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"Die Sparbeschlüsse sind ja in Wirklichkeit nicht umgesetzt worden"

Nur eine harte Umschuldung sowie der Ausstieg aus der Euro-Zone könne Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Die jetzige Strategie der Hilfsgelder böte weiteren Ländern bloß Anreize dafür, auch unter den Rettungsschirm zu schlüpfen.

Frank Schäffler im Gespräch mit Martin Zagatta | 08.11.2011
    Martin Zagatta: In Griechenland soll in diesen Minuten die neue Übergangsregierung vorgestellt werden. Die Betonung liegt noch auf "soll", denn seit sich Premierminister Papandreou endlich zum Abdanken bereit erklärt hat, wird darum gerungen, welche Kompetenzen dieses neue Kabinett überhaupt bekommen soll, wann es wieder abtreten muss und vor allem, wer das Land in dieser Übergangsphase führen soll. Man kann sich vorstellen, mit welch großem Interesse die Finanzminister der EU heute nach Griechenland blicken. Schließlich muss in Brüssel entschieden werden, ob und wann man den Schuldenstaat mit neuen Finanzhilfen versorgt, um ihn vor der Pleite zu bewahren. Bei der Sitzung in Brüssel geht es aber auch schon darum, ob und wie schnell noch mehr Geld vonnöten ist, um möglicherweise Italien zu stützen. Am Telefon ist jetzt der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, der gemeinhin als Euro-Rebell betitelt wird, weil er durchsetzen will, dass seine Partei beziehungsweise der Bundestag den geplanten dauerhaften Stabilitätsmechanismus ESM doch noch ablehnt. Guten Tag, Herr Schäffler.

    Frank Schäffler: Guten Tag!

    Zagatta: Herr Schäffler, lassen Sie uns mit Griechenland beginnen, weil da ja Bewegung gekommen ist in die politische Landschaft. Wie sehen Sie das heute Mittag? Soll man der neuen, der Übergangsregierung eine Chance geben, oder macht das gar keinen Sinn?

    Schäffler: Nein, das macht keinen Sinn. Man sieht ja auch, es wird eine Übergangsregierung gemacht, in drei Monaten ist eine Neuwahl angesetzt oder wird eine Neuwahl angesetzt werden, und wenn dann die Regierung oder die Bevölkerung etwas anderes wählt und derjenige dann sagt, ich setze das nicht weiter um, was machen wir dann? Also ich sage mal, das bringt nichts, wenn man jetzt schlechtem Geld gutes hinterherwirft, sondern entscheidend ist, dass Griechenland jetzt eine harte Umschuldung braucht, mehr als bisher, und gleichzeitig einen Ausstieg aus der Euro-Zone. Das macht sie wieder wettbewerbsfähig und wäre eine Lösung. Jetzt schaffen wir nur andere Anreize, dass andere Länder auch unter den Rettungsschirm schlüpfen und auch teilentschuldet werden wollen.

    Zagatta: Aber die EU – das haben wir ja gerade in dem Bericht unseres Korrespondenten aus Brüssel gehört -, die hat ja die Forderung erhoben, die beiden großen Parteien müssen das unterschreiben, dass sie zu diesen Sparbeschlüssen bereit sind, dass sie hinter den Abmachungen vom letzten Euro-Gipfel stehen. Ist das das falsche Vorgehen? Nutzt das gar nichts mehr?

    Schäffler: Na ja, wir können jetzt nicht von außen die Griechen zwingen, etwas zu tun, sondern sie müssen das selbst wollen. Und wenn man jetzt die ersten eineinhalb Jahre der Griechenland-Hilfen anschaut, dann ist eben nichts eingetreten, was versprochen wurde, denn auch die Sparbeschlüsse sind ja in Wirklichkeit nicht umgesetzt worden, sondern Griechenland gibt ja mehr Geld aus als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres. Auch das Defizit ist größer als geplant und Griechenland wird eben sehr wahrscheinlich in diesem Jahr wieder ein zweistelliges Defizit haben. Also es wird nichts besser, sondern alles noch schlimmer.

    Zagatta: Was auffällt ist aber jetzt der härtere Umgang der EU mit Griechenland. Haben Sie den Eindruck, dass da jetzt Klartext gesprochen wird, und vertrauen Sie nicht darauf, dass der Druck etwas bewirkt?

    Schäffler: Ich will nicht sagen, dass der gar nichts bewirkt, aber es ist ja nicht so, dass wir im letzten Jahr keinen Druck ausgeübt haben, ganz im Gegenteil. Die Rhetorik ist immer die gleiche. Sie verschärft sich jetzt ein wenig, dass man sagt, Griechenland muss dann alternativ aus dem Euro austreten. Das war vor einem Jahr noch antieuropäisch, wenn man so etwas formuliert hat; inzwischen wird das von der Bundeskanzlerin und auch von meinem Parteichef durchaus in den Mund genommen. Also daran sieht man, dass man realistischer die Griechenland-Krise inzwischen betrachtet. Es gibt eigentlich nur zwei Wege: Entweder man monetarisiert die Schulden in Europa und hält Griechenland dauerhaft am Tropf, dauerhaft am Tropf, eine Generation am Tropf, oder man entlässt Griechenland aus der Euro-Zone und schuldet hart um und hilft anschließend. Die beiden Alternativen gibt es und wir wursteln uns eigentlich nur derzeit durch und glauben, man könnte ein Rettungspaket nach dem anderen beschließen und das würde helfen.

    Zagatta: Über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, Herr Schäffler, kann man ja vielleicht reden. Aber was passiert, wenn Italien ins Straucheln kommt, und danach sieht es ja im Moment aus? Ist dann die Euro-Zone am Ende, oder wie geht man damit um aus Ihrer Sicht?

    Schäffler: Ja, Italien ist natürlich ein ganz anderes Problem. Aber Italien hat natürlich auch viel mehr Chancen, durch eigene Reformen aus seinen Problemen herauszukommen. Italien hat vor der Euro-Einführung durchschnittliche Zinsen von neun Prozent bezahlt und jetzt zahlen sie durchschnittliche Zinsen von sechs Prozent. Also das ist immer noch besser als vor der Euro-Einführung. Und wenn Italien wirklich spart und auch in seiner Bevölkerung Vertrauen schafft für diesen Reformprozess, dann kaufen auch die Italiener wieder italienische Staatsanleihen. Die sind ohnehin die größten Halter italienischer Staatsanleihen und deshalb ist das Problem Italiens anders gelagert als das Griechenlands.

    Zagatta: Und da wären auch Hilfsgelder aus der EU oder woher auch immer, aus dem Euro-Raum oder von sonst wo, angebracht?

    Schäffler: Nein, natürlich nicht, denn das ist ein Verstoß gegen die No-Bail-out-Klausel. Die Hilfsgelder, die entschärfen die Krise nicht, sondern verschärfen sie. Es nimmt den Druck, in Italien Reformen einzuleiten. Als die EZB rechtswidrigerweise Staatsanleihen Italiens aufgekauft hat, hat der Spardruck auf den italienischen Haushalt nachgelassen, sofort nachgelassen. Das heißt, die einzige Schuldenbremse, die zurzeit funktioniert, sind steigende Anleihenzinsen in Europa. All die Lyrik, die verbreitet wird, wir müssten jetzt Schuldenbremsen überall einführen, das hat in der Vergangenheit schon nicht funktioniert. Das einzige was funktioniert, ist der Druck der Anleihenmärkte auf die Staaten, endlich ihre Reformen einzuleiten.

    Zagatta: Wie sehen Sie das jetzt? Den Mitgliederentscheid, den Sie ja durchgesetzt haben, den finden die FDP-Mitglieder heute im Briefkasten. Wie schätzen Sie denn Ihre Chancen heute ein?

    Schäffler: Sehr gut. Wir haben viele Veranstaltungen schon gehabt und da ist die Stimmung sehr in unsere Richtung und ich bin sehr optimistisch, dass wir am Ende siegen werden, weil die Bevölkerung ja ganz klar die Rettungsschirmpolitik, die ja eine Schuldenschirmpolitik ist, ablehnt, und so ist es eigentlich auch in der Mitgliedschaft der FDP.

    Zagatta: Wenn Sie sich da durchsetzen, was passiert dann? Glauben Sie dann, dass Ihre Parteiführung oder Ihre Fraktionskollegen sich dann an diesen Mitgliederentscheid halten, halten müssen?

    Schäffler: Na ja, ich glaube schon, dass der Parteivorsitzende dann versuchen muss, diesen Beschluss umzusetzen im Koalitionsausschuss und in der Elefantenrunde unter dem Parteivorsitzenden. Das ist seine Aufgabe dann. Also insofern bin ich da ganz optimistisch, dass er das auch machen wird.

    Zagatta: Aber entscheiden wird sich das doch letztendlich im Bundestag, und das können Sie Ihren Kollegen ja nicht vorschreiben, die sind ja da an keine Weisungen gebunden.

    Schäffler: Das stimmt. Also ich glaube ja, dass es dann gar keinen Gesetzentwurf gibt, weil Philipp Rösler dem dann in der Koalitionsrunde nicht zustimmen kann, und dann gibt es keinen gemeinsamen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag. Aber selbst wenn es das gäbe, bin ich der Auffassung, dass bei so einer zentralen Frage der Abgeordnete natürlich nach seinem Gewissen entscheiden muss und unabhängig entscheiden muss. Da darf es keinen Fraktionszwang geben, sondern das ist eine historische Entscheidung, die, sage ich mal, sehr weitreichende Folgen für die nachfolgende Generation hat, die Auswirkungen auf unser Sparvermögen von uns allen hat. Am Ende wird das zur Inflation führen und da muss jeder Abgeordnete nach seinem Gewissen entscheiden dürfen.

    Zagatta: Herr Schäffler, der sogenannte CDU-Abweichler Bosbach, der hat sich ja bitter beschwert über den Umgang in seiner Partei, über den Druck, dem er da ausgesetzt wurde. Wie ist das bei Ihnen in der FDP? Wurden Sie irgendwelchem Druck ausgesetzt?

    Schäffler: Nein. Wir haben ja eine breite Unterstützung von fast 4000 Initiatoren, Antragstellern, die diesen Basisantrag, den wir formuliert haben, unterstützt haben, und das zeigt eben, dass wir eine starke Rückendeckung an der Basis der FDP haben, und das weiß natürlich auch die Parteiführung und geht entsprechend mit uns um.

    Zagatta: Freuen Sie sich denn da jetzt auch über die Unterstützung des früheren BDI-Chefs Olaf Henkel, der ja mit der Gründung einer neuen, einer EU-kritischen Partei liebäugelt und der die Liberalen jetzt zu einem Kurswechsel aufgefordert hat und ganz ausdrücklich zur Unterstützung von Frank Schäffler? Freut Sie das?

    Schäffler: Also mich freut, dass er aufruft, die FDP-Mitglieder aufruft, unseren Antrag zu unterstützen. Was ich nicht will ist, eine neue Partei gründen. Das halte ich für völlig falsch. Es ist viel einfacher und viel besser, wenn man die FDP wieder auf Kurs bringt, auf ihren marktwirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Kurs zurückbringt. Dann wird die FDP auch wieder Erfolge haben und auch wieder Wahlen gewinnen. Das ist mein Ziel.

    Zagatta: Und eine neue Partei stünde für Sie auch nicht zur Frage, wenn Sie da jetzt den Kürzeren ziehen?

    Schäffler: Nein! Das ist für mich eine Sachfrage und ist jetzt keine grundsätzliche Frage in dem Sinne, dass ich dann meine eigene Partei, der ich 24 Jahre angehöre, verlassen werde. Ganz im Gegenteil: Ich werde weiter für meine Positionen streiten.

    Zagatta: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Herr Schäffler, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Schäffler: Ich danke auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Weitere Beiträge zum Thema:

    Aktuell vom 8.11.2011

    Interview mit Martin Knapp von der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer

    Interview mit FDP-Finanzpolitiker Wolf Klinz

    Diskussion um die Übertragung von Sonderziehungsrechten zur Euro-Rettung (Wirtschaft am Mittag vom 7.11.11)

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