Luftraumverletzungen
Drohnenabwehr im Kompetenzdschungel

Deutschland hat den Gefahren durch Drohneneinsätze nur wenig entgegenzusetzen. Vor allem wechselnde Zuständigkeiten erschweren die Drohnenabwehr. Was muss geschehen, um die Reaktionsfähigkeit zu verbessern?

    Die Bundeswehr präsentiert Geräte zur Drohnenabwehr.
    Mit elektronischen Störgeräten können Drohnen abgewehrt werden. (picture alliance / ABBfoto)
    Sie wurden über Militäranlagen, über kritischer Infrastruktur oder Flughäfen in Deutschland gesichtet: Über 500 verdächtige Drohnenflüge in nur drei Monaten bestätigt das Bundeskriminalamt. Wer dahinter steckt, ist meist nur schwer zu ermitteln. Und auch bei der Abwehr von Drohnen steht Deutschland noch ziemlich blank da.
    Über den Abschuss von Drohnen wird zwar viel diskutiert, dabei aber verkannt, dass dies in den meisten Fällen ein großes Risiko birgt. Denn wer möchte über dicht besiedeltem Gebiet schon den Absturz von Drohnenteilen riskieren.
    Welche anderen Optionen gibt es? Und wie kann Deutschland fit in der Drohnenabwehr gemacht werden?

    Inhalt

    Welche Ziele sind bisher besonders von illegalen Drohnenüberflügen betroffen und was könnte dahinterstecken?

    In Deutschland gibt es zahlreiche Vorfälle. Vor allem über Norddeutschland, speziell Schleswig-Holstein, sind schon zu Beginn des Jahres 2025 etliche Drohnen gesichtet worden. Beispielsweise über dem Bundeswehrstandort Schwesing bei Husum. Dort befindet sich ein Ausbildungszentrum für Flugabwehrraketen. Auch am Fliegerhorst Nordholz bei Cuxhaven, am Marinestützpunkt in Wilhelmshaven und über einem Erdgasspeicher in Ostfriesland.
    Allein zwischen Januar und März wurden laut BKA über 500 verdächtige Drohnenflüge über Militäranlagen oder kritischer Infrastruktur registriert. Nicht immer muss Russland oder ein anderes Land dahinterstecken. Es können auch einfache Hobbypiloten sein.
    Aber es könnte sich eben auch um sogenannte Low-Level-Agenten handeln: Privatleute, die von Staaten angesprochen wurden.
    In einigen Fällen hat es Ermittlungsverfahren wegen Spionage gegeben – und in einem Fall wurde ein Frachter im Nord-Ostsee-Kanal festgesetzt. Es besteht der Verdacht, dass von dem Schiff aus Drohnenflüge gestartet wurden.

    Wo sind Drohnenüberflüge in Deutschland illegal?

    In sogenannten „geografischen Gebieten“ sind Drohnenflüge verboten, nur eingeschränkt oder mit der Erlaubnis des Betreibers oder der zuständigen Behörde möglich. Diese sind in der Luftverkehrsordnung (LuftVO) festgelegt.
    Dazu zählen Flugplätze und Flughäfen, Industrieanlagen, Justizvollzugsanstalten, militärische Anlagen, Kraftwerke und Anlagen zur Energieverteilung. Außerdem Gebäude von Verfassungsorganen des Bundes oder der Länder, oberste und obere Bundes- oder Landesbehörden, Botschaften und Konsulate, Liegenschaften der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden. Sonderregelungen gelten auch für Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Bahnanlagen, für bestimmte Naturschutzgebiete, für Wohngrundstücke, Freibäder, Badestrände, Krankenhäuser und Unfallorte.
    Wo Drohnen ohne solche Sonderregelungen fliegen können, lässt sich auf der Karte der „Digital Platform for Unmanned Aviation“ nachsehen. Gerade in urbanen Gebieten sind solche grünen Zonen kaum zu finden.

    Welche Strafen drohen bei illegalen Drohnenflügen?

    Bei einem gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr (StGB, § 315) handelt es sich um eine Straftat. Diese kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden. Bei luftverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten können Bußgelder von bis zu 50.000 Euro verhängt werden.

    Welche Gefahren drohen durch die Drohnenüberflüge?

    Drohnen können zu Spionagezwecken eingesetzt werden, sie können mit Munition bestückt zur Waffe werden. Aber sie können auch – wie beispielsweise am Flughafen Kopenhagen – genutzt werden, um für einige Zeit den Flugverkehr lahmzulegen. „Das ist ja seit vielen Jahren immer wieder ein Problem bei Flughäfen und auch bei Piloten“, sagt Manuel Atug, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Kritische Infrastruktur. Nicht zuletzt können Drohnenflüge wie am Flughafen Kopenhagen auch der Einschüchterung dienen, so der Historiker Wolfgang Krieger. „Sie sind eine Demonstration der Macht.“

    Wie kann man Drohnen abwehren?

    Um Drohnen abzuwehren, müssen die anfliegenden Flugobjekte erst einmal erkannt werden. Dann muss festgestellt werden, ob die Drohne eine Gefahr darstellt, sagt Hans Peter Stuch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie. Dort wird das Drohnenabwehrsystem IDAS-PRO entwickelt, das Polizeiarbeit unterstützen und beim Schutz von kritischer Infrastruktur helfen soll.
    Die Erkennung läuft unter anderem über Radar und Kameras. Auch Funksignale und Remotesensoren, die von der Drohne oder der Fernbedienung ausgehen, können ausgewertet werden.
    Um die Drohne dann genauer einzuordnen, helfen die Bilder und KI weiter. So kann festgestellt werden, ob es sich zum Beispiel um eine bestimmte Konsumerdrohne handelt – oder professionellere Geräte. Oder ob die Drohne noch zusätzliche Ladung transportiert, beispielsweise Sprengstoff.
    Ist das erst einmal erkannt, gibt es verschiedenste Möglichkeiten, Drohnen technisch abzuwehren. Man kann versuchen, das Signal der ferngesteuerten Drohne zu unterbrechen. Jamming heißt das. Danach kann die Drohne nur noch landen oder automatisch an die Ausgangsposition zurückkehren.
    Eine weitere Möglichkeit: die Steuerung der Drohne übernehmen – das sogenannte Spoofing. Beides funktioniert aber eher bei kleinen, einfachen Drohnen – und nicht bei militärischen Systemen.
    Im Gegensatz zu militärischen Drohnenabwehrsystemen ließen sich die genannten Jamming- und Spoofing-Systeme schnell kaufen und installieren, sagt Ulrike Franke, Politikwissenschaftlerin beim European Council on Foreign Relations.
    Das sei allerdings eine teure Angelegenheit und bisher wollte man das Geld wohl lieber sparen, meint Manuel Atug. Derzeit besitze jedenfalls nur die Bundeswehr einige dieser Geräte, auch die Strafverfolgungsbehörden hätten einige. Sie seien aber nicht großflächig im Einsatz.
    Atug fordert deswegen: „Wir bräuchten Jammer und auch Menschen, die das bedienen können, an allen Flughäfen, an allen kritischen Infrastrukturen in Deutschland und auch an allen Militärstützpunkten.“
    Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, die Drohne aus der Luft zu holen – beispielsweise mit einer Art Schleppnetz, mit dem andere Drohnen die Drohne einfangen. Oder eben auch, indem man die Drohne abschießt. Darüber wird aktuell zwar viel diskutiert, es ist aber ziemlich riskant, eine Drohne abzuschießen – und eher eine Maßnahme, die bei einer sehr hohen Eskalationsstufe ergriffen werden würde. Schließlich möchte niemand, dass Drohnentrümmerteile in dicht besiedelte Gebiete stürzen.
    Aber auch zum Abschuss scheint bisher das passende Gerät zu fehlen: Die Bundeswehr könnte zwar Kampfjets aufsteigen lassen und mit Lenkkörpern oder Bordkanonen gegen die Drohnen vorgehen. Das wäre allerdings ein wenig, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ähnlich verhält es sich mit dem Patriot-System. Effektiver wären ein Flugabwehrkanonenpanzer wie der Gepard, der aber ausgemustert wurde. Die restlichen wurden an die Ukraine geliefert. Demnächst soll Deutschland einen sogenannten Skyranger bekommen: ein modernes und etwas mobiles Flugabwehrsystem, mit dem auch Drohnenabwehr möglich wäre.

    Wer ist bisher wann zuständig?

    Handelt es sich um eine kleine Drohne, die etwas überfliegt, um beispielsweise Bilder zu machen, dann geht es um Gefahrenabwehr. Dafür ist die Polizei zuständig – und zwar in der Regel die Landespolizei. Nur in wenigen Ausnahmen fällt es in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei, zum Beispiel beim Kanzleramt oder an Flughäfen.
    Wird Deutschland durch militärische Drohnen angegriffen, ist die Bundeswehr zuständig.
    Das klingt erst einmal eigentlich einfach. Im konkreten Einzelfall kann es aber ziemlich kompliziert werden. Beispielsweise, wenn Spionagedrohnen über Kasernen fliegen. Im unmittelbaren Luftraum über der eigenen Kaserne ist das Sache der Bundeswehr. Muss man aber jenseits dieses Luftraums eingreifen, wie es oft der Fall ist, sieht sich die Bundeswehr nicht zuständig. Doch wer weiß schon von vorneherein, ob nur im Luftraum über der Kaserne oder auch jenseits dessen, gehandelt werden muss? Die Kompetenzverteilung macht es also kompliziert, auch weil sich zu Beginn oft noch gar nicht wirklich klar sagen lässt, wer zuständig ist.

    Welche Änderungsvorschläge macht das Bundesinnenministerium?

    Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, dass Deutschland bei der Drohnenabwehr fit gemacht werden soll. Wie das konkret aussehen soll, ist aber noch ziemlich unklar.
    So viel weiß man aber schon: Die Bundeswehr soll öfter Amtshilfe für die Polizei leisten. Dabei soll ihr auch erlaubt sein, Drohnen abzuschießen. Amtshilfe ist bisher laut Grundgesetz bei einer Naturkatastrophe oder bei besonders schweren Unglücksfällen möglich. Dann kann ein Bundesland die Polizei anderer Länder und auch Streitkräfte anfordern.
    Die Frage ist allerdings, ob eine solche Hilfe auch immer sinnvoll ist. Schließlich haben Polizei und Bundeswehr unterschiedliche Fähigkeiten – und bei Fragen der Gefahrenabwehr und inneren Sicherheit – also beispielsweise, wenn eine Drohne über eine große Menschenmenge fliegt – ist die Polizei im Zweifel der Profi.
    Eine weitere Ankündigung Dobrindts: Es soll ein neues Drohnenabwehrzentrum geben. Das soll dabei helfen, dass sich die unterschiedlichen Stellen besser miteinander vernetzen, Informationen austauschen und gemeinsam Abwehrmöglichkeiten nutzen.
    Dobrindts Vorstoß ist übrigens nicht der erste Versuch, das Sicherheitsgesetz zu ändern. Auch Rot-Grün hat das in der vergangenen Legislaturperiode noch versucht, ist dann aber wegen der vorgezogenen Neuwahlen gescheitert.

    Onlinetext: Leila Knüppel