Keine Teams, keine Militärangehörige und keine Sportlerinnen und Sportler, die den Krieg in der Ukraine unterstützen – das sind die ersten Bedingungen, die IOC-Präsident Thomas Bach nennt, als es Ende März um die Rückkehr von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten geht. An fünfter Stelle kommt Bach bei der Pressekonferenz auf Doping zu sprechen:
„Jeder einzelne neutrale Athlet muss – wie alle anderen Teilnehmer – alle Anforderungen erfüllen, die in den Anti-Doping-Regeln stehen, besonders in denen der internationalen Sportverbände.“
Das Misstrauen in der Sportwelt gegenüber Russlands Anti-Doping-Bemühungen ist seit den Dopingskandalen der Vergangenheit groß. ARD-Dokumentationen und Untersuchungen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatten ab 2014 gezeigt, dass es in Russland ein staatlich organisiertes Doping-System gegeben hatte.
Unter anderem hatte der russische Geheimdienst FSB dabei geholfen, Doping-Proben zu manipulieren und dies dann zu vertuschen. Die Enthüllungen haben dafür gesorgt, dass die RUSADA, die russische Anti-Doping-Agentur, von der WADA gesperrt wurde.
Dopingkontrollen auch während des Krieges
Die RUSADA konnte zwar weiter auf nationaler Ebene Dopingtests durchführen. Athletinnen und Athleten, die international antreten wollten, mussten aber durch international anerkannte Labore getestet werden. Und die WADA betont auf Deutschlandfunk-Anfrage, dass die Tests trotz des Krieges fortgesetzt werden.
Russische Athleten werden weiterhin von ihrer Nationalen Anti-Doping-Organisation RUSADA und den zuständigen internationalen Verbänden bzw. der ITA, der Dopingagentur, die im Namen einiger internationaler Sportfachverbände handelt, kontrolliert.
Gemeint ist die International Testing Agency. Die ITA kooperiert mit etwa 60 internationalen Verbänden, dem IOC und anderen Veranstaltern von Sport-Großereignissen.
„Für unsere Partner führen wir derzeit kontinuierlich Dopingkontrollen bei russischen Athleten durch, wobei es sich um Kontrollpersonal von privaten Probeentnahme-Agenturen handelt, die in Europa ansässig sind und von denen die meisten von der ITA zertifiziert sind", erklärt ITA-Kommunikationschefin Marta Nawrocka. "Wir führen keine Test-Mission mit der russischen Nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA durch.“
Russische Proben werden in Anti-Doping-Laboren in Europa untersucht
Die RUSADA habe auch keinen Einfluss auf die Analyse der Blut- und Urinproben: „Derzeit gibt es in Russland kein Labor mit einer Akkreditierung für die Doping-Analysen durch die Welt-Anti-Doping-Agentur. Die Proben russischer Sportlerinnen und Sportler werden daher in anderen akkreditierten Anti-Doping-Laboren in Europa untersucht."
Die Testprogramme, die die ITA an russischen Athletinnen und Athleten für ihre Partner durchführe, könne man momentan im Einklang mit den festgelegten Risikobewertungen umsetzen.
„Sowohl in 2021 als auch 2022 zählten diese Athleten zu den drei am häufigsten von der ITA getesteten Nationalitäten", so Nawrocka.
Ähnlich läuft es beim Leichtathletik-Weltverband. Deren Athletics Integrity Unit AIU testet die international startenden russischen Sportler, derzeit sind 16 Eliteathleten im Testpool. Auch die AIU arbeitet mit europäischen Kontrollfirmen zusammen. Die anderen Leichtathleten werden von der RUSADA kontrolliert. Auch hier werden die Proben außerhalb von Russland analysiert.
"Die Urinproben werden in WADA akkreditierten Laboren in Westeuropa - Belgien, Deutschland, Schweiz - analysiert. Blutproben werden vor allem wegen der zeitlichen Beschränkungen bei der Untersuchung von Blut in dem von der WADA akkreditierten Labor in der Türkei analysiert", teilt die AIU schriftlich mit.
Dopingsperre gegen russischen Leichtathletik-Verband aufgehoben
Der russische Leichtathletik-Verband hat zudem Reformen im Anti-Doping-Kampf umgesetzt. Der Welt-Leichtathletik-Verband hatte den russischen Verband 2015 gesperrt. Jetzt gebe es eine Kultur guter Führung und Nulltoleranz gegenüber Doping, so der Leiter der Russland-Task Force.
Der Weltverband hat die Dopingsperre daher nach sieben Jahren aufgehoben. Der russische Verband hat aber 35 Auflagen bekommen, die er in den nächsten drei Jahren einhalten muss.
Neben den Dopingkontrollen werden auch andere Instrumente des Anti-Dopingkampfes gegen russische Athleten eingesetzt, erklärt ITA-Kommunikationschefin Marta Nawrocka.
„Wie zum Beispiel das Führen des biologischen Athletenpasses, investigative Aktivitäten oder die Überwachung des Aufenthaltsorts, die sogenannten Whereabouts.“
RUSADA weiterhin von der WADA nicht anerkannt
Bis das Anti-Doping-System in Russland wieder komplett rehabilitiert ist, wird es hingegen noch dauern. Die Sperre gegen die RUSADA ist zwar am 17. Dezember 2022 offiziell abgelaufen. Die WADA betont aber, dass die RUSADA weiter „non-compliant“ sei, also nicht die Bedingungen erfüllt, um als nationale Anti-Doping-Agentur von der WADA anerkannt zu werden.
Um "compliant" zu werden, müsse die RUSADA noch einige Bedingungen erfüllen. Beispielsweise Geldstrafen begleichen und Dopingdateien aus dem Moskauer Labor unverfälscht übermitteln. Der Wiedereingliederungsprozess habe gerade erst begonnen, sagt WADA-Präsident Witold Banka im ARD-Fernsehen beim Meeting zur Wiedereingliederung der RUSADA im Dezember vergangenen Jahres.
„Fakt ist, das Vertrauen in Russlands Anti-Doping-System ist extrem niedrig, um es diplomatisch auszudrücken. Der Prozess der Wiedereingliederung endet natürlich nicht am 17. Dezember.“
Bis zur Wiederherstellung des Compliance-Status haben deshalb nur international getestete russische Sportler die Chance, an Großereignissen wie Olympia teilzunehmen.