
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen und setzt zunächst auf einen freiwilligen Wehrdienst. Bis 2031 soll die Truppe auf 203.000 aktive Soldatinnen und Soldaten anwachsen. Aktuell dienen insgesamt rund 180.000 Männer und Frauen.
Laut Carsten Breuer, dem Generalinspekteur der Bundeswehr, müsse die Bundeswehr bis 2029 sogar rund 100.000 neue Soldatinnen und Soldaten gewinnen, damit Deutschland seine NATO-Verpflichtungen erfüllen kann. Daher wird wieder über eine Wehrpflicht diskutiert. 2011 wurde sie ausgesetzt.
Allerdings würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht nur für Männer gelten. In einigen anderen Ländern werden auch Frauen dienstverpflichtet. Wäre das auch für Deutschland eine Option?
Was spricht für eine Wehrpflicht für Frauen?
Es sei ein Zeichen der Emanzipation und einer gleichberechtigten Gesellschaft, wenn eine mögliche künftige Wehrpflicht für Männer und Frauen gleichermaßen gelten würde, meint die Schriftstellerin und Journalistin Mirna Funk. Zudem würde eine Wehrpflicht für alle zu einem starken Kollektivdenken führen und zu "einem Verständnis dafür, dass Demokratie auch erkämpft und verteidigt werden muss". Unsere Demokratie müsse selbstverständlich auch durch Frauen geschützt und verteidigt werden, so Funk.
Die Autorin versteht den Militärdienst als Mittel zur Selbstermächtigung von Frauen. Durch ihn würden sie erfahren, wie man sich im Krieg richtig verhält: „Wenn ich weiß, wie ich mich verteidigen kann und wie ich meine eigene Familie verteidigen kann, und zwar mit Waffengewalt und möglicherweise ja auch mit strategischem Wissen und mit körperlicher Kraft, dann ist das doch ein Riesenvorteil gegenüber absolut jeder Frau, die nicht weiß, wie man abdrückt“, sagt Mirna Funk.
Dänemark, Norwegen und Schweden etwa haben bereits eine Wehrpflicht für Frauen eingeführt. Auch in Israel werden Frauen zum zweijährigen Militärdienst eingezogen. In vielen anderen Ländern können Frauen freiwillig der Armee beitreten. Dennoch ist der Frauenanteil meist gering: In den US-amerikanischen Streitkräften liegt er bei 14 Prozent, bei der schwedischen Armee bei rund 20 Prozent. Der Frauenanteil in der Bundeswehr liegt aktuell bei rund 14 Prozent.
Was spricht gegen eine Wehrpflicht für Frauen?
Frauen würden der Gesellschaft schon ausreichend dienen, argumentiert die Schriftstellerin und Publizistin Nele Pollatschek. Damit ein Staat überhaupt bestehen kann, müssen Kinder geboren werden. Diese Aufgabe übernehmen Frauen. Frauen im reproduktionsfähigen Alter zum Wehrdienst zu verpflichten sei aus ihrer Sicht – gerade in einem Land mit einer niedrigen Geburtenrate – „eine sehr unvernünftige Art, einen Staat zu schützen“.
Darüber hinaus stellt eine Schwangerschaft auch ein Gesundheitsrisiko für Frauen dar. Dies solle der Staat anerkennen und Frauen nicht auch noch zum Wehrdienst zwingen, meint Pollatschek. Sie hält es grundsätzlich für problematisch, von Menschen zu verlangen, für eine gewisse Zeit in einem bestimmten Beruf arbeiten zu müssen, den sie sich nicht selbst ausgesucht haben. Das schränke die persönliche Freiheit ein.
Wie könnte eine Wehrpflicht für alle eingeführt werden?
2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Theoretisch wäre es möglich, sie wieder zu aktivieren. Allerdings würde sie nur für Männer gelten.
Eine Wehrpflicht für Frauen einzuführen, ist komplizierter. Hierfür müsste das Grundgesetz geändert werden. Dafür aber braucht es jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat und im Bundestag. Da sowohl die Grünen als auch die Linken einer Verfassungsänderung vermutlich nicht zustimmen würden, ist es unwahrscheinlich, dass die Wehrpflicht für Frauen in der aktuellen Legislaturperiode kommt.
rey