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Klimawandel
Das 1,5-Grad-Ziel könnte schon bis 2026 überschritten werden

Die Weltorganisation für Meteorologie hat neue Daten zum weltweiten Temperaturanstieg veröffentlicht. Demnach könnte die Durchschnittstemperatur in den nächsten fünf Jahren zeitweise schon um mehr als die im Weltklimavertrag von Paris 2015 vereinbarten 1,5 Grad steigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies bis 2026 mindestens einmal passiert, liege bei fast 50 Prozent.

Von Georg Ehring | 10.05.2022
Symbolbild Hitzewelle, Thermometer in der Sonne, 40 Grad Celsius, Baden-Württemberg, Deutschland Hitzewelle *** Symbol i
Die WMO berichtet auch, dass die Wahrscheinlichkeit bei 93 Prozent liege, dass mindestens ein Jahr in der Zeit bis 2026 das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen werde (imago images/Michael Weber)
Der Pariser Klimavertrag gab 2015 das 1,5-Grad-Ziel vor. Die Erderwärmung sollte demnach auf maximal 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden. Inzwischen sind viele Wissenschaftler skeptisch, dass sich dieses Ziel erreichen lässt. Die Weltorganisation für Metereologie (WMO) hat am Dienstag (10.5.2022) ihre neuen Daten zum Temperaturanstieg veröffentlicht.
Darin heißt es, die Jahres-Durchschnittstemperatur der Welt könne schon bis 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies in dem Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens einmal passiert, liege bei fast 50 Prozent, berichtete die WMO in Genf. Noch vor sieben Jahren galt es als praktisch ausgeschlossen, dass dieser Wert innerhalb von fünf Jahren erreicht wird. Besonders stark ist der weltweite Temperaturanstieg in der Arktis.

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Was bedeutet die Prognose der WMO konkret?

Die WMO sagt in ihrem jährlichen Update Klima- und Wetterentwicklungen in den nächsten fünf Jahren vorher. Die 50-prozentige Wahrscheinlichkeit bezieht sich darauf, dass die Temperatur dann in einem Jahr um 1,5 Grad höher wäre als im vorindustriellen Zeitalter. Zurzeit liegen wir etwa bei 1,1 Grad über dieser Marke.
Die WMO sagt weiter, dass die Wahrscheinlichkeit bei 93 Prozent liege, dass mindestens ein Jahr in der Zeit bis 2026 das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen werde. Bisher hat diesen traurigen Rekord das Jahr 2016. Und es sei sogar möglich, dass der weltweite Durchschnitt insgesamt in dieser Zeit über 1,5 Grad über dem vorindustriellen Zeitalter liegt. Dafür liegt die Wahrscheinlichkeit allerdings bei ungefähr zehn Prozent.
Grundlage für diese Prognosen sind Daten von Instituten aus Spanien, den USA, Deutschland, Schweden, China und anderen Ländern, zusammengestellt vom britischen Met Office. Die mittelfristige Vorhersage berücksichtigt nicht nur den wachsenden CO2-Anteil in der Atmosphäre, sondern auch kürzerfristige Änderungen, Strömungen zum Beispiel wie die La-Nina- und El-Nino-Wechsel im Pazifik vor Lateinamerika. El Nino bedeutet eine Erwärmung und La Nina eine Abkühlung. Wenn diese 1,5 Grad in einem Jahr überschritten werden sollten, dann würde vermutlich auch ein El-Nino-Ereignis dahinterstecken.

Kommt die Nachricht der WMO überraschend?

Die Nachricht kommt nicht überraschend. Die WMO macht das Update jährlich für die nächsten fünf Jahre seit 2015. Und weil eine Klimawende bisher ausgeblieben ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die 1,5 Grad in einem dieser Jahre überschritten werdenm, jedesmal an. Im vergangenen Jahr hat die WMO die Wahrscheinlichkeit für die Zeit bis 2025 auf 40 Prozent geschätzt. 2015, als die WMO mit solchen Vorhersagen begonnen hat, lag die Wahrscheinlichkeit noch bei nahe null.
Was jetzt passiert, ist das, was die Klimaforschung seit Jahrzehnten vorhersagt, wenn die CO2-Emissionen nicht gesenkt werden. Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat getwittert, das Ganze sei nicht überraschend. Im Schnitt gebe es alle vier Jahre einen neuen Temperaturrekord. Damit ist der nächste bald fällig.

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Wo lässt sich der weltweite Temperaturanstieg jetzt schon besonders stark beobachten?

Die WMO-Prognose sagt vorher, dass in der Arktis die Erwärmung in den nächsten Jahren dreimal so stark ausfällt wie im gesamten Durchschnitt auf der Erde. Das sieht man am schnellen Schmelzen des Eises in Grönland und an der Prognose, dass es demnächst eisfreie Sommer in der Arktis geben wird. Auch das liegt im Trend.
Für andere Weltregionen hat die WMO auch Vorhersagen: mehr Regen in den Tropen, weniger in den Subtropen. Das liegt ebenfalls im Rahmen dessen, was man erwartet. In Europa wird es in Nordeuropa wahrscheinlich nasser als früher und Südwesteuropa wird trockener. Aber auch das liegt im Trend.

Wenn der 1,5-Grad-Schwellenwert in den nächsten fünf Jahren überschritten wird, haben wir dann den Kampf gegen den Klimawandel verloren?

Das heißt das nicht. Aber die Chancen sinken, die 1,5 Grad zum Ende des Jahrhunderts einzuhalten. Das Pariser Abkommen bezieht sich nicht auf einzelne Jahre, sondern auf den längerfristigen Durchschnitt.
Der Weltklimarat IPCC hat im April seinen Bericht herausgegeben zur Minderung des Klimawandels. Das war eine drastische Warnung davor, dass die Welt dabei ist, die Klimaziele zu verfehlen. Es gibt dabei große Unterschiede zwischen den Szenarien - mit vielen Emissionen und wenig Emissionen in den nächsten Jahren. Aber fast alle Szenarien haben gemeinsam, dass zumindest zeitweise die 1,5 Grad im Laufe des Jahrhunderts überschritten werden. Vielleicht 2040 auch für mehrere Jahre hintereinander.
Es gibt die vage Hoffnung, dass es mit noch zu entwickelnden Verfahren gelingt, diesen Trend umzukehren. Das würde bedeuten, dass CO2 wieder eingefangen werden kann. Diese Verfahren sind aber noch nicht in großem Maßstab einsetzbar. Eine Voraussetzung, damit sie überhaupt eine Chance haben, ist eine schnelle Wende beim CO2-Ausstoß.