Samstag, 11. Mai 2024

Medien
"Irrationale" Debatte über Rundfunkbeitrag

Insgesamt sechs Ministerpräsidenten haben sich bislang gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2025 ausgesprochen - und unterlaufen damit das Verfahren zur Festlegung des Beitrags. Für Medienjournalistin Claudia Tieschky ist vieles an der Debatte um den Rundfunkbeitrag "extrem irrational".

Text: Mike Herbstreuth | Claudia Tieschky im Gespräch mit Bettina Köster | 04.07.2023
 Nahaufnahme von einem Briefbogen mit ARD- und ZDF-Logo und einem Überweisungsträger.
Die Festlegung des Rundfunkbeitrags sorgt immer wieder für Verwirrung. (IMAGO / U. J. Alexander / IMAGO)
18,36 Euro zahlt jeder Haushalt in Deutschland monatlich für öffentlich-rechtliche Fernseh-, Radio- und Onlineangebote – noch bis Ende 2024. Wie hoch der Rundfunkbeitrag danach sein wird, ist noch unklar. Konkrete Zahlen werden erst für Anfang 2024 erwartet. Für die CDU/CSU-Fraktionen der Länderparlamente ist allerdings schon jetzt sicher:
"Aus heutiger Sicht erscheint eine Anhebung des Rundfunkbeitrages ab 2025 politisch nicht vermittelbar" – auf diese Resolution haben sich Ende Juni die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU in den Landesparlamenten geeinigt. Soll heißen: wenn es nach CDU und CSU geht, soll der Rundfunkbeitrag ab 2025 nicht steigen.

Sechs Länder gegen Rundfunkbeitragserhöhung

Laut Nachrichtenagentur epd sind darüber hinaus insgesamt sechs Landesregierungen gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags: Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.
Eine pauschale Ablehnung einer Beitragserhöhung ignoriert allerdings den Prozess, mit dem die Höhe des Rundfunkbeitrags festgelegt wird – und missversteht ihn teilweise.
Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP) hält es sogar für "verfassungswidrig", wenn Politiker dem Rundfunk ein Einsparziel vorgeben, wie er im Interview mit der SZ sagte. "Die Finanzierung darf nicht dem Verfahren vorangehen, die Finanzierung folgt der Programmgestaltung."

Irreführende Schlagzeilen in Medien

Diese Programmgestaltung legen die Bundesländer nämlich selbst fest. In Medienstaatsverträgen beschließen sie den Auftrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Daraus folgt dann, wie viel Geld die Anstalten für die Erfüllung dieses Auftrags brauchen.
Die Sender versuchen also, die Vorgaben zu erfüllen, die die Politik ihnen gemacht hat – und legen die Höhe nicht einfach selbst fest, wie einige Schlagzeilen von Medien wie "Business Insider" ("ARD will den Rundfunkbeitrag offenbar um 1,09 Euro pro Monat erhöhen"), "Focus" ("Öffentlich-Rechtliche wollen Rundfunkbeitrag erhöhen") oder "Ruhr 24" ("GEZ-Beitrag wird drastisch erhöht") suggerieren.

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"Man macht sich nicht die Mühe, das Verfahren zu entschlüsseln und zu erklären – und ist auch bereit, es zu diskreditieren", so die Medienjournalistin Claudia Tieschky von der "SZ" im Deutschlandfunk.

Tieschky: Länder hätten Auftrag für Sender anpassen müssen

Tieschky kritisiert in diesem Zusammenhang die Länder, die jahrelang die Gelegenheit gehabt hätten, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anzupassen, so dass gar keine Debatte über eine Beitragserhöhung hätte entstehen müssen.
"Wir könnten den Beitrag senken, wenn sich die Länder entschließen würden, den Auftrag zu verkleinern, Sender zu schließen oder einfach beitragseffektive Veränderungen im Auftrag festzuschreiben. Das haben sie aber nicht getan. Und genau die Länder, die das nicht tun, werfen jetzt den Sendern vor, dass der Beitrag nicht sinkt." Das sei in gewisser Weise widersinnig, aber vieles an der Debatte sei extrem irrational.

Länder legen Auftrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio fest

Aufgrund des von den Ländern festgelegten Auftrags haben ARD, ZDF und Deutschlandradio bis Ende April angemeldet, wie viel Geld sie in den kommenden Jahren benötigen. Für den Zeitraum zwischen 2025 und 2028 würden laut Berechnungen der Anstalten die Aufwendungen für Programm und Personal jährlich um bis zu 2,71 Prozent steigen – deutlich unter der allgemeinen Inflation. Diesen Finanzbedarf prüft nun die "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" (KEF).
"Die KEF ist eine Kommission mit unabhängigen Experten", erklärt Claudia Tieschky. Diese 16 Sachverständigen der Kommission kommen aus Bereichen wie Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung oder Medienwissenschaft und werden von den Bundesländern selbst berufen.

KEF hat Finanzmittel der Sender immer wieder stark zurückgestuft

"Wenn man das Verfahren in den letzten Jahren betrachtet, dann stellt man fest, dass die KEF auch immer wieder sehr stark die Finanzmittel der Sender zurückgestuft hat – das ist eine äußerst effiziente Truppe."
Nach ihrer Überarbeitung des Vorschlags von ARD, ZDF und Deutschlandradio errechnet die KEF dann den neuen Rundfunkbeitrag. Ein Entwurf geht an die Länder und die Anstalten, es folgen Anhörungen und danach beschließt die KEF ihre endgültige Empfehlung. Diesem Vorschlag müssen die Bundesländer dann noch zustimmen.
Es sei ein kompliziert zu erklärendes Verfahren, gibt Tieschky zu, aber gleichzeitig auch ein "ausgezeichnetes". Mit dieser Form wird sichergestellt, dass weder Sender noch Politik den Beitrag nach Gutdünken festlegen können.

Kompliziertes, aber "ausgezeichnetes" Verfahren

Wenn die Länder vom KEF-Vorschlag abweichen wollen, dann müssen sie sich einig sein und sozialpolitische Einwände haben, die gut begründet sind. Programmliche oder medienpolitische Gründe sind laut Bundesverfassungsgericht nicht zulässig für eine Abweichung von der KEF-Empfehlung. Deshalb hat das Gericht auch das Veto von Sachsen-Anhalt bei der letzten Rundfunkbeitragserhöhung im Jahr 2021 überstimmt: die Blockade des Bundeslandes habe den Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender auf "funktionsgerechte Finanzierung" verletzt. Das Land habe die Beitragserhöhung "ohne tragfähige Begründung" blockiert.
Tieschky sieht allerdings auch die Sender in der Pflicht, die sich verändern müssten. Zwar wollten die Öffentlich-Rechtlichen sogenannte Kompetenzzentren gründen, um über Reformen zu debattieren, aber es seien keine Informationen zu bekommen, ob das "in irgendeiner Weise auch dem Ziel dient, den Beitrag stabil zu halten".

Kritik an Reformwilligkeit der Sender

Und auch der sogenannte Zukunftsrat, den die Länder als beratendes Gremium für Reformen im öffentlicht-rechtlichen Rundfunk berufen haben, ist Tieschky "zu lässig gedacht":
"Man müsste innerhalb der nächsten drei Monate spätestens zu wirksamen Maßnahmen kommen, dass die noch in dieses laufende Beitragsverfahren einfließen, dass damit also konkrete Sparmaßnahmen verbunden sind, die die KEF einpreist. Und die KEF wird im Frühjahr nächsten Jahres eine Beitragsempfehlung veröffentlichen. Mit etwas Vorlauf wäre noch Zeit, mit Reformen den Beitrag abzufedern. Aber im Moment sehe ich einfach keine wirklich wirksamen Impulse."