Samstag, 27. April 2024

Archiv

"Demokratie-Aktionsplan"
So will die EU Medien stärken

Mit neuen Regeln und Maßnahmen will die EU-Kommission die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten verbessern. Den Anfang macht ein "Demokratie-Aktionsplan", den EU-Kommissionsvize Vera Jourova vorgestellt hat. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen.

Von Michael Borgers | 03.12.2020
Vera Jourova, Vize-Kommissionspräsidentin und EU-Kommissarin für Grundwerte und Transparenz
Vera Jourova, Vize-Kommissionspräsidentin und EU-Kommissarin für Grundwerte und Transparenz (AP Pool)
Das ist der Hintergrund der Pläne
Gezielte Desinformations-Kampagnen aus dem Ausland, immer wieder vor wichtigen Wahlen, zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie – die EU-Kommission sieht die Demokratie in der Staatengemeinschaft unter Druck und will daran etwas ändern. Eine besondere Rolle misst die Politik dabei der Arbeit unabhängiger Medien zu.
Diese seien für "die Demokratie tatsächlich von entscheidender Bedeutung", erklärte Vize-Kommissionspräsidentin Vera Jourova, die auch EU-Kommissarin für Grundwerte und Transparenz ist, im Interview mit dem Nachrichtenportal Euractiv. Aufgabe von Medien sei es, so Jourova, "komplexe Themen verständlich darzulegen, eine breite öffentliche Debatte mit unterschiedlichen Ansichten anzuregen, und uns – also die politischen Entscheidungsträger – zur Rechenschaft zu ziehen". Deshalb setze sich die Kommission dafür ein, "das Arbeitsumfeld für Journalistinnen und Journalisten, ihren Schutz und ihre Sicherheit zu verbessern".
Kampf um die Deutungshoheit
Die EU-Kommission warnt in der Corona-Krise vor Desinformationskampagnen. Vor allem Russland und China könnten versuchen, Unsicherheit zu verbreiten. Dabei gehe es um Deutungshoheit, sagte Bettina Klein, Deutschlandfunk-Korrespondentin in Brüssel.
Darum geht es im Demokratie-Aktionsplan
Im nun vorgestellten Papier heißt es, der Europäische Aktionsplan lege "Maßnahmen zur Förderung freier und fairer Wahlen und einer starken demokratischen Beteiligung, zur Unterstützung freier und unabhängiger Medien und zur Bekämpfung der Desinformation fest".
Konkret werde es bis 2021 eine "Empfehlung zur Sicherheit von Journalisten" geben. Hierzu sagte Vera Jourova bereits im Vorfeld mit Blick auf die seit 2015 ermordeten Journalisten Daphne Caruana Galizia, Ján Kuciak sowie Mitarbeiter des Satire-Magazins "Charlie Hebdo": "Die Medien verlieren aktuell nicht nur Geld, sie verlieren auch Menschen."
Bei der nun geplanten Empfehlung würden auch "Online-Bedrohungen, denen insbesondere Journalistinnen ausgesetzt sind", berücksichtigt. Außerdem will die EU Projekte mit Schwerpunkt auf rechtlicher und praktischer Unterstützung für Journalisten "nachhaltig" finanzieren und den Austausch zwischen Mitgliedstaaten, Interessenvertretern und internationalen Organisationen zu dem Thema fördern.
Auch seien "Leitlinien zur Transparenz des Medieneigentums" und die Förderung einer "transparenten und fairen Zuweisung staatlicher Werbung" geplant. Eingerichtet werden soll beispielsweise ein Pilotprojekt namens "Media Ownership Monitor". Bei der Förderung der Medienvielfalt hebt die EU in ihrem Papier besonders audiovisuelle Medien - etwa Kinos - hervor. Nach Einschätzung der EU-Kommission könnte die "strategische Autonomie des audiovisuellen und Mediensektors der EU" gefährdet sein, weil "Online-Plattformen von Betreibern außerhalb der EU große Marktanteile" gewönnen.
Start von EU-Sonderausschuss
Die EU hat der systematischen Desinformation und anderen Formen der Einflussnahme aus dem Ausland schon länger den Kampf angesagt. Ein Sonderausschuss soll das Thema künftig öffentlich sichtbarer machen – und am Ende helfen, die Probleme auch zu lösen.
Das ist schon über das "Digital Services Act" bekannt
Die genannten Initiativen sollen die Maßnahmen ergänzen, die im Rahmen des Digitale-Dienste-Gesetz (Digital Services Act) kommende Woche vorgeschlagen werden. Dieses Gesetz sieht vor, soziale Netzwerke wie Facebook und Google inhaltlich strenger zu regulieren. Künftig könnte etwa nicht mehr, soviel wurde bereits bekannt, der bisherige freiwillige Verhaltenskodex ausreichen.
Hierzu erklärte der sozialdemokratische Europaabgeordnete Tiemo Wölken in Deutschlandfunk Nova, aktuell würden Plattformen auf eigene Faust entscheiden, wie sie mit illegalen Inhalten umgehen. Für die Zukunft wünsche er sich aber ein möglichst einheitliches Verfahren. Die Meldung von Inhalten müsse begründet und Uploader vor der Löschung informiert werden. Mitgliedsstaaten sollten verpflichtet werden, Schlichtungsstellen einzurichten. Vera Jourova hat zudem angekündigt, dass die Hassrede im Internet auf der Liste der EU-Straftatbestände landen soll.