Mittwoch, 17. April 2024

Cannabis-Legalisierung
Nun ist das Hanf frei

Der Konsum von Cannabis ist jetzt in Deutschland legalisiert - im privaten Rahmen und für Vereine. Was das genau bedeutet und welche Kritik es daran gibt: ein Überblick.

01.04.2024
    Cannabispflanze vor rosa Hintergrund.
    Die Politik hat lange gerungen, jetzt ist sie da: Die Cannabis-Legalisierung. Auch zu Hause im Wohnzimmer darf nun eine Cannabis-Pflanze stehen. (imago/ Zoonar / Ivan Stajkovic)
    Seit dem 1. April ist die bisher verbotene Droge Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen für Erwachsene freigegeben. Doch die Teillegalisierung von Cannabis ist umstritten. Vor allem die CDU wollte diese verhindern und hoffte, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würde das Gesetz nicht unterzeichnen und so stoppen. In der SPD-Fraktion gab es ebenfalls Widerstand gegen die Pläne. Vergeblich.

    Überblick

    Was sieht das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis vor?

    Es ist eine Legalisierung mit vielen Einschränkungen: Ab 18 Jahren ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum erlaubt. Zuhause darf man bis zu 50 Gramm Cannabis haben und drei „weibliche blühende Pflanzen“ anbauen. Dazu gibt es eine streng geregelte Abgabe von Cannabis über bestimmte Clubs:
    • „Nicht-gewinnorientierte“ Cannabis-Clubs dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Pro Person dürfen maximal 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm innerhalb eines Monats abgegeben werden. Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren bekommen allerdings maximal 30 Gramm pro Monat. Der Gehalt des Rauschmittels THC darf bei ihnen nicht über zehn Prozent liegen.
    • Die Clubs dürfen maximal 500 Mitglieder ab 18 Jahren haben. Gefordert wird zudem ein strenger Gesundheits- und Jugendschutz.
    • In den Cannabis-Clubs darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten.
    In der Öffentlichkeit bleibt Kiffen im Umkreis von 200 Metern von Schulen, Kitas, Spielplätzen, Jugendeinrichtungen und Sportstätten verboten. Auch in Fußgängerzonen ist zwischen 7 und 20 Uhr kein Konsum erlaubt.
    Zwei kleine Platiktütchen mit Marijuana.
    Bis zu 25 Gramm Cannabis darf ein Erwachsener nun straffrei besitzen. (Getty Images / fStop / Norman Posselt)
    Werbung für Cannabisprodukte ist untersagt, Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) werden rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft.
    Im nächsten Schritt soll es regional begrenzte "Modellvorhaben" geben, in denen kommerzielle Lieferketten getestet und wissenschaftlich untersucht werden sollen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen der EU zugänglich gemacht werden. Ziel sei es, mittelfristig in Europa Unterstützer für eine "progressive Cannabis-Politik" und entsprechende Änderungen des EU-Rechts zu finden, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

    Flankierende Präventionsarbeit

    Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen zudem ausgebaut werden. Begleitend sollen Daten zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabis-Freigabe erhoben und analysiert werden. Zeitnah sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden, vor allem mit Blick auf den Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz sowie Organisierte Kriminalität.

    Welche Reaktionen gibt es?

    Statt Konsumentinnen und Konsumenten zu kriminalisieren, ließe sich der Schwarzmarkt mit einer Legalisierung eindämmen, lautet ein Argument für eine liberalere Drogenpolitik. Auch könnten so Ressourcen bei der Strafverfolgung frei werden, die besser in die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität investiert würden.
    Rund 30 Forschern und Fachleuten zufolge, die sich im Vorfeld in einem Schreiben an Abgeordnete des Bundestages gewandt haben, deuten Erfahrungen aus anderen Ländern darauf hin, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben wird.
    Kritiker befürchten dagegen eine Verharmlosung der Droge und steigenden Konsum, gesundheitsschädliche Folgen sowie vermehrte Cannabis-Abhängigkeit. In einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser haben sich alle Innenminister der Länder parteiübergreifend gegen das Gesetz ausgesprochen. Es handele sich um einen "Freibrief für illegalen Handel mit Cannabis". Der Markt werde dadurch noch größer und für kriminelle Dealer attraktiver.

    Kritik aus der Union

    In der Union gibt es schon lange vor allem kritische Stimmen. Die Legalisierung einer Droge lasse sich nicht mit dem Schutz der Jugend vereinbaren, rügt die CDU-Abgeordnete Melanie Bernstein. Bei der Entscheidung im Bundestag bestand die Union auf einer namentlichen Abstimmung, und hoffte darauf, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz nicht unterzeichnet und so stoppt. Vergeblich.
    Die bayerische Staatsregierung wollte die Legalisierung im Freistaat verhindern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das Vorhaben auf Twitter einen „Irrweg“. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach von einem „ideologischen Legalisierungsprojekt“.
    Auch innerhalb der Ampel waren nicht alle einverstanden. Vor allem einige Sozialdemokraten standen dem Gesetzesvorhaben kritisch gegenüber. Der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, hatte angekündigt bei der Abstimmung im Bundestag mit Nein zu stimmen. "Einem Gesetz, das zu einer Entkriminalisierung von Dealern und sinnloser Mehrarbeit für die Polizei führt, kann ich nicht zustimmen", sagte er der "Rheinischen Post". Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), hatte ein Nein angekündigt.

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    Auch die Polizeigewerkschaften hatten vor einer Legalisierung gewarnt. Es ergebe keinen Sinn, neben dem legalen, aber gefährlichen Alkohol die Tür für eine weitere, oft verharmloste Droge zu öffnen, sagte Oliver Malchow, ehemals Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Widerstand kam auch vom Deutschen Richterbund, der „eine gewaltige Mehrbelastung“ der „ohnehin schon überlasteten Strafjustiz“ befürchtete.

    Was sagt der Gesundheitsminister zur Kritik?

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte den Gesetzentwurf gegen diese Kritik verteidigt: „Die Argumente sind nicht neu, und man muss sie sehr ernst nehmen“, sagt er im Dlf-Interview. Er hoffe aber darauf, dass es mit dem Gesetz gelinge, Zweidrittel des Schwarzmarktes trockenzulegen.

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    Der Bundessuchtbeauftragte, Burkhard Blienert, warb im Dlf ebenfalls für die Cannabis-Legalisierung. Der Konsum von Cannabis werde dabei nicht verharmlost, sagte er, und es gebe mehr Gesundheitsschutz. Eine Verbotspolitik habe nur zu mehr Konsum geführt.
    Das neue Gesetz verhindere zudem, dass giftige Stoffe beigemischt würden. Durch eine Aufklärungskampagne bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Lehrern soll herausgestellt werden, wie gefährlich Cannabis für das wachsende Gehirn ist.

    Wie viel Cannabis wird in Deutschland konsumiert?

    Mehr als ein Viertel der Deutschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren hat laut Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys von 2018 mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. Mehr als sieben Prozent der Befragten gaben an, auch ein Jahr zuvor bereits Cannabis konsumiert zu haben. Die Tendenz ist steigend.

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    Auch unter jungen Erwachsenen ist der Cannabiskonsum in den vergangenen Jahren gestiegen: Fast 50 Prozent der 18- bis 25-Jährigen hatten 2019 laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mindestens einmal Cannabis ausprobiert, unter den 12- bis 17-Jährigen war es jeder Zehnte. Regelmäßig wird Cannabis von 5,7 Prozent der 18- bis 25-Jährigen konsumiert.
    Insgesamt, so schätzt der Deutsche Hanfverband, werden 200 bis 400 Tonnen Cannabis jährlich in Deutschland konsumiert. Das entspricht einem Marktwert von mindestens 1,2 Milliarden Euro - Geld, das meist die Organisierte Kriminalität einstreicht.

    Kiffen: Wie war die rechtliche Situation bisher?

    Das Betäubungsmittelgesetz verbot zwar nicht den Konsum von Cannabis – Besitz, Handel und Anbau waren jedoch strafbar. Wer mit Cannabis erwischt wurde, musste mit dessen Beschlagnahme und einem Ermittlungsverfahren rechnen. Bei größeren Mengen drohte eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Bei geringen Mengen konnten Gerichte seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 allerdings von einer Strafe absehen, wenn der Angeklagte erkennbar nur seinen Eigenbedarf deckte. Als „geringe Menge“ galten – je nach Bundesland – zwischen sechs und zehn Gramm.

    Wie gefährlich ist der Konsum von Gras und Hasch?

    Die Cannabispflanze (Cannabis sativa) hat unterschiedliche Verwendungszwecke und Konsumformen. Dazu gehören Marihuana (auch „Gras“ genannt), das aus den Blüten der Pflanze gewonnen und geraucht oder verdampft wird, sowie Haschisch (auch „Hasch“ genannt), das aus dem Pflanzen-Harz gewonnen und geraucht oder verzehrt wird. Die in der Pflanze enthaltenen Wirkstoffe THC und CBD haben psychoaktive und andere medizinische Auswirkungen.
    Störung der Hirn-Entwicklung
    Problematisch ist der Konsum für junge Menschen, weil diese eine besonders wichtige Phase der Entwicklung ihres Gehirns durchleben - bis zu einem Alter von 25 Jahren. Dabei kann Cannabiskonsum schädlich wirken. Eine Langzeitstudie aus Neuseeland belegt, dass sich der IQ bei regelmäßigen Kiffern zwischen dem 13. und dem 38. Lebensjahr um bis zu acht Punkte verschlechterte und zwar umso mehr, je größer der Konsum war. Bei Erwachsenen, die mit dem Kiffen aufhörten, normalisierte sich zwar der IQ - aber nur dann, wenn sie nicht schon als Teenager angefangen hatten. Eine Reihe kleinerer Studien kam dagegen zu dem Ergebnis, dass sich Nebenwirkungen wie Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen langfristig wieder zurückbilden.
    Schädigung der Lunge
    Dass Zigarettenkonsum schlecht für die Lunge ist, ist weithin bekannt. Der Joint hingegen gilt als weniger schädlich. Doch das stimmt nicht, erklärt der Facharzt für Pneumologie, Michael Kreuter. Ein gerauchter Joint könne die Lunge mindestens genauso schädigen wie bis zu fünf gerauchte Zigaretten, so Kreuter. Cannabis könne genauso wie Zigaretten zur Raucherlunge, zur COPD, führen.
    Ein Mann dreht sich ein Joint. Man sieht Hände vor schwarzen Hintergrund.
    Welche Folgen die Legalisierung von Cannabis in Deutschland haben wird, darüber streiten Politikerinnen, Mediziner und Ordnungshüter. (imago / Emmanuele Contini)
    Suchtgefahren
    In der Diskussion über Cannabiskonsum wird leicht übersehen, dass Cannabis-Sucht eine Krankheit ist. Mehr als 8.000 Minderjährige waren 2017 in Deutschland wegen einer Cannabis-Abhängigkeit in Behandlung, davon fast ein Drittel stationär in einer Klinik. Der Konsum von Betroffenen wird durch ein starkes Verlangen bestimmt: Wenn sie die Substanz nicht bekommen, erleben sie Entzugssymptome. Der regelmäßige Gebrauch führt zu Leistungsabfall in der Schule oder bei der Arbeit und zu sozialen Problemen.
    Psychosen
    Cannabis steht außerdem im Verdacht, Psychosen auslösen zu können. So haben Forscher am Londoner King’s College die Häufigkeit psychotischer Erkrankungen in europäischen Städten verglichen. Tatsächlich fanden sie eine überdurchschnittlich hohe Rate an Psychose-Fällen vor allem in den Städten, in denen das handelsübliche Cannabis besonders viel von dem Wirkstoff THC enthält – nämlich in London und Amsterdam.
    Auch bei der Überprüfung der Einzelfälle zeigte sich: Täglicher Konsum und hoher THC-Gehalt erhöhten die Wahrscheinlichkeit einer psychotischen Störung. Ein Ergebnis, das sich auch in anderen Studien zeigte: Unter Cannabis-Konsumenten erkranken zwei- bis fünfmal so viele Menschen an einer Psychose wie unter Nicht-Konsumenten. Genauso umgekehrt: Rund ein Drittel der Psychose-Patienten konsumiert zum Zeitpunkt der Ersterkrankung Cannabis.

    Welche Folgen hat Legalisierung am Beispiel anderer Länder?

    Interessant ist ein Blick in die USA. Dort haben Washington D.C. und Colorado 2014 Cannabis legalisiert, inzwischen sind weitere Bundesstaaten hinzugekommen. Für seriöse Daten ist es noch zu früh. Doch eine Tendenz zeichnet sich bereits ab: In den sogenannten Legal States sank die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teenager regelmäßig Gras rauchte, offenbar um neun Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Fachmagazin "JAMA Pediatrics" veröffentlichte Studie, die das Konsumverhalten von über 1,4 Millionen Jugendlichen über einen Zeitraum von 15 Jahren vergleicht.
    Ähnliche Erfahrungen macht auch Portugal: Seit 2001 gilt der Besitz und Konsum weicher und harter Drogen wie Cannabis, Ecstasy oder Heroin dort nur noch als Ordnungswidrigkeit – wie Falschparken. Die Grenze zur Straftat zieht der Staat da, wo Besitz und Konsum von zehn Tagesrationen überschritten sind – das heißt 25 Gramm Marihuana, zehn Pillen Ecstasy, zwei Gramm Kokain oder einem Gramm Heroin.
    Seit das liberale Drogengesetz eingeführt wurde, haben Polizei und Justiz mehr Kapazitäten, den großen Drogendeals nachzugehen, weil die kleinen Fälle weggefallen sind. Gleichzeitig spart das System Geld ein, das auf Beratungszentren, Drogenersatzprogramme mit Methadon und eine groß angelegte Präventionsarbeit in Schulen umverteilt wurde. Und entgegen den Erwartungen wurde Portugal nicht zum Kifferparadies: Die Zahl der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, blieb bis heute unter dem europäischen Durchschnitt.
    Ein ganz anderes Bild zeichnen die Niederlande. Dort ist der Anbau von Hanf oder härterer Drogen zwar weiterhin offiziell verboten, Konsum und Verkauf von Cannabis werden aber seit Jahrzehnten bis zu einem gewissen Grad geduldet: Dieser legale Widerspruch habe dazu geführt, dass die Niederlande zu einem Operationszentrum der Drogenbarone wurde, sagte der Sozialwissenschaftler Pieter Tops.
    Unterschiedlichste kriminelle Drogen-Netzwerke stehen in Konkurrenz, immer wieder kommt es in den Niederlanden zu Schießereien und sogar zu Morden. Nun soll in Feldversuchen in zehn niederländischen Städten Cannabis unter staatlicher Kontrolle angebaut und verkauft werden - von legalen Produzenten. Das Ziel ist, die kriminellen Netzwerke aus dem System zu drängen.
    ww / lkn / gem