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Kinostart vor 50 Jahren
Als "Der Pate" nach Deutschland kam

Geplant war die Bestseller-Verfilmung  „Der Pate“ als Low-Budget-Produktion. So engagierte man den unbekannten Regisseur Francis Ford Coppola. Er verwandelte den Roman in ein verstörendes Bild von Amerika – und ein filmisches Meisterwerk. Vor 50 Jahren kam es in die westdeutschen Kinos.

Von Christian Berndt |
Marlon Brando als Vito Corleone im Mafiafilm "Der Pate" von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1972
Marlon Brando als Vito Corleone in "Der Pate" (picture alliance / Mary Evans Picture Library)
Eine sizilianische Hochzeit im New York des Jahres 1945. Der mächtige Mafia-Boss Vito Corleone richtet für seine Tochter ein riesiges Fest aus. Während die Gäste im Garten feiern, sitzt Vito im Haus und empfängt Bittsteller. Zum Beispiel einen Mann, dessen Tochter misshandelt wurde. Die Täter wurden zwar verurteilt - aber nur zu einer Bewährungsstrafe:
„Die beiden wurden freigelassen, noch am selben Tag! Da sagte ich zu meiner Frau: für Gerechtigkeit müssen wir zu Don Corleone.“
„Warum gehst Du zur Polizei, warum kommst Du nicht gleich zu mir?“

Auch Innenminister Hans-Dietrich Genscher kam zur Premiere

Marlon Brando spielt den „Paten“ als allmächtigen Patriarchen, den eine mystische Aura umgibt. Alleine diese Anfangsszene schrieb Filmgeschichte. Regisseur Francis Ford Coppola gelang mit „Der Pate“ ein damals völlig unerwarteter Triumph und der bis dahin erfolgreichste Kinofilm aller Zeiten. Auch der Kinostart in der Bundesrepublik am 24. August 1972 war ein Ereignis, zur Europapremiere in München kam Prominenz vom Hochadel bis zu Innenminister Genscher.
Auch beim deutschen Publikum und der deutschen Kritik kam der Film an,  „Die Zeit“ schrieb: "Eine Saga von klassischem Format, nicht zu Unrecht mit ‚Vom Winde verweht‘ verglichen, ein großes Familienepos mit einem erstaunlich variablen, doch nie atemlosen oder langatmigen Erzählfluss.“

Ford Coppola lehnte zunächst ab

Als das Paramount-Studio Ende der 60er-Jahre die Rechte an dem Bestseller „Der Pate“ erworben hatte und bekannte Namen für die Regie anfragte, gab es nur Absagen. Auf den jungen Regisseur Francis Ford Coppola kam man nicht zuletzt deswegen, weil er italienischstämmig war. Aber zunächst lehnte auch Coppola ab: „Ich fand, dass es ein populärer, auf Sensationen bedachter Roman war, ziemlich billiges Zeug. Deshalb hörte ich mit dem Lesen wieder auf und sagte: forget it.“

Al Pacino kongenial als Pate Junior

Coppola kam aus dem Umfeld der New-Hollywood-Bewegung. Die jungen Autorenfilmer wollten das krisengeschüttelte Hollywood, das 1970 die niedrigsten Kinobesucherzahlen seiner Geschichte erlebte, revolutionieren. Coppola nahm aus Geldnot das Angebot von Paramount schließlich doch an und setzte gegenüber dem Studio, das unbedingt einen Kinoerfolg brauchte, seine künstlerischen Ideen durch. Er bestand zum Beispiel darauf, die Titelrolle dem eigenwilligen Altstar Marlon Brando zu geben, mit dem niemand mehr arbeiten wollte. Und für die Rolle des Paten-Sohns Michael bestand Coppola auf dem unbekannten Al Pacino, der dann im Film als eiskalter Nachfolger seines Vaters brillierte:
„Fredo, du bist mein älterer Bruder, und ich liebe dich. Aber ergreife nie wieder gegen deine Familie für irgendjemand Partei. Nie wieder!“

Die Mafia romantisiert?

Coppola bezeichnete sein Werk als Metapher für den modernen Kapitalismus - mit dem Aufstieg zum Großunternehmen verlieren auch die Corleones ihre Traditionen. Kritiker sahen darin eine Romantisierung der Mafia, und tatsächlich erscheint der alte Pate als gütiger Beschützer, während sein Sohn zum skrupellosen Geschäftsmann mutiert. Coppola verklärt die Corleones unter Führung des alten „Paten“ zu einer Familie, die strikt sizilianischen Traditionen folgt - mit der echten Mafia hatte das nichts zu tun.
Aber der Film soll auch gar nicht die Realität abbilden, vielmehr ist der „Pate“ in seiner kunstvollen Gestaltung eine düster-verfremdete Spiegelung amerikanischer Gegenwart. In der Fortsetzung „Der Pate 2“ wird diese Botschaft noch deutlicher – hier erzählt Coppola aus der Vergangenheit der Corleones um 1920, als der alte „Pate“ treu für Familie und die Nachbarschaft sorgte, und schildert gleichzeitig, wie sein Nachfolger Michael alle Moral dem Geschäft opfert:
„Mike, das ist undurchführbar.“
„Nichts ist undurchführbar.“
„Genauso wenig kannst du den Präsidenten umbringen, es kommt niemand an ihn ran.“
„Wenn etwas sicher ist in diesem Leben, und das hat die Geschichte uns gelehrt, dass du jeden ermorden kannst.“

"Der Pate" - Hollywoods erster Autorenfilm-Blockbuster

Mit seiner Skrupellosigkeit zerstört Michael schließlich die Familie. Coppola sah sein Epos als Parabel auf ein Amerika, das im modernen Kapitalismus seine Moral verloren hat. Die Fortsetzung wurde 1974 noch stürmischer gefeiert, man sprach vom größten Filmkunstwerk seit „Citizen Kane“, und „Der Pate 2“ gewann als erste Fortsetzung einen Oscar für den besten Film. Die Studios investierten nach diesem Erfolg in immer teurere Großfilme, künstlerische Wagnisse wurden damit kaum mehr möglich. Die Zeit der Blockbuster begann. Coppola hat mit dem „Paten“ den ersten Autorenfilm-Blockbuster geschaffen, aber damit das Ende des künstlerischen Aufbruchs in Hollywood eingeläutet.