Samstag, 20. April 2024

Archiv

Nach Tod von Dietrich Mateschitz
Das umstrittene Medienerbe des Red-Bull-Chefs

In vielen Nachrufen wird Dietrich Mateschitz nach seinem Tod für seine Leistungen als Unternehmer und Sportförderer gewürdigt. Das Medienengagement des Red-Bull-Gründers kommt meist nur am Rande vor. Dabei war Mateschitz auch hier prägend. Und umstritten bis zum Schluss.

Text: Michael Borgers | Stefan Kappacher im Gespräch mit Anh Tran | 24.10.2022
Nahaufnahme von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz an der Rennbahn Circuit de Catalunya in Barcelona
Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, hier 2019 beim Formel1-Wettkampf in Barcelona (IMAGO / Nordphoto / IMAGO / nordphoto GmbH / Bratic)
Polarisierung war bereits in dem Getränk angelegt, das Dietrich Mateschitz erfunden, vermarktet und das ihn zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht hat. Die einen lieben Red Bull, andere können mit dem süßen Energydrink nichts anfangen. Ähnlich sieht es aus bei den Projekten des mit 78 Jahren an Krebs verstorbenen Österreichers in den Bereichen Medien und Sport.
Beispiel RB Leipzig: Für Kritiker ist der Verein der Inbegriff einer falschen Kommerzialisierung im Fußballsport. Andere feiern Mateschitz für sein Engagement, das den Verein aus der Fünftklassigkeit bis in die Champions League geführt hat.

Servus TV: Mit neuem Kurs zu neuem Publikum

Und auch Servus TV, wie RB Leipzig 2009 gegründet, spaltet die Meinungen. Für die einen ist der österreichische Sender zum Refugium für Meinungsfreiheit geworden. Richard David Precht sprach jüngst von einem „Vorbild“ für deutsche Redaktionen; die Sendung „Talk im Hangar“ sei eine „ausgewogene Talkshow“, lobte Precht in der „NDR-Talkshow“. Mateschitz habe mit Servus TV den „allzu engen Meinungskorridor im deutschen Sprachraum“ aufgebrochen, äußerte sich AfD-Parteichef Tino Chrupalla nun ähnlich.
Servus TV war aus dem Lokalsender Salzburg TV hervorgegangen. „Anspruchsvoll, aber nicht intellektuell, kritisch, aber nicht parteipolitisch, breit gefächert, aber kein Massenprodukt“, hieß es damals von den Machern. Lange Zeit prägten Naturdokus, Sport- und Festivalübertragungen das Programm. Hohe Einschaltquoten erreichte man damit selten, der Sender galt lange als defizitär und stand 2016 sogar vor dem Aus. Mateschitz hatte den Mitarbeitern bereits gekündigt - wohl auch, weil diese einen Betriebsrat gründen wollten.

Mehr zu Servus TV:

Der Betriebsrat kam nicht, Servus TV durfte weitermachen. Und nahm unter einem neuen Senderchef einen neuen Kurs auf, den einige Beobachter als rechtspopulistisch einordneten. Wo dann auch mal Gäste wie Götz Kubitschek und Martin Sellner, wichtige Figuren der Neuen Rechten, eingeladen wurden. Und ab 2020 im Zuge der Corona-Pandemie regelmäßig Verharmloser der Viruserkrankung wie Sucharit Bhakdi, der sich wegen Volksverhetzung bald vor Gericht verantworten muss. Servus TV wurde so zum Lieblingssender der sogenannten „Querdenken“-Bewegung.
Mit dieser inhaltlichen Ausrichtung habe Servus TV in Österreich "eine Nische besetzt", sagte ORF-Medienjournalist Stefan Kappacher im Deutschlandfunk. Mateschitz habe sich persönlich in den Sender eingebracht und dabei "bewusst gegen den sogenannten Mainstream berichterstatten" lassen.

Projekt „Addendum“ scheitert

Mateschitz selbst äußerte sich fast nie öffentlich zu seinen Medienengagements. Eine Ausnahme machte er 2017 zum Start des Projekts „Addendum“. Man wolle „dem Vertrauensverlust in Institutionen, Politik und Medien entgegenwirken, der nicht zuletzt auf einseitige und wegen Ressourcenmangel unvollständige Berichterstattung durch die ‚vierte Säule im Staat‘ zurückzuführen ist“, erklärte Mateschitz in einem seiner raren Interviews mit der „Kleinen Zeitung“.
Eine Hand hält eine in der Mitte geknickte Ausgabe der Zeitschrift "Addendum".
Das Medienprojekt "Addendum" von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz: Schluss nach drei Jahren (imago/ SKATA)
Ein Gespräch, das damals das Nachrichtenmagazin „Focus“ zu der Überschrift bewegte: "Red-Bull-Milliardär auf Feldzug für die 'Wahrheit'" – und zur Frage, ob Mateschitz „Europas Trump“ werden könne. „Ums Geldverdienen geht es ihm in diesem Fall längst nicht mehr. Mateschitz soll sich laut Branchenkennern darauf eingestellt haben, dass sein Portal zunächst Verluste machen wird“, hieß es weiter in der „Focus“-Analyse.
Am Ende waren die Verluste dann aber offenbar doch zu groß: Die mit einer Privatstiftung des Milliardärs finanzierte Plattform wurde gut drei Jahre später wiedereingestellt. Man habe "trotz erheblichen Mitteleinsatzes“ die eigenen Ziele nicht erreicht, teilte Red Bull damals mit.

Und wie geht es weiter für Servus TV?

Nach Mateschitz‘ Tod stellt sich nun die Frage, wie es für die verbliebenen Medienunternehmungen weitergeht. Mit 440 Millionen Jahresumsatz gilt das Red Bull Media House, zu dem auch die Streamingplattform redbull.com gehört, als zweitgrößter Medienkonzern Österreichs. Geld, das laut Analyse der Tageszeitung „Der Standard“ zum größten Teil aus dem Gesamtkonzern selbst stammt. Servus TV sei Mateschitz‘ „Leibsender“ gewesen, heißt es dort, mit ihm selbst als wichtigster Zielgruppe.
„Schon in den vergangenen Jahren wurde spekuliert, Milliardär Mateschitz würde seine Lieblingsmedien wie insbesondere Servus TV mit einer Stiftungslösung absichern – die sich aber auf den ersten Blick im Firmenbuch nicht zeigt“, stellt „Der Standard“ fest – und mutmaßt: „Sollte – kolportiert deutlich zwei- bis dreistelliger jährlicher Millionenaufwand mit Konzernhilfe – für Servus TV zutreffen, müsste eine Stiftung für eine längerfristige Perspektive sehr ordentlich dotiert sein.“
"Dieses Projekt trägt sich nur so lange, wie es jemand machen will", unterstreicht auch Stefan Kappacher vom ORF. In der Medienbranche gebe es aber große Skepsis, dass sich der Fortbestand von Servus TV über mehrere Jahre hinweg garantieren lasse.