Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Corona-Testpflicht bei Einreise
"Die Bundespolizei wird ihre Schleierfahndung verstärken"

Heiko Teggatz von der Deutschen Polizeigewerkschaft rechnet angesichts der kommenden Corona-Testpflicht mit einem abschreckenden Effekt durch Stichproben. Die Bundespolizei wäre aber personell auch in der Lage, stationäre Kontrollen einzurichten, wenn dies von politischer Seite gewollt wäre, sagte er im Dlf.

Heiko Teggatz im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 30.07.2021
Bundespolizisten in einem ICE
Die Bundesregierung hat sich auf neue Einreiseregeln verständigt - und auf Stichproben zu deren Einhaltung (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
Das Bundeskabinett wird voraussichtlich heute (30. Juli) neue Regeln für die Einreise nach Deutschland beschließen. Laut dem bisherigen Entwurf müssen alle Einreisenden ab zwölf Jahren ab dem 1. August nachweisen, dass sie negativ getestet, genesen oder vollständig geimpft sind. Wer aus einem Virusvarianten-Gebiet wie aktuell Brasilien oder Südafrika einreist, muss auch bei vollständiger Impfung einen Test vorweisen. Stationäre Grenzkontrollen soll es nicht geben, der Verordnungsentwurf sieht stichprobenartige Überprüfungen vor.
Aber wer kontrolliert die Einhaltung, und wie? Am Grenzverkehr selbst werde "sich groß nichts ändern", erwartet Heiko Teggatz, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Die Bundespolizei wird ihre Schleierfahndung an den Grenzen verstärken und stichprobenartig die Reiserückkehrer kontrollieren." Seine Kolleginnen und Kollegen sähen das größtenteils als Routineeinsatz, sagte Teggatz im Dlf. "Für uns kommt das einsatztechnisch nicht so ad hoc wie für die Reisenden."

Setzen auf Präventiveffekt und Vernunft der Menschen

Kontrollen aller Einreisenden sind dem Kabinettsentwurf zufolge nicht vorgesehen. "Eine richtige Kontrolle werden Sie nicht hinbekommen, aber der Präventiveffekt ist ja da", sagt Teggatz. Bei Verstößen würden die Personalien festgestellt und ans Gesundheitsamt gemeldet. Teggatz setzt auf die abschreckende Wirkung der drohenden Strafen bis 25.000 Euro – und darauf, "dass jetzt niemand ernsthaft riskieren möchte, eine Virus-Variante nach Deutschland einzuschleppen, um schlussendlich damit wieder einen Lockdown zu riskieren."
Albrecht von Lucke im Porträt
"Wiederauflage dessen, was man im letzten Jahr versäumt hat"
In der Debatte um eine Testpflicht für Reiserückkehrer kritisiert der Politologe Albrecht von Lucke ein Versagen der Politik. Es sei im Kern eine bundespolitisch einheitliche Frage, die längst im Vorfeld hätte geklärt werden müssen.
Politisch bewerten wollte Teggatz die neue Regelung nicht. "Natürlich ist das unglücklich für die Polizistinnen und Polizisten, immer den politischen Strömungen ausgesetzt zu sein und auch zu folgen, aber das ist nun mal die Aufgabe der Polizei in Deutschland." Wichtig ist ihm allerdings, dass die Kolleginnen und Kollegen im Einsatz vor Ort "die notwendigen Rechtsgrundlagen an die Hand bekommen, weil wir hier ja um Schengen-Binnengrenzen sprechen und eine Kontrolle nicht einfach so ohne Genehmigung der Europäischen Union möglich ist".

Das Interview im Wortlaut:
Jörg Münchenberg: Herr Teggatz, Ihre grundsätzliche Erfahrung, wenn Gesetze und Bestimmungen nicht kontrolliert werden, halten sich die Menschen trotzdem daran?
Heiko Teggatz: Da kann ich Ihnen gleich ein Beispiel bringen. Wenn irgendwo in einer Innenstadt eine Parkverbotszone ausgewiesen ist und Sie dort falsch parken, dann wird das selbstverständlich kontrolliert und auch geahndet. Insofern gebe ich Ihnen völlig Recht. Auflagen machen nur dann Sinn, wenn sie kontrolliert und auch sanktioniert werden.
Münchenberg: Jetzt soll es ja bei der Testpflicht, die wohl ab Sonntag kommen soll, für Reiserückkehrer keine stationären Kontrollen geben durch die Polizei. Ist das nicht ziemlich inkonsequent?
Teggatz: Nun ja. Entscheidend ist immer der Personalansatz, der gewählt wird, und das Ergebnis, was man politisch auch erzielen möchte. Die Bundespolizei wäre jederzeit auch in der Lage gewesen, stationäre Kontrollen aufzubauen, den Reiseverkehr an den Landgrenzen zu kanalisieren und zu kontrollieren.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

"Notwendige Rechtsgrundlagen" gefordert

Münchenberg: Die gab es auch schon im letzten Jahr.
Teggatz: Genau! Und da hat die Bundespolizei auch schon eindrucksvoll bewiesen, dass für einen Zeitraum von drei Monaten fünf Landgrenzen und zwei Luftgrenzen kontrolliert werden. Das ginge!
Wichtig ist uns nur, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Kontrollen dort durchführen, die notwendigen Rechtsgrundlagen an die Hand bekommen, weil wir hier ja um Schengen-Binnengrenzen sprechen und eine Kontrolle nicht einfach so ohne Genehmigung der Europäischen Union möglich ist.
Münchenberg: Wenn es jetzt stationäre Kontrollen geben würde, das wäre ja doch eine massive Ausweitung. Es geht nicht nur um die Außengrenzen; es geht auch um Kontrollen in den Zügen. Könnte die Bundespolizei das alles auch personell leisten?
Teggatz: Wenn wir den Auftrag bekommen, so etwas zu machen, dann können wir das selbstverständlich. Wir haben mittlerweile ausreichend Personal, auch solche ad-hoc-Lagen zu bewältigen. Ich möchte aber noch mal kurz auf die Kontrolle in den Zügen eingehen. Wir reden bei der Kontrolle in den Zügen auch nur über Kontrollen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr, also nicht insgesamt in Deutschland flächendeckend jetzt alle Züge. Das ist, glaube ich, nicht gemeint mit der Verordnung, sondern es geht hier wirklich um die Reiserückkehrer, die mit der Bahn aus dem Ausland nach Deutschland einreisen.
Münchenberg: Jetzt ist nicht von stationären Kontrollen die Rede. Das will die Politik auf jeden Fall vermeiden, nachdem es da sehr viel Ärger gab mit den europäischen Nachbarländern. Jetzt ist nur von Stichproben die Rede. Das heißt faktisch, am Grenzverkehr wird sich gar nichts ändern?
Teggatz: An dem Grenzverkehr wird sich groß nichts ändern. Die Bundespolizei wird ihre Schleierfahndung verstärken an den Landgrenzen und stichprobenartig letztendlich die Reiserückkehrer kontrollieren.

Mehr zum Thema Coronavirus und Corona-Impfung


Bußgelder bis zu 25.000 Euro

Münchenberg: Sie sagen, es wird Schleierfahndung geben, vielleicht eine Ausweitung, man macht da Stichproben. Wird man damit wirklich eine richtige Kontrolle hinbekommen?
Teggatz: Eine richtige Kontrolle werden Sie nicht hinbekommen, aber der Präventiveffekt ist da. Verstöße gegen diese Verordnung werden ja mit Bußgeldern bis zu 25.000 Euro geahndet und ich würde mir es gut überlegen, mich ins Auto zu setzen und aus den Niederlanden nach Deutschland aus meinem Urlaub zurückzukommen und dann Gefahr zu laufen, bei einer Stichprobe erwischt zu werden. Dann wird die Sache richtig teuer.
Münchenberg: Sie würden schon sagen, diese neue Testpflicht hat eine abschreckende Wirkung, dass die Menschen sich daran halten werden?
Teggatz: Ich vertraue den Menschen in Deutschland und Europa und ich gehe davon aus, dass niemand jetzt ernsthaft riskieren möchte, eine Virus-Variante nach Deutschland einzuschleppen, um schlussendlich damit wieder einen Lockdown zu riskieren.
Münchenberg: Herr Teggatz, nun kommt die Entscheidung der Politik, eine Testpflicht einzuführen, jetzt mitten in der Reisezeit. Hätte man das nicht auch aus Sicht der Bundespolizei nicht doch alles ein bisschen früher machen sollen, bevor die Menschen in den Urlaub aufbrechen?
Teggatz: Ich gehe mal sicher davon aus, dass schon als die Möglichkeit diskutiert wurde sich die Bundespolizei intern auf diese Lage vorbereitet hat. Für uns kommt das jetzt einsatztechnisch nicht so ad hoc wie für die Reisenden. Wie gesagt: Die Bundespolizei entscheidet auch nicht darüber, ob solche Kontrollen durchgeführt werden, sondern das ist reine politische Entscheidung, und da kann man drüber streiten, ob man das hätte eher publizieren können oder nicht. Aber das steht mir beim besten Willen nicht zu.

"Die Bundespolizei entscheidet nicht über Kontrollen"

Münchenberg: Aber ist nicht zu befürchten, dass viele Urlauber von der neuen Regelung vielleicht gar nichts mit bekommen werden, und was macht dann die Bundespolizei mit solchen Fällen?
Teggatz: Zum ersten Teil Ihrer Frage glaube ich, dass sich schon jeder bewusst ist, denn wir leben jetzt ja nicht erst seit drei Wochen mit Corona, dass man immer damit rechnen muss, kontrolliert zu werden beziehungsweise das Gesundheitsamt sich einschaltet und schaut, ob jemand ausreichend geimpft, genesen oder getestet ist. – Ihre zweite Frage bitte noch mal!
Münchenberg: Was macht die Bundespolizei zum Beispiel mit Einreisenden, die sagen, sie haben von den Änderungen gar nichts mitbekommen?
Teggatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Ich gehe davon aus, dass dann die Personalien dennoch festgestellt werden und die zuständigen Landesbehörden, in dem Fall die Gesundheitsämter, durch die Bundespolizei informiert werden über die Fälle.
Münchenberg: Aber haben Sie nicht die Sorge, dass da doch viele ziemlich verärgert reagieren werden, wenn sie in eine solche Stichkontrolle geraten?
Teggatz: Ja! Aber das ist ja normaler polizeilicher Alltag. Die Menschen brechen auch nicht in Begeisterung aus, wenn sie einen Strafzettel am Scheibenwischer hängen haben. Insofern ist das normaler polizeilicher Alltag, und damit werden unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort auch fertig.

Bundespolizei sieht das "größtenteils als Routine-Einsatz"

Münchenberg: Herr Teggatz, ich würde ganz gerne auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, das auch mit Corona zusammenhängt. Es gibt jetzt eine Studie der Polizei in Sachsen, aus der die "Bild"-Zeitung heute zitiert. Da beschweren sich die Polizisten über die aus ihrer Sicht übertriebenen Corona-Kontrollen. Welche Rückmeldung bekommen Sie von den Kolleginnen und Kollegen?
Teggatz: Ich kann jetzt nur für die Bundespolizei sprechen. Mir sind Beschwerden so noch nicht bekannt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Bundespolizei in solche Einsatzlagen jetzt schon das dritte Mal gerät und sich die Modalitäten, die Unterbringung, das Material, das Personal mittlerweile so gestärkt hat, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Bundespolizei das größtenteils als Routine-Einsatz sehen.
Münchenberg: Ich will noch mal bei dieser Studie bleiben. Da sind offenbar 2.300 Polizistinnen und Polizisten befragt worden und immerhin 30 Prozent sagen, die Maßnahmen gehen zu weit. Knapp 60 Prozent beklagen auch eine ungenügende Ausrüstung bei den Corona-Kontrollen. Wie sehr ist das auch ein Thema bei der Bundespolizei?
Teggatz: Das war ein Thema in der Bundespolizei, aber die Bundespolizei hat gelernt aus dem ersten Großeinsatz, den wir gefahren sind im Frühjahr 2020 mit den stationären Grenzkontrollen nach Luxemburg, Frankreich, Schweiz und Österreich. Wir haben in der Bundespolizei unglaublich viel Material beschafft, von mobilen Kontrollstellen über pneumatische Zelte und und und. Wie das jetzt in Sachsen im Land läuft, das entzieht sich, ehrlich gesagt, meiner Kenntnis. Da kann ich jetzt Ihnen so gar keine verbindliche Auskunft geben.

Bundespolizei hat gelernt aus Grenzkontrollen von 2020

Münchenberg: Grundsätzlich gefragt: Die Corona-Auflagen und die Kontrolle durch die Polizei und auch die Bundespolizei, könnte das am Ende nicht das Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei belasten?
Teggatz: Kontrollen und Polizeiarbeit ist immer Ländersache. Corona ist jetzt ein Beispiel, aber da könnten Sie auch die Kriminalitätsbekämpfung insgesamt mal ins Kalkül ziehen.
Münchenberg: Es ist ja was anderes, ob wir über Kriminalitätsbekämpfung reden oder die Überwachung von Corona-Maßnahmen, wo viele vielleicht auch sagen, ich kann das gar nicht nachvollziehen?
Teggatz: Ich rede von polizeilichen Aufgaben insgesamt. Das kann auch die Verkehrsüberwachung sein. Polizei hat ja eine Aufgabe und wenn ein Teil der Aufgabe der Polizei jetzt Kontrollen von Corona-Maßnahmen sind, dann ist das so. Natürlich ist das unglücklich für die Polizistinnen und Polizisten, immer den politischen Strömungen letztendlich ausgesetzt zu sein und auch zu folgen, aber das ist nun mal die Aufgabe der Polizei in Deutschland.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.