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Dobrindt: Linkspartei darf nicht in eine Opferrolle gebracht werden

Alexander Dobrindt hält an seinem Vorstoß fest, ein Verbotsverfahren gegen die Linke zu erwägen. Wenn man eine Partei beobachte, dann dürfe man auch nicht ausschließen, dass am Ende einer Beobachtung auch ein Verbotsverfahren stehen könne, sagte der CSU-Generalsekretär. Außerdem forderte er ein gerechteres System im Länderfinanzausgleich.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Kopfschütteln und Kritik, das waren die häufigsten Reaktionen, die CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt für seinen Vorstoß kassierte, die Partei Die Linke nicht nur vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, sondern gleich ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. Linke-Chef Klaus Ernst bezeichnete den CSU-General daraufhin als "politischen Quartalsirren" und selbst Parteifreunde wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gingen vorsichtig auf Distanz. Und am Wochenende bezog jemand Position, der letztlich mit darüber befinden könnte, ob die Linke verboten wird oder nicht, nämlich der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof. "Man liest die Zeitung und wundert sich", sagte er mit der gebotenen Zurückhaltung in einem Interview der "Welt am Sonntag". – Ob er jemals zuvor eine so elegante Watsche für einen politischen Vorschlag kassiert habe, das habe ich vor der Sendung Alexander Dobrindt gefragt.

    Alexander Dobrindt: Wenn man beobachtet, was in der Linkspartei an Äußerungen auch in den letzten Wochen und Monaten immer wieder entstanden ist, dann kann man gut nachvollziehen, dass diese Partei beobachtet wird vom Verfassungsschutz, und ich habe deutlich darauf hingewiesen, dass es mir darum geht, auch diese Beobachtung weiterhin aufrecht zu erhalten, sie möglicherweise sogar zu intensivieren. Und wenn man eine Partei beobachtet, dann darf man am Schluss auch, um Glaubwürdigkeit zu behalten, nicht ausschließen, dass am Ende einer Beobachtung auch ein Verbotsverfahren stehen kann. Um nichts anderes geht es, sondern es geht darum, glaubwürdig diejenigen, die sich in Teilen auch verfassungsfeindlich äußern, zu beobachten und ihnen schon den Hinweis zu geben, dass man nicht alles tolerieren darf, was geschrieben und gesagt wird.

    Kapern: Aber wenn der Vizepräsident des Verfassungsgerichts dazu sagt, man liest die Zeitung und wundert sich, dann kann man da herauslesen, dass er das für eine Schnapsidee hält, und das Bundesverfassungsgericht muss am Ende des Tages darüber entscheiden. Wäre es dann nicht klüger, diesen Vorschlag vom Tisch zu nehmen?

    Dobrindt: Ich weiß nicht, was er im Detail alles gelesen hat und worüber er sich im Detail alles wundert, und ich würde mal sagen, dass er eigentlich ja sich anschauen muss, was das Bundesverwaltungsgericht selber gesagt hat in seinen Entscheidungen, und das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Linkspartei beobachtet werden darf vom Verfassungsschutz, dass es nicht nur wichtig, sondern gut ist, ...

    Kapern: Aber das sagt ja noch nichts über ein Verbotsverfahren.

    Dobrindt: ... , und dann sind wir wieder an dem Punkt. Wer heute beobachtet, der muss auch, um Glaubwürdigkeit zu haben, sagen können, natürlich kann am Ende einer Beobachtung auch ein Verbotsverfahren stehen. Aber wir sind in der Phase der Beobachtung, darum geht es jetzt.

    Kapern: Aber beunruhigt es Sie nicht, dass Sie nicht einmal die Unterstützung Ihrer eigenen Partei dafür haben? Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende, will von diesem Vorschlag nichts wissen, Bundesinnenminister Friedrich ist auch mehr als zurückhaltend.

    Dobrindt: Wissen Sie, die Auseinandersetzung, die man an der Stelle führen muss, ist, dass man es der Linkspartei nicht einfach macht, jetzt sich mit einem alt bekannten Thema, nämlich dass sie beobachtet wird vom Verfassungsschutz und dies aus guten Gründen, dass man es ihr jetzt nicht leicht macht, sich in eine Opferrolle zu bringen, in der sie überhaupt nicht sein darf. Die Linkspartei hat in ihren Teilen Bestrebungen und sie hat natürlich auch Organisationsformen wie die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum, die sich ja ganz offen von unserem Grundgesetz abwenden, die sehr deutlich Formulierungen pflegen, dass sie auf dem Weg zum Kommunismus sein wollen, dass sie in Deutschland den Kommunismus einführen wollen, dass die DDR nicht Vergangenheit ist, sondern unsere Zukunft sein muss, und ich glaube, wer solche Äußerungen macht, wer es sogar zulässt und fördert, dass in seiner eigenen Partei es solche Organisationsstrukturen gibt, der muss sich auch gefallen lassen, dass er beobachtet wird.

    Kapern: Klaus Ernst, der Vorsitzende der Linkspartei, sagt, diese Strömungen, die Sie gerade angesprochen haben, sind bedeutungslos innerhalb der Partei, jedenfalls ohne großen Einfluss. Das heißt, Sie schießen mit der großen Kanone auf Spatzen?

    Dobrindt: Ein Drittel des Parteivorstands der Linkspartei sagt, dass er Mitglied eines dieser extremistischen Plattformen oder Foren sei. Das scheint mir relativ erheblich zu sein, wenn dies ein Drittel ist, und ich frage mich auch, warum die Mitgliedszahlen – die werden ja veröffentlicht – von diesen Plattformen ständig steigen innerhalb der Linkspartei, man aber die Namen nicht erfährt, selbst die Vorstände man nicht erfährt.

    Kapern: Woher wissen Sie dann, dass es ein Drittel des Vorstands ist?

    Dobrindt: Die Linkspartei selber sagt von sich, ein Drittel des Vorstandes sind Teil dieser Plattformen. Sie sagt aber nicht, wer innerhalb dieser Plattformen eine führende Rolle hat, sondern nur, wer der jeweilige Sprecher ist. Ich glaube, das sind alles Gründe, die nahelegen, dass man sich das zumindest, was darüber geschrieben und gesagt wird, anschaut.

    Kapern: Im Programm der Linkspartei, das demnächst verabschiedet werden soll, wird der demokratische Sozialismus als Ziel des politischen Wirkens der Partei ausgegeben. Ist demokratischer Sozialismus verfassungsfeindlich?

    Dobrindt: Wenn man darauf hinweist, dass man die DDR nicht als Vergangenheit sieht, sondern die DDR als Zukunft sieht für das Modell Deutschland, dann weist das sehr deutlich darauf hin, dass es Bestrebungen gibt, die weit über das, was im Grundsatzprogramm der Linkspartei offen formuliert wird, an Gedankengut hinausgehen.

    Kapern: Der Vizepräsident des Verfassungsgerichts sagt, das Grundgesetz legt keine Wirtschaftsordnung fest. Darf eine Partei versuchen, den Kapitalismus zu überwinden?

    Dobrindt: Kommunismus ist keine Wirtschaftsordnung, es ist eine Gesellschaftsordnung, die mit Unterdrückung, Entrechtung, Unfreiheit arbeitet, und deswegen ist sie natürlich verfassungsfeindlich.

    Kapern: Das heißt, wenn die Linkspartei den demokratischen Sozialismus anstreben würde, mit dem Ziel, den Kapitalismus zu überwinden, wäre sie verfassungskonform Ihrer Meinung nach?

    Dobrindt: Die Linkspartei versucht ja in ihren Teilen etwas ganz anderes. Sie versucht, eine Gesellschaftsform einzuführen, die wir jahrzehntelang in Teilen Deutschlands hatten, nämlich in der DDR und in anderen Ländern, und ich glaube, wir tun gut daran, dass wir denjenigen, die genau jetzt das alles beschönigen wollen, was damals passiert ist, dass wir denjenigen sagen, wir werden darauf achten, dass so etwas nie wieder geschieht und dass diejenigen, die das zu verantworten haben, auch in Deutschland keine Chance bekommen, wieder in Machtpositionen zu gelangen.

    Kapern: Noch kurz zu einem anderen Thema, Herr Dobrindt. Sie haben angekündigt, Bayern werde gegen den Länderfinanzausgleich klagen, wenn man auf dem Verhandlungswege mit den Nehmerländern nicht zu einer besseren Regelung kommt. Warum will Bayern eine Regelung abschaffen, der das Land, die Regierung Bayerns selbst zugestimmt hat, nämlich Länderfinanzausgleich, wie er derzeit gilt, bis 2019?

    Dobrindt: Wir haben ja in diesen Vereinbarungen von allen verlangt, dass sie Anstrengungen unternehmen, aus einer Nehmersituation herauszukommen, zumindest langfristig eine Verbesserung ihrer Finanzsituation zu erreichen. Wir stellen heute fest, dass sich einige überhaupt nicht bemühen. Wenn man zum Beispiel Nordrhein-Westfalen anschaut, dann werden dort Milliardenbeträge, vier Milliarden an neuen Schulden aufgenommen, nur um die Zinsen zu bezahlen für die alten Schulden. Dass wenn man jedes Jahr neue Schulden aufnimmt, um die Zinsen der alten Schulden zu bezahlen, das nicht ewig gut gehen kann und man da ganz offen auf einen Verfassungsbruch hinausläuft, ist jedem Beobachter heute klar.

    Kapern: Die Neuverschuldung in den nordrhein-westfälischen Landeshaushalten sinkt aber derzeit von Jahr zu Jahr.

    Dobrindt: Von sieben Milliarden auf vier Milliarden ist in der Tat etwas weniger, aber trotzdem natürlich eine dramatische Zunahme der Gesamtverschuldung in Nordrhein-Westfalen, die dazu führt, dass die Schuldenbremse, die auch von NRW mit vereinbart worden ist, nicht eingehalten werden kann. Das ist jetzt schon erkennbar. Und wer sich so offen auch gegen die Vereinbarung stellt, der muss akzeptieren, dass wir als die größten Geber in Deutschland nicht nur Zweifel anmelden, sondern sagen, da ist die Grundlage der Vereinbarung gestört und deswegen wollen wir eine Veränderung haben. Die Zahlen sind ja deutlich: 3,7 Milliarden Euro zahlt Bayern in den Länderfinanzausgleich ein, das ist mehr als die Hälfte des ganzen Geldes, was dort umverteilt wird. Dass es kein gesundes Verhältnis ist, wenn nur noch drei einzahlen und alle anderen davon profitieren, das kann man, glaube ich, jedem sehr leicht erläutern.

    Kapern: Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, weist darauf hin, dass Nordrhein-Westfalen in der Landesgeschichte drei Jahre lang Nehmerland war und ansonsten überwiegend auf der Geberseite und dass insbesondere Bayern jahrzehntelang davon profitiert hat. Stiehlt sich Bayern immer dann aus der Verantwortung, wenn es gilt, zu geben und nicht nur zu nehmen?

    Dobrindt: Bayern hat bis Mitte der 80er-Jahre profitiert in einer Gesamtsumme von dreieinhalb Milliarden, summiert über all die Jahre hinweg, hat jetzt schon mehr als das Elffache dieser Summe zurückbezahlt in den Länderfinanzausgleich. Jedes Jahr legen wir in Zukunft noch mal die gleiche Summe drauf, die wir überhaupt jemals bekommen haben, und wir sind ja das beste Beispiel, dass man, wenn man sich anstrengt, wenn man etwas unternimmt, in der Lage ist, aus einer Nehmersituation herauszukommen in eine Gebersituation, und das genau fordern wir von allen anderen auch ein. Da sind wir solidarisch, aber ich würde dringend dazu raten, dass die ungerechten Systeme, die mit Solidarität nicht zu erklären sind – und das ist eben der Länderfinanzausgleich -, dass die auf den Prüfstand kommen. Bei anderen Systemen sind wir solidarisch, auch wenn wir wissen, dass wir mehr einbezahlen müssen, als wir in Bayern herausbekommen, aber ein gerechtes System jetzt im Länderfinanzausgleich, der als Anreiz dient für die Länder, die die Nehmerländer sind, und nicht am Schluss noch dazu führt, dass sie sich bequem auf der Couch zurücklegen können, weil das Geld aus Bayern ja weiter kommt, ich glaube, da könnte man zu einem Ergebnis kommen. Wenn man das nicht will, dann wird das Verfassungsgericht darüber entscheiden.

    Kapern: Ein Gespräch mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, das wir vor der Sendung aufgezeichnet haben.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.