Mittwoch, 01. Mai 2024

Archiv

Deutsch-chinesische Konsultationen
Die Meinungsunterschiede sind brisanter geworden

In den wirtschaftlichen Beziehungen haben sich die deutschen und die chinesischen Bedürfnisse über viele Jahre hinweg ergänzt. Aber zunehmend werden auch Reibungspunkte deutlich. Mit dem Begriff Innovation etwa verknüpfen beide Seiten unterschiedliche Dinge. Äußerungen zu den Vorgängen in Hongkong verbittet sich China ganz.

Von Klaus Remme | 10.10.2014
    Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt am 10. Oktober 2014 den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang zu den deutsch-chinesischen Gesprächen in Berlin.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang zu den deutsch-chinesischen Gesprächen. (AFP PHOTO / Tobias Schwarz)
    Folgt man der Bundesumweltministerin, dann ist die Zusammenarbeit mit Gesprächspartnern in China problemlos. Barbara Hendricks sieht angesichts der teilweise dramatischen Verschmutzungslage in China Chancen für deutsche Technologie. Ihr Ressort ist eines von zwölf, die an den heutigen Konsultationen beteiligt sind, auf chinesischer Seite sind es sogar 14. Hendricks heute im Morgenmagazin:
    "Ich bin ganz sicher, dass die chinesische Staatsführung und Parteiführung ein hohes Interesse daran hat, den Klimaschutz voranzutreiben, nicht zuletzt im Interesse der eigenen Bürgerinnen und Bürger."
    Lob kam dann für die aus ihrer Sicht vertrauensvolle Zusammenarbeit:
    "Das ist natürlich ganz entscheidend, dass man fachlich, offen, gut zusammenarbeitet. Und das kann ich für unseren Teil sagen: Ja, so geht das."
    Schaut man auf das große Ganze, dann werden doch auch Reibungsflächen sichtbar. Über viele Jahren haben sich deutsche und chinesische Bedürfnisse ergänzt. Egal ob im Maschinenbau, in der Automobilindustrie oder wie jetzt verstärkt im medizinischen Technologiesektor, die Deutschen brachten Know how und bekamen Absatzmärkte. Doch auch wenn die Direktinvestitionen beider Länder nach wie vor steigen, die Zeit traumhafter Wachstumsraten ist vorbei. Peking schützt seine Unternehmen zusehends, Konzerne, die emanzipiert und selbstbewusst nach globaler Präsenz streben. Sebastian Heilmann vom Mercator Institut für China Studien in Berlin:
    "Zur Zeit fühlen sich viele deutsche Unternehmen in China unter Druck, eingeschüchtert von Behörden, zum Beispiel im Zusammenhang mit Anti-Kartell-Verfahren, wo es um wettbewerbsrechtliche Verstöße geht. Das ist ein ganz gravierender Punkt, dass im Grunde Ungleichbehandlung dann den sowieso begrenzten, beschnittenen Marktzugang in China noch weiter erschwert."
    Diese Klagen sind sicher Teil der Tagesordnung, darüber hinaus wird eine breit angelegte Innovationspartnerschaft ins Leben gerufen, über 100 Projekte werden initiiert, Konzerne wie Daimler unterschreiben Milliarden-Aufträge. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass beide Seiten durchaus unterschiedliche Dinge mit dem Begriff Innovation verknüpfen. Sebastian Heilmann:
    "Innovation ist aus chinesischer Sicht ganz knallhart Technologien, die in die Zukunft führen, die neue Wertschöpfung generieren. Die deutsche Seite hat bei Innovationen ein sehr viel umfassenderes Verständnis, was auch eigentlich dem internationalen Zugang entspricht, wozu Innovationen natürlich gehört, Veränderungen im Bildungssystem, Veränderungen im Rechtssystem. Da gibt es große Gegensätze. Und was man jetzt unter dem großen Schirm der Innovationen, dieses Begriffs, gefasst hat, ist im Grunde, alle die Wunschbereiche, die man damit verbindet, in ein Dokument zu bringen."
    Die politischen Meinungsunterschiede sind eher brisanter geworden. Auf deutscher Seite wird in China eine wachsende Zahl von Menschenrechtsverstößen verzeichnet, China wiederum verbittet sich auch nur vorsichtige Äußerungen etwa zu den Demonstrationen in Hongkong als Einmischung in innere Angelegenheiten.