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Datenlöschung in G20-Affäre
Der nächste Skandal

Die Affäre um den Entzug von Presse-Akkreditierungen beim Hamburger G20-Gipfel weitet sich aus: Laut ARD-Recherchen vernichtete das LKA systematisch Beweismittel - was Folgen für die betroffenen Journalisten hat. Der DJV spricht von Stigmatisierung und fordert Konsequenzen.

Arnd Henze im Gespräch mit Brigitte Baetz / Text von Michael Borgers | 04.10.2017
    Insgesamt 32 Journalisten wurde vor dem G20-Gipfel von Hamburg die Akkreditierung entzogen.
    Insgesamt 32 Journalisten wurde vor dem G20-Gipfel von Hamburg die Akkreditierung entzogen. (Imago / Zuma Press)
    Im Bericht der ARD wird der Fall des Berliner Fotojournalisten Po-Ming Cheung geschildert. Er gehört zu den 32 Journalisten, denen eine bereits erteilte Akkreditierung zum Treffen der G20-Staatschefs in Hamburg Anfang Juli von den Behörden entzogen worden war.
    Bei vier Journalisten räumte das Innenministerium eine Fehleinschätzung ein, 28 gelten weiterhin offiziell als Sicherheitsrisiko. So wie Po-Ming Cheung, und er weiß inzwischen auch, warum: Seitdem er 2011 über eine Demonstration mit Ausschreitungen in der Bundeshauptstadt berichtet hatte, wurde er vom Landeskriminalamt mit dem Vermerk "besonders schwerer Landfriedensbruch" geführt.
    Diese Information erhielt der Pressefotograf nun dem ARD-Bericht zufolge vom LKA – genau wie den Hinweis, entsprechende Datensätze seien vor Kurzem gelöscht worden, andere wiederum erhalten geblieben.
    Kritik der Journalisten-Gewerkschaft
    Von einem Skandal spricht Arnd Henze, der die G20-Ereignisse für das ARD-Hauptstadtstudio begleitet und in @mediasres zu Beginn und vier Wochen später darüber berichtet hat. Im Interview nun betont er, zwar sei die Löschung dieser Daten eigentlich eine gute Nachricht, doch komme sie angesichts des laufenden Beschwerdeverfahrens der diskreditierten Journalisten einer Vernichtung von Beweismitteln gleich.
    Das nun begonnene "große Reinemachen" auf Ebene auch anderer Landeskriminalämter zeige, dass dort viele Daten gespeichert gewesen seien, "die mit der Realität nichts zu tun hatten".
    Bereits in mehreren der insgesamt 32 Fälle stellte sich heraus, dass den betroffenen Journalisten unrechtmäßig Delikte im Zusammenhang mit gewalttätigen Demonstrationen zugeordnet wurden, die sie nicht begangen haben. Die ARD berichtet zudem von mehreren Journalisten, denen die Akkreditierung entzogen wurde und deren Datensätze danach gelöscht wurden.
    DJV: Cheung hat nur seinen Job getan
    Der Deutsche Journalisten-Verband erkennt im Fall von Po-Ming Cheung einen "besonders krassen Fall von Stigmatisierung". Der Fotograf sei als potentieller Gewalttäter gebrandmarkt, obwohl er nichts anderes als seinen Job getan habe, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Er forderte die Behörden auf, die Akte Cheungs und die anderer G20-Journalisten, denen die Akkreditierung entzogen worden sei, zu bereinigen.
    Die Links-Partei fordert Konsequenzen aus den jüngsten Vorkommnissen. Das LKA Berlin und andere müssten "zur Verantwortung gezogen werden", schrieb die Innenpolitikerin Martina Renner auf Twitter.
    Für Arnd Henze von der ARD ist der mangelhafte Umgang mit Daten auf Bundes- und Landesebene mitverantwortlich für die Vorfälle rund um das Hamburger Treffen. Die Bundesregierung wisse "nicht einmal", wie viele Personen in den Datenbanken gespeichert und wie viele darunter tatsächlich Straftäter seien. Zudem gebe es hier "offenbar keine Bereitschaft zur Kontrolle".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.