Dienstag, 19. März 2024

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CO2-Bilanz
Schweden will Importwaren in Emissionen einrechnen

Bisher kommen importierte Produkte wie Fahrzeuge und Kleidung in den Emissionsbilanzen der Länder nicht vor. Schweden will das ändern. Laut Klimaforscherin Katarina Axelsson erhöht sich dadurch der CO2-Fußabdruck jedes Schweden deutlich. Der Schritt sei aber eine Chance, Druck auf die Hersteller-Länder aufzubauen.

Katarina Axelsson im Gespräch mit Georg Ehring | 02.05.2022
Eine Frau greift im Supermarkt in ein Kühlregal mit Säften
Nach der neuen Berechnung liegt der Klima-Fußabdruck eines Schweden bei neun Tonnen CO2 pro Jahr, so Klimaforscherin Katarina Axelsson im Dlf (picture alliance / dpa / TT NEWS AGENCY | Anders Wiklund/TT)
Der Klima-Fußabdruck eines Deutschen beträgt knapp zehn Tonnen CO2 pro Jahr. Schwedische Bürgerinnen und Bürger kommen auf die Hälfte. Das Land gilt als Vorreiter im Klimaschutz und kann dank Wasser- und Atomkraft sowie Windenergie eine umweltfreundliche Stromerzeugung vorweisen.
Die Statistiken sind allerdings unvollständig. Emissionen, die auf den Konsum von Produkten zurückzuführen sind, die im Ausland hergestellt wurden, werden in der Berechnung bisher ausgespart. Dabei importieren alle Industrieländer gewaltige Mengen an Konsumgütern, von der Hose bis zum Computer – mit dem damit verbundenen hohen CO2-Ausstoß.
Der CO2-Fußabdruck eines durchschnittlichen Menschen in Deutschland 2018
Der CO2-Fußabdruck eines durchschnittlichen Menschen in Deutschland 2018 (Umweltbundesamt/Deutschlandfunk)
Schweden will diese importierten Emissionen künftig einberechnen. Das Vorhaben ist derzeit in der parlamentarischen Diskussion. Katarina Axelsson forscht beim Stockholm Environment Institute zum Thema Klima und Lebensstil. Sie sagte im Dlf, Schweden gehe diesen Schritt, um die langfristigen Klimaziele des Pariser Abkommen einzuhalten:
„Daraus wird oft errechnet, dass die Emissionen pro Kopf bis 2050 auf eine Tonne pro Person reduziert werden müssen. Schwedens Emissionen pro Kopf liegen aber bei neun Tonnen pro Person, wenn man auch den kompletten Konsum berücksichtigt.“
Weil Schweden über die Emissionen der herstellenden Länder keine Kontrolle habe, könne zunächst der Konsum heruntergefahren werden, erläuterte die Klimaforscherin; etwa durch weniger Fahrzeuge, weniger Konsum von Fleisch und der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.
Durch internationalen Druck, etwa die EU, könne Einluss auf die Hersteller im Ausland ausgeübt werden: „Wir könnten strengere Richtlinien darüber verfassen, wie Waren hergestellt werden müssen, die in die EU importiert werden.“ Axelsson hofft, dass sich andere Länder an Schweden ein Beispiel nehmen.

Das Interview im Wortlaut:
Georg Ehring: Das Vorhaben ist derzeit in der parlamentarischen Diskussion und worum es dabei genau geht, das habe ich Katarina Axelsson gefragt, sie forscht beim Stockholm Environment Institute zum Thema Klima und Lebensstil. 
Katarina Axelsson: Schweden beschäftigt sich schon lange damit die CO2-Emissionen beim Konsum umfassend zu berücksichtigen. Trotzdem legt Schweden bisher nur Rechenschaft über die Emissionen ab, die auf dem eigenen Territorium anfallen. Doch es gibt auch die Emissionen für Produkte, die im Ausland hergestellt, aber nach Schweden eingeführt werden. Wenn man dies alles berücksichtigt, kommen wir auf etwa neun Tonnen pro Kopf und Jahr, nach herkömmlicher Zählweise kommen wir nur auf rund fünf Tonnen. Es würde also dazu führen, dass wesentlich höhere Emissionen berücksichtigt werden müssten.
Ehring: Um welche Emissionen geht es dabei vor allem? 
Axelsson: Ein wichtiger Posten sind die Emissionen aus Fahrzeugen. Ein weiterer sind Flugreisen. Außerdem Lebensmittel und natürlich Kleidung, Elektronik und so weiter. Auch davon werden viele Produkte importiert. Schweden hat über diese Emissionen natürlich keine Kontrolle, auch das muss man berücksichtigen.

"Haben erkannt, dass wir das Klima-Problem global angehen müssen"

Ehring: Was ist der Grund für diese Veränderung?
Axelsson: Wir haben die langfristigen Klimaziele des Pariser Abkommens, also die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad verglichen mit dem Niveau der vorindustriellen Zeit. Daraus wird oft errechnet, dass die Emissionen pro Kopf bis 2050 auf eine Tonne pro Person reduziert werden müssen. Schwedens Emissionen pro Kopf liegen aber bei neun Tonnen pro Person, wenn man auch den kompletten Konsum berücksichtigt. Es ist also ein sehr großer Schritt, von neun auf eine Tonne zu kommen. Auch wenn Schweden einen großen Teil davon nicht direkt kontrollieren kann, finde ich es sehr gut, dass wir jetzt erkannt haben, dass wir das Klima-Problem global angehen müssen und dazu gehören auch die Emissionen, die anderswo entstehen, aber durch Schwedens Konsum verursacht werden.
Ehring: Wie kann der CO2-Fußabdruck des Konsums und auch von Produkten, die auswärts produziert worden sind, am besten reduziert werden?
Axelsson: Es geht zum Beispiel um Autos: Wenn die nicht mehr mit fossilen Energien angetrieben werden, sondern elektrisch, dann wäre das ein wichtiger Schritt. In unserem Energiemix ist der Anteil erneuerbarer Energien sehr hoch. In Ländern, die noch stark fossile Energien einsetzen, ist das nicht unbedingt so eine gute Sache, aber für Schweden wäre das gut.
Auch wenn wir zum Elektroauto wechseln, müssen wir immer noch die Gesamtzahl der Fahrzeuge verringern. Sie beeinflussen das Klima ja auch durch ihre Herstellung ganz erheblich. Ein anderer Schritt wäre: Weniger Flugverkehr. Außerdem wäre es gut, den Konsum von Lebensmitteln tierischer Herkunft zu verringern und mehr Gemüse zu essen und nicht mehr so viele Lebensmittel zu verschwenden. Die Verschwendung von Lebensmitteln ist ein großes Problem, denn das heißt ja, dass sie unnötig hergestellt wurden.  

"Eine Kombination von öffentlichem Druck und Marktregulierung"

Ehring: Wie kann Schweden die CO2-Intensität von Produkten beeinflussen, die im Ausland hergestellt wurden?
Axelsson: Das ist eine interessante Frage. Schweden hat keinen direkten Einfluss darauf, wie Produkte im Ausland hergestellt werden. Aber es wäre natürlich möglich, über internationale Organisationen Druck auszuüben, etwa über die Europäische Union. Wir könnten strengere Richtlinien darüber verfassen, wie Waren hergestellt werden müssen, die in die EU importiert werden. Außerdem: Wir können mit den Unternehmen arbeiten und sie auffordern, Bericht zu erstatten und die Folgen offenzulegen, die ihre Produktionsweise mit sich bringt.
Hier haben die Menschen, die Verbraucherinnen und Verbraucher, eine wichtige Rolle, wenn sie Interesse daran zeigen, wie die Produkte hergestellt worden sind. Es ist also eine Kombination von öffentlichem Druck und Marktregulierung. Das würde Erfolge bringen. Wir müssen die Kräfte bündeln und uns gegenseitig helfen, um den nötigen Wandel zu schaffen – zumindest in der Europäischen Union. Und natürlich ist der Energiemix in den verschiedenen Ländern wichtig. Wir müssen andere Staaten dabei unterstützen, ihre Energieversorgung zu verbessern. Das wird allerdings nicht ausreichen, wir müssen noch mehr tun.
Ehring: Wird Schweden damit zum Modell für andere Länder?
Axelsson: Das hoffe ich. Ich bin sehr positiv gestimmt in Bezug auf diesen Schritt, den Schweden jetzt geht und ich hoffe, dass das andere Länder dazu inspirieren wird, dasselbe zu tun. Wir haben im Juni eine große Umweltkonferenz in Stockholm und auch da werden Konsum-Muster eine große Rolle spielen. Das wird eine gute Gelegenheit für Schweden, seine Erfahrungen und Pläne vorzustellen und ich hoffe, das wird andere Länder inspirieren, so dass sie davon lernen können.
 Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.