wenn man das umlegt und jetzt pauschal alle muslimischen Bürger damit diffamiert. Und nur dagegen habe ich mich gewehrt."

Ethisches Anliegen

Peter Riedl wünscht sich von einem buddhistischen Lehrer einen differenzierten Blick auf andere Religionen, erst recht von einem prominenten Lehrer wie Nydahl, der so viele Anhänger im Westen habe. Es sei ihm hauptsächlich ein ethisches Anliegen gewesen, sagt er. Er sagt:
"Ole Nydahl ist ja nicht nur ein sehr bekannter Lehrer, er hat angeblich bis zu 70.000 Schüler und Schülerinnen und das glaube ich auch. Und ich habe ja auch mit vielen gesprochen. Das sind unglaublich engagierte, nette Menschen, die wirklich ein großes Interesse am Buddhismus haben. Ich habe erst heute wieder mit einem Buddhisten gesprochen, der ein Anhänger vom Ole Nydahl ist. Und der ist natürlich sehr betroffen, dass da ein Konflikt um seinen Meister ist."
Aber die allermeisten Anhänger des tibetisch-buddhistischen Diamantwegs stünden fest hinter ihrem Lama Ole Nydahl - egal was er sagt. Riedl: "Er gilt als erleuchteter Meister, als erleuchteter Bodhisattva im Buddhismus. Also ein einmaliger Mensch. Und alles, was Ole Nydahl sagt und tut, ist sakrosankt. Und dann gibt's ein paar kritische Zuhörer immer wieder, die das irritiert, seine islamfeindlichen Aussagen. Und die kommen dann nicht mehr und die treten aus."
Grundsätzlich fürchtet Peter Riedl, dass die islamfeindlichen Worte des dänischen Lamas in der Diamantweg-Gemeinschaft Früchte tragen und sich diese Buddhisten von einem friedlichen Miteinander der Religionen in der Gesellschaft abwenden: "Es geht darum, dass Menschen, die zum Buddhismus kommen, die buddhistische Meditation lernen, in einem Vortrag von einem buddhistischen Lehrer, innerhalb buddhistischer Vorträge hören, dass Muslime ihre Frauen schlagen und ungebildet sind. Und das ist der Kernpunkt des Ganzen, dass man es in dieser generalisierten Form nicht sagen kann, weil es zu einem Konflikt, quasi zum Kampf der Kulturen kommt."

Kampfrhetorik zu Werbezwecken?

Doch woher stammt diese Kampfrhetorik des westlichen Lama in seiner tibetisch-buddhistischen Organisation?
"Der Buddhismus ist ja breit gestreut, da ist schon sehr viel drinnen. Und es ist nicht so, dass der Buddhismus im Laufe seiner Geschichte nicht auch Polemiken gegenüber anderen Religionen gehabt hätte. Es gibt durchaus auch eine Tradition, die jetzt auch in der Geschichte des tibetischen Buddhismus oder des Buddhismus überhaupt andere Religionen abschätzig bewertet", sagt der Religionswissenschaftler Professor Franz Winter von der Universität Graz. Er verweist auf die Geschichte des Buddhismus. Die sei keineswegs nur von Sanftmut geprägt gewesen. Aggressive Rhetorik habe es immer wieder gegeben, auch gegen den Islam. Dennoch sei Nydahls Fixierung auf den lslam auffällig: "Es gibt eine Vermutung, dass er einfach gerne aktuelle Themen aufnimmt. Und die dann halt auch durchaus zu Werbezwecken verwendet."
Der Religionswissenschaftler sucht nach innerbuddhistischen Erklärungen, aber er wird nicht so richtig fündig: "Wobei beim Islamthema ich den Eindruck habe, dass das einfach ein zutiefst persönliches Thema ist von ihm. Also das ist etwas, was er in einem Ausmaß propagiert und immer wieder auch sehr offensiv nach außen trägt, wo man den Eindruck hat, das ist wirklich bei ihm drinnen jetzt. Ob das jetzt mit dem Buddhismus überhaupt nichts zu tun hat? Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht so pauschal beantworten könnte."

Blase "Diamantweg-Buddhismus"

Welche Strategie steckt dahinter, wenn ein buddhistischer Meister immer wieder pauschal abwertende Aussagen über Muslime macht und die er dann fast immer wieder relativiert, wenn Autoren und Blogger ihn dazu kritisieren? Für die Unterstützer der Blogger ist die Sache klar: "Ich denke, das Wichtige ist, es wurde publik gemacht, was da passiert ist. Ich denke, es ist dann auch vordringlich, wenn kritische Stimmen eingeschüchtert werden sollen", sagt Ralf Sogen Boeck, Zen-Priester und ehemaliges Vorstandsmitglied im Dachverband der Deutschen Buddhistischen Union.
Er verweist auf den buddhistischen Blogger und Mönch Tenzin Peljor, der ebenfalls kritisch über Nydahl berichtet und die Äußerungen der Zeugin von Riedls Blog übernommen hatte. Auch Peljor bekam Post von Nydahls Anwalt. Einige Buddhisten fingen nun an, für den Mönch Geld zu sammeln, damit er sich juristisch wehren kann. Peljor hat keinen Besitz, so wie es die Ordensregel vorschreibt: "Und dann gab es ein Spendenkonto, das zumindest dem besitzlosen buddhistischen Mönch Tenzin Peljor ermöglichte, sich mit Hilfe einer Anwältin vor Gericht gegen die Abmahn-Forderungen zu wehren, die er auch gar nicht hätte bezahlen können."
Trotz eines gerichtlichen Vergleichs, sind bei dem Mönch Anwaltskosten von mehr als 20.000 Euro entstanden. Doch die Fronten sind verhärtet. Es herrscht Funkstille, nachdem Nydahls Diamantweg aus der Deutschen Buddhistischen Union im Jahr 2019 ausgetreten war, und so einem Rauswurf zuvorkam. Für Tenzin Peljor und Peter Riedl war die lange gerichtliche Auseinandersetzung zermürbend. Riedl:
"Sie war natürlich enorm belastend. Sie war enorm teuer. Ich habe auch in diesen vier Jahren dann keine Stellungnahme mehr zu diesem Prozess abgegeben, weil mir meine eigenen Anwälte abgeraten haben. Und das war insgesamt eine ganz große Belastung."
Die Beklagten sind nicht an der Auseinandersetzung zerbrochen. Aber ob Nydahls verlorener Prozess auch einen Eindruck auf die Anhänger des Diamantwegs machen wird? Peter Riedls Fazit klingt trotz des Erfolgs vor Gericht eher resigniert: "Die gläubigen Diamantweg-Buddhisten sind nicht mehr zu erreichen. Sie sind für einen normalen Buddhismus und für eine für eine tolerante Welt und für ein Miteinander und eine Diskussion, in der offene Meinung, dass man Kritik äußern kann, dass man Probleme hat, um sie zu lösen, nicht mehr zu erreichen. Sie leben in einer geschlossenen Blase."