Sonntag, 28. April 2024

Offener Brief
Drogen- und Suchtexperten rufen Bundesrat auf, das Cannabis-Gesetz nicht zu verzögern

Mehr als 40 Sucht- und Drogenexperten haben an den Bundesrat appelliert, das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes nicht zu verzögern.

09.03.2024
    Eine Hand mit einem Joint
    "Ich sage Ihnen, ich habe keine Lust, meine Polizisten mit so einem Scheiß zu beschäftigen." (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
    In einem offenen Brief sprechen die Juristen, Psychologen und Sozialwissenschaftler von einem wichtigen Vorhaben für die öffentliche Gesundheit, den Jugendschutz und die soziale Gerechtigkeit. Der Konsum von Cannabis wie auch der von anderen Drogen sei ein Thema für die Gesundheits- und Sozialpolitik, nicht für die Innen- beziehungsweise die Kriminalpolitik. Die Fachleute fordern ein grundsätzliches Umschwenken von einer vor allem strafrechtlich-sanktionierenden hin zu einer präventiven und gesundheitsfördernden Perspektive.
    Die Experten gehen davon, dass das die Regelungen des Cannabis-Gesetzes - anders als von Vertretern der inneren Sicherheit angemerkt - vielfach gar nicht von Sicherheitskräften kontrolliert werden muss. Die meisten Konsumenten dürften sich sozial kompatibel verhalten, heißt es mit Blick auf die Einhaltung der Abstandsgebote etwa an Schulen oder bei der erlaubten Anzahl von Pflanzen beim Eigenanbau. Es gebe keinen Grund, weshalb Polizei und andere Ordnungsbehörden ohne Anlass Kontrollen durchführen sollten. Insbesondere NRW-Innenminister Reul, CDU, hatte sich dahingehend geäußert. Im ARD-Fernsehen sagte er: "Die Polizisten werden auf der Straße sein und feststellen müssen: Ist das legaler Handel, ist das illegaler Handel, wurden drei Gramm zu viel angebaut, haben die noch 'ne Oma zu Hause, die auch noch anbauen durfte? Ich sage Ihnen, ich habe keine Lust, meine Polizisten mit so einem Scheiß zu beschäftigen."

    "Mittelfristig ist mit einem deutlich geringeren Aufwand für die Strafverfolgung zu rechnen"

    Weiter betonen die Unterzeichner des offenen Briefs, dank des Gesetzes werde die große Mehrheit der Anzeigen wegen reiner Besitzdelikte entfallen. Mittelfristig sei daher mit deutlich geringerem Aufwand für die Strafverfolgung zu rechnen. Hinzu komme, dass der illegale Markt um einen "erheblichen Teil" reduziert werde. Bis zu zehn Prozent der Deutschen erwögen, nach der Legalisierung Cannabis-Pflanzen selbst anzubauen.
    Einige der Unterzeichner sind Mitglieder im sogenannten Schildower Kreis. Dabei handelt es sich um ein Expertennetzwerk, das sich seit Jahren für Alternativen zur repressiven Drogenpolitik einsetzt. Vor der Abstimmung im Bundestag hatten viele der Unterzeichner bereits in einem offenen Brief an Abgeordnete für das Cannabis-Gesetz der Koalition aus SPD, Grünen und FDP geworben.

    Bundesrat soll am 22. März entscheiden

    Der Bundestag hatte die Teillegalisierung von Cannabis im Februar beschlossen. Volljährigen soll demnach ab April schrittweise ein begrenzter Besitz und Anbau von Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt sein. Das Gesetz kommt voraussichtlich am 22. März abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es nicht. Die Länderkammer könnte aber den Vermittlungsausschuss anrufen und das Inkrafttreten hinauszögern. Von dort hieß es zuletzt, die erforderlichen Umstellungen seien bis April nicht möglich.
    Gänzlich abgelehnt wird das Gesetz unter anderem von Medizinverbänden und Teilen der Opposition. CDU und CSU hatten jüngst argumentiert, dass Deutschland mit der Legalisierung auch gegen das Völker- und das Europarecht verstoße. Indes begrüßen zahlreiche Verbände den Beschluss der Bundesregierung im Grundsatz.

    Weitere Informationen

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    Interview - Klaus Reinhardt, Präsident Bundesärztekammer
    Diese Nachricht wurde am 05.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.