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DEB-Sportdirektor Künast vor Eishockey-WM
"Wir können an einem guten Tag jeden Gegner schlagen"

In wenigen Tagen startet in Finnland die Eishockey-WM. Die deutsche Mannschaft beginnt gegen Titelverteidiger Kanada. Die letzte WM endete auf Rang vier, doch einen Medaillenplatz gibt DEB-Sportdirektor Christian Künast im Dlf nicht vor. Selbst das Viertelfinale sei nicht selbstverständlich.

Von Olivia Gerstenberger |
Christian Künast schaut mit einer Maske beim Trainings zu
DEB-Sportdirektor Christian Künast sieht das deutsche Eishockey auf einem guten Weg (picture alliance / Sportfoto Zink / Thomas Hahn)
Ein Ziel gibt es noch nicht für die WM in Finnland – obwohl das Turnier in wenigen Tagen beginnt. Christian Künast will aber erst abwarten, wer überhaupt mitfahren kann, bevor er eine Prognose abgibt. Es sei kein Selbstläufer, das Viertelfinale zu erreichen, so Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes. Wo die deutsche Mannschaft steht, kann sie gleich in ihrem Auftaktspiel testen.
Es geht gegen keinen geringeren als gegen die beste Eishockey-Nation der Welt: Titelverteidiger Kanada. "Es ist auf alle Fälle ein Gradmesser nach diesem Spiel, wo wir stehen. Lieber haben wir einen Topfavoriten vor der Brust. Da wissen wir gleich, wo wir stehen und wissen, wo die Reise hingehen soll."
Eigentlich wäre auch Russland Gruppengegner der Deutschen gewesen, nun ist dafür Frankreich nachgerückt. "Krieg ist immer schrecklich. Und am Ende war die einzige mögliche Konsequenz, Russland und Weißrussland von der WM auszuschließen und auch die WM nächstes Jahr also zu entziehen. Für mich war es die einzige mögliche Konsequenz." 

Zuletzt enttäuschende Ergebnisse

Bei der letzten WM in Lettland vor einem Jahr haben die Deutschen mit Platz vier nur knapp eine Medaille verpasst. Bei den Olympischen Spielen in China gab es allerdings ein frühes Aus. Und auch die Testspiele hat das DBB-Team zuletzt verloren. Man habe aber wichtige Erkenntnisse daraus ziehen können, so Künast.
"Viele Kleinigkeiten, die international heute auch den Ausschlag geben. Schlägerarbeit. Bremsen, statt einen Bogen zu fahren. Zweikampfverhalten. Dort haben wir uns sehr gut weiterentwickelt. Und da sind wir auf einem guten Weg."

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"Liga hat sich entwickelt"

Auf einem guten Weg sieht Künast auch die Entwicklung in der Deutschen Eishockey Liga, die gerade erst mit dem insgesamt neunten Meistertitel für die Eisbären Berlin zu Ende gegangen ist. Die Berliner gewannen die Endserie gegen München mit 3:1.
"Ich glaube, die Liga hat sich in den letzten Jahren auch etwas weiterentwickelt. München war heuer im Champions-League-Finale. Also wir sind da dran. Vielleicht noch nicht ganz oben in Europa. Aber wir sind nicht weit weg."
Wie fit die Spieler aus München und Berlin beim Turnier sein werden, wird sich zeigen. Die Berliner mussten aufgrund der engen Terminierung innerhalb von einer Woche fünfmal spielen. Aber der ehemalige Eishockey-Torwart Künast macht sich keine großen Sorgen.
"Der Eishockeyspieler ist sehr, sehr fit, ist diesen Zwei-Tage-Rhythmus oder auch Back-to-Back-Spiele gewöhnt. Und bei der WM wird nichts anderes erwartet und bis zum WM-Start haben wir noch ein paar Tage."

Nationalmannschaft als Zugpferd

Wie wichtig ein gutes Abschneiden bei der WM ist, zeigt die Erfahrung nach dem deutschen Olympia-Silber von 2018. Gerade was den Nachwuchsbereich angeht, trägt die Nationalmannschaft als Zugpferd große Verantwortung, weiß auch Künast.
"Die Nationalmannschaft ist Aushängeschild, und man hat es damals gesehen: 2018 nach Olympia war eine Steigerung in Neuaufnahmen, in den Mitgliedszahlen. Die Nationalmannschaft bringt eine Nation zusammen. Das ist, glaube ich, das Hauptaugenmerk einer Nationalmannschaft."
Die Nachwuchsarbeit liegt ihm besonders am Herzen, dort sieht Künast noch Entwicklungspotenzial. Andere Ligen - wie Schweden zum Beispiel - seien Deutschland da voraus. Das zeige auch die gerade beendete U18-WM, die das deutsche Team auf dem letzten Platz abgeschlossen hat.
"Ich habe gewusst, dass das für die U18 ein schweres Turnier ist, weil wir gegenüber anderen Nationen in diesem Altersbereich noch etwas zurück sind. Und es ist unsere Aufgabe, dies zu verbessern. Aber für Deutschland wird auch in den nächsten Jahren U-18-WM der Kampf gegen den Abstieg Prämisse Nummer eins sein."

Nachwuchsarbeit: Vorbild Kanada

Mehr Hallen, mehr Eisflächen schaffen, das würde den Anreiz für Kinder vergrößern, Eishockey zu spielen. Denn spätestens mit 13, 14 Jahren sollte man sich für eine Schwerpunktsportart entschieden haben, so Künast.
"Wenn ich jetzt in Kanada Eishockey spielen will als Kind, dann gehe ich jetzt raus bei der Haustür und finde eine Eisfläche im Umkreis von fünf Metern, in fünf Minuten. Und bei uns ist die Zeit, eine Eisfläche im Umkreis zu suchen, eine Stunde oder mehr. Und das ist, glaube ich, ein Problem oder ein Hauptaugenmerk, den wir haben sollten, in der Struktur."
Und im öffentlichen Interesse. Denn in Deutschland dominiert der Fußball. "Nachwuchsleistungszentren ja, es wäre wäre eine Möglichkeit. Aber ich glaube, im Fußball ist es etwas einfacher, weil auch hier immer irgendwo im Hintergrund die größere finanzielle Kraft steckt. Und da ist es egal, ob Handball, Eishockey, Basketball, Volleyball - das große Geld geht zum Fußball. Jetzt müssen wir anderen Sportarten mit unseren Mitteln das Beste daraus machen."

Ohne Draisaitl zur WM

Das Beste, was das internationale Eishockey zu bieten hat, ist die NHL. Wer Spieler aus der Eishockey-Profiliga in Nordamerika in seinem WM-Kader hat, ist schon mal ganz gut ausgerüstet.
"Es ist die beste Liga der Welt, da spielen die besten Spieler der Welt. Aber es ist jetzt nicht so, dass es ein Unterschied ist wie zwischen Tag und Nacht. Das sind oft Kleinigkeiten, die den Unterschied machen und die Gruppe entscheidet. Bei Weltmeisterschaften? Ja, er kann den Unterschied machen, ein NHL-Spieler, aber er muss es nicht. Ich glaube, das ist nicht mehr so entscheidend, wer wie viele hat."

Mehr zur NHL

Im deutschen Kader stehen drei NHL-Spieler, Deutschlands Superstar Leon Draisaitl kämpft aber noch in den Playoffs der NHL um den Stanley Cup und fährt nicht mit nach Finnland.
Trotzdem reist das deutsche Team mit Selbstvertrauen zur WM. "Der große Teil weiß: Okay, wir können an einem guten Tag jeden Gegner in einer Welt schlagen."
Und auch, wenn sich DEL-Sportdirektor Künast nicht auf einen Platz festlegen will, hat er ganz klare Vorstellungen, wie die Spieler auftreten sollen: "Wenn ich weiß, dass wir jeden Tag alles dafür getan haben, dass die Mannschaft ihre Leistung abliefert hat, dann kehre ich mit einem guten Gefühl zurück."