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"Das kann uns hier gehen wie den spanischen Gemüsebauern"

Bockshornklee-Samen sind als EHEC-Erreger identifiziert, ihre Herkunft angeblich: Ägypten. Die Journalistin Cornelia Wegerhoff berichtet jedoch aus Kairo, dass es in Ägypten selbst keinen EHEC-Fall gegeben habe. Die Landwirte sorgten sich nun um den Ruf ihrer Produkte.

Cornelia Wegerhoff im Gespräch mit Theo Geers | 08.07.2011
    Theo Geers: 49 Menschen sind seit Mai in Deutschland durch den EHEC-Erreger gestorben, über 4000 Menschen haben und hatten sich mit dem Darmkeim infiziert. Das verlangt nach Aufklärung, keine Frage. Umgekehrt gilt aber auch: Indizien sind mit Vorsicht zu genießen, gerade bei der Suche nach der Herkunft des EHEC-Erregers. Spanische, aber auch deutsche oder niederländische Erzeuger von Gurken oder Tomaten können ein Lied davon singen, was es heißt, wenn zum Beispiel Gurken vorschnell als Erregerquelle benannt werden und wenn sich hinterher herausstellt, dass es dann doch die Sprossen waren. Es waren Bockshornklee-Samen, um genau zu sein, und inzwischen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch klar, woher die Samen für die Sprossen kamen: Ägypten war die Quelle. Und in Kairo beobachtet unsere Korrespondentin Cornelia Wegerhoff diese Entwicklung. Frau Wegerhoff, aus europäischer Sicht scheint jetzt alles klar zu sein. Sieht man das bei Ihnen in Ägypten eigentlich genauso?

    Cornelia Wegerhoff: Überhaupt nicht. Da sieht man das ganz anders und da sagt man schon, das kann uns hier gehen wie den spanischen Gemüsebauern. Gestern habe ich mit einem Mann gesprochen, Sherife Batayeh vom ägyptischen Agrar-Exportrat, der hat hier so einen Bekanntheitsgrat wie vielleicht unser deutscher Bauernpräsident, und der hat gesagt, dieser EHEC-Verdacht, der ruiniert den guten Ruf unserer Produkte, und falls sich die europäischen Behörden wie bei den spanischen Gurken vertan haben sollten - man merkt den leichten Unterton -, werden die ägyptischen Bauern sicher keine Entschädigungszahlungen der EU bekommen. Die Ägypter sind absolut der Meinung, dass es kein EHEC hier überhaupt gibt. Es gab keine dokumentierten Fälle von EHEC im ganzen Land und man hat eigene Tests sofort durchgeführt, als man von der europäischen Seite Bescheid bekam, von den Behörden - das ist schon über acht Tage her -, und bei den eigenen Labortests kam auch kein positiver Befund zu Stande. Also man meldet von hier aus: Unsere Bockshornklee-Samen sind völlig in Ordnung, da gibt es keinerlei Kontamination, und man sagt, die Entscheidung ist nicht korrekt, man sagt sogar, die Europäische Union, die formuliert doch wieder so, vielleicht, vielleicht, vielleicht, und wir sind dann hinterher die Dummen.

    Geers: Ägypten fühlt sich also zu Unrecht an den Pranger gestellt, Frau Wegerhoff. Was will man denn jetzt tun, denn die EU hat ja immerhin ein Importverbot für Samen und Bohnen aus Ägypten verhängt?

    Wegerhoff: Ja, und das trifft die Exportwirtschaft hier auch sehr hart, denn die Einbrüche, die gab es schon seit der Revolution, auf dem inländischen Markt sehr stark. Der Tourismus ist ja auch eingebrochen, auch ein wichtiger Abnehmer hier für Lebensmittel. Und man hatte so ein bisschen auf den Export gesetzt und ganz insgeheim auch darauf gesetzt, dass man durch die Einbrüche der europäischen Gemüsemärkte eben durch diese EHEC-Geschichte vielleicht profitieren würde. Man hat nun gesagt, okay, das ist ja eine schlimme Geschichte, dabei sind ja auch so viele Menschen gestorben, und man muss auch wirklich jedem Verdacht nachgehen. Also es ist jetzt nicht so, dass sie das weit von sich weisen, sondern sie zeigen sich kooperativ und sie haben gesagt, wir fordern erstens die Rücknahme dieses Verbots, aber wir arbeiten auch mit den europäischen Behörden bitte gerne zusammen, warum kommen die Experten nicht hierher vor Ort und überzeugen sich selbst. Also man bietet da sozusagen wissenschaftliche Zusammenarbeit an. Sie selber sagen, die Fakten, die da von europäischer Seite her präsentiert werden, sind ihnen nicht wissenschaftlich genug, da wäre zu viel Wenn und Aber dabei.

    Geers: Sie sagten es ja vorhin: Die Agrarexporte sind für Ägypten eine wichtige Einnahmequelle. Was kommt denn eigentlich alles aus Ägypten auf unsere Teller?

    Wegerhoff: Eine ganze Menge! Man muss erst mal sagen, hauptsächlich Kartoffeln. Ich habe eben noch mal die Listen durchgeguckt, was da so alles exportiert wird: Viel Gemüse, alle möglichen Sorten, Bohnen vor allen Dingen, die Bohnen sind ja auch von diesem Importverbot betroffen, auch diese Ölsaaten. Aber in größten Mengen eigentlich Frühkartoffeln. Die ersten Frühkartoffeln, die wir in Deutschland auf dem Markt haben, noch bevor unsere deutschen Frühkartoffeln auf dem Wochenmarkt zu sehen sind, sind ägyptischer Herkunft. Zwiebeln, Artischocken, aber ich habe in Köln auf dem Großmarkt zum Beispiel auch schon riesige Wassermelonen-Lieferungen gesehen, und ich habe auch hier schon entdeckt, dass ein deutscher LKW vor einem der größten Safthersteller gestanden hat. Orangen sind sehr wichtig für den Absatz und eben auch Kräuter. Interessant ist zu wissen, dass der Bereich sich mehr und mehr beim Export darauf konzentriert hat, biologische Produkte und bioorganisch angebaute Sachen zu exportieren, und dass sehr, sehr viele Bauern - man spricht von 50, 60 Prozent; das ist natürlich schwer abzuschätzen, ob das auch genauso der Fall ist; man muss hier ein bisschen vorsichtig sein mit den Daten -, dass die tatsächlich auch schon nach Demeter-Kriterien hier herstellen.

    Geers: So weit die Exporte aus Ägypten. Letzte Frage, Frau Wegerhoff: Wie wird das ganze produziert? Und bitte um eine kurze Antwort: Sind die künstlichen Bewässerungssysteme in Ägypten vielleicht besonders anfällig?

    Wegerhoff: Das kann man nicht einfach so pauschal sagen. Das ist natürlich auch so ein Vorurteil, gegen das man sich wehrt, nach dem Motto: Jeder Reisende, der hier in Ägypten war, hat auch Durchfall gehabt, klar, dann muss das ja Ägypten mit EHEC sein. Die betonen, wir haben kein EHEC gehabt, unsere Bewässerungssysteme sind in Ordnung. Natürlich steht hier nicht neben jedem Feld, sage ich mal, ein Dixie-Klo, aber 80 Millionen Menschen wohnen hier auch und da achtet man sehr genau und sehr pingelig auf Gesundheit und Hygiene.

    Geers: Danke schön! Ägypten fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Cornelia Wegerhoff war das.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.