Dienstag, 23. April 2024

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Juristin Reese zu Corona-Protesten
„Wir wollen nicht mit Nazis auf die Straße gehen“

Die Behörden sollten bei der Frage, welche Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen genehmigt würden, im Zweifel für die Versammlungsfreiheit sein, sagte die Juristin Nicole Reese im Dlf. „Bei unserer Initiative wollen wir keine Gewalt, keine politischen Parolen.“ Auch in den Medien werde leider gar nicht mehr differenziert.

Nicole Reese im Gespräch mit Anja Reinhardt | 02.01.2022
Eine angemeldete Demonstration alias Bonner Montagsspaziergang, mit dem Ziel, gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zu protestieren, zieht durch die Bonner Innenstadt. Laut Polizei war es friedlich.
Eine angemeldete Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zieht friedlich durch die Bonner Innenstadt (imago images/Marc John)
Gegen die Corona-Regeln sind in den vergangenen Wochen fast täglich Menschen auf die Straße gegangen. Stellenweise gab es Ausschreitungen mit Verletzten. Immer wieder sind auch Rechtsextremisten unter den Protestierenden. Die Juristin Nicole Reese hat selbst eine Demonstration mitorganisiert, die vor zwei Wochen in Berlin hätte stattfinden sollen, dann aber von den Behörden abgesagt wurde.

"Von vornherein zu verbieten, halte ich für rechtlich sehr bedenklich"

Die Demonstration sei letztlich mit der Erwägung verboten worden, es könnten ja auch Menschen aus dem Querdenker-Spektrum kommen und die würden sich nicht an die Maßnahmen halten, sagte Reese. Wenn es solche Verbote auf Verdacht hin weiter gebe, „dann bleibt von unserem Versammlungsrecht ja nichts mehr über. Ein Verbot ist Ultima Ratio. Und im Zweifel muss man sagen für die Versammlungsfreiheit. (…) Sie von vornherein zu verbieten, halte ich für rechtlich sehr bedenklich.“

"Auflagen sind ein gutes Mittel und auch rechtens"

Auflagen dürfen für Demonstrationen erteilt werden, betonte Reese. Damit andere Grundrechtsträger nicht über die Maßen beeinträchtigt werden, seien Auflagen ein gutes Mittel und auch rechtens. „Und ich halte zum Beispiel die Masken-Auflage oder die Abstandsauflagen für ein gutes Mittel, um Ansteckungen zu verhindern. Da haben wir uns auch gar nicht gegen gewehrt. Das war für uns völlig klar, dass wir das akzeptieren.“ Die Beteiligten an der Initiative Friedlich-zusammenkommen kämen überwiegend aus der bürgerlichen Ecke, aus der links-grünen Ecke. Einige seien regelmäßig bei Fridays for Future mitgelaufen. Einige kommen auch eher aus der Liberalen, vielleicht sogar auch aus der konservativen Ecke.

"Es wird gar nicht mehr differenziert"

„Aber wir sind alle weit weg davon, Nazis, rechte Aluhut-Träger oder Corona-Leugner zu sein, sondern wir kommen wirklich aus der Mitte der Gesellschaft“, sagte Reese. „Wir sind Menschen verschiedenster Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Ärzte, Pfleger, Juristen, Handwerker also wir sind bunt und divers. Und trotzdem wird in vielen Medien dann immer gleich gesagt, ach, das sind ja Nazis, das sind Corona-Leugner. Es wird gar nicht mehr differenziert oder nicht ausreichend differenziert berichtet und kommuniziert. (…) Also in unserer Bewegung leugnet wirklich niemand Corona, sondern wir sind gegen einige Maßnahmen. Wir sind gegen die Impfpflicht, wir sind vor allen Dingen gegen die Schulschließung, aber wir sind auf jeden Fall nicht Corona-Leugner.“

Große Spannungen auf allen Seiten

„Gewalt geht überhaupt gar nicht“, betonte Reese. Das werde auch klar kommuniziert, da gebe es nichts zu verharmlosen. „Wer Gewalt anwendet, disqualifiziert sich selbst und kann nicht auf der anderen Seite sagen, ich möchte meine Grundrechte in Anspruch nehmen.“ Da müsse der Rechtsstaat mit der ganzen Härte durchgreifen.
Mittlerweile gebe es aber große Spannungen auf allen Seiten. „Es wäre vielleicht viel klüger, die Demonstration nicht so arg einzuschränken, sondern den Menschen das Recht auf Demonstrationsfreiheit auch wirklich Versammlungsfreiheit zu gewähren“, sagte Reese. „Und das in einer möglichst friedlichen Atmosphäre. Ich glaube, dann hätten wir weniger Gewalt. Wir hätten weniger Frust auf allen Seiten.“