Dirk-Oliver Heckmann: Nikolaus Brender, er genießt nicht nur unter Journalisten einen hervorragenden Ruf, Unabhängigkeit, Leidenschaft, Kompetenz, Streitlust; das sind Eigenschaften, die dem früheren WDR-Intendanten Fritz Pleitgen einfallen, wenn es um den Ex-Chefredakteur des ZDF geht, vor allem aber Wahrhaftigkeit. Trotzdem und obwohl Intendant Markus Schächter seinen Vertrag verlängern wollte, muss Brender ab heute seinem Nachfolger Peter Frey Platz machen, der bisher das Hauptstadtstudio des Zweiten Deutschen Fernsehens leitete. Die Unionsmehrheit im ZDF-Verwaltungsrat unter Führung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch war gegen ihn. Eine heftige Debatte um den Einfluss der Politik beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk schloss sich an. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Linken kündigten bereits an, gegen den ZDF-Staatsvertrag Normenkontrollklage einzulegen, sollten sich genug Unterstützer im Bundestag finden, und auch der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck von der SPD, will nach Karlsruhe ziehen, wie er in der vergangenen Woche bekannt gegeben hat. – Am Telefon ist jetzt Uwe Kammann, der Leiter des Adolf-Grimme-Instituts. Guten Morgen!
Uwe Kammann: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Kammann, was ist aus Ihrer Sicht der Grund für die Ablösung Brenders gewesen?
Kammann: Es war ein klares Machtexempel. Die Union wollte zeigen, wo der Hammer hängt. Sie haben einen Vorschlag des Intendanten, der ja nun gut begründet war, abgelehnt, sie haben ihn praktisch in die Ecke gestellt und damit haben sie demonstriert, dass sie sich als die wahren Herren des ZDF sehen, und darum wird ja mit Recht mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt vorm Verfassungsgericht geklärt werden, inwieweit dort die Rundfunkfreiheit beeinträchtigt ist, eben durch die Grundkonstruktion im Verwaltungsrat des ZDF, der die Spitzenpositionen besetzen kann, also Intendant und die Direktoren, inwieweit der Verwaltungsrat überhaupt dem Prinzip der Rundfunkfreiheit gehorchen kann, weil er eben sehr staatsnah besetzt ist mit vier Ministerpräsidenten. Also gut die Hälfte der Positionen dort sind direkt Regierungsfunktionen oder hohen Staatsämtern zuzuordnen.
Heckmann: Der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen meinte, Brender sei einfach zu sperrig, also zu unbequem gewesen. Ist das möglicherweise auch ein Grund gewesen?
Kammann: Ja, aber das ist nicht die Sache des Verwaltungsrats, das zu beurteilen. Der Intendant muss ja die Personalpolitik an der Stelle bestimmen. Wenn er gemeint hätte, dass Brender an der Stelle sozusagen seinen Aufgaben nicht gerecht geworden wäre, dass er immer quer gelegen hätte, dann hätte er das beurteilen müssen. Das ist also nicht der eigentliche Punkt. Brender war sicherlich ein sehr unbequemer Mann, und Sie haben ja auch zurecht in der Anmoderation gesagt, das Urteil von Pleitgen: Er war sehr unabhängig. Er war sicherlich auch kratzbürstig. Ich kenne ihn sehr, sehr lange. Was mir immer sehr gut gefallen hat, war die Leidenschaft bei ihm, und das ist natürlich klar etwas, was nicht den Politikern gefallen muss, aber das soll es ja auch gar nicht, denn die Politiker sind ja diejenigen, die von einem Journalisten, von einem Sender kontrolliert werden, denen auf die Finger geschaut wird. Es geht also nicht darum, kann nicht darum gehen, einen ihnen genehmen Mann an die Spitze zu wählen.
Heckmann: Herr Kammann, Sie sprechen von einer Machtdemonstration. Die Union und auch Ministerpräsident Roland Koch argumentieren aber, der Verwaltungsrat müsse halt auch mal an einer Spitzenposition einen Wechsel vornehmen können, um die Zukunft des ZDF zu sichern.
Kammann: Ja. Wie gesagt, ich finde, das ist die Sache des Intendanten. Wenn Kritik an der Amtsführung gekommen wäre, dann wäre sie wenn beim Fernsehrat zu verorten, und der Fernsehrat hatte sich für Brender ausgesprochen. Von daher sieht man, es ist ein sogenannter Organkonflikt, der sich dort abgezeichnet hat. Nun, es ist anders gekommen. Das waren sehr beklemmende Umstände, als damals in der Pressekonferenz Koch vor die Presse trat. Da habe ich selten so fast sprachlose Journalisten gesehen. Man sagte, es kann gar nicht sein, dass jemand mit solcher Kälte seine eigene Macht demonstriert und unabhängig von allen anderen Einschätzungen ein Urteil exekutiert. Aber es ist jetzt so gelaufen; jetzt muss man sehen, wie man das Beste daraus macht. Zum Glück ist der Nachfolger von Brender, Peter Frey, ein sehr guter Mann, er kennt den Sender von der Pike auf, war lange erst Referent beim früheren Chefredakteur Bresser, hat ja auch als Leiter des Hauptstadtstudios des ZDF sehr gut bewiesen, wie er sein journalistisches Handwerk versteht. Von daher ist das der einzige Lichtblick darin, dass eine gute Nachfolge gefunden wurde. Allerdings wird sicher erst mal ein Schatten darüber liegen, denn es sind ja alle beschädigt worden. Es ist das System insgesamt als freies öffentliches System beschädigt worden, es ist der Intendant des ZDF, der offensichtlich seinen Vorschlag nicht durchsetzen konnte, es ist Brender selber, obwohl er jetzt natürlich als Held ganz gut aus der Sache herauskommt, und eben auch Frey, der nicht unter den Umständen Chefredakteur werden konnte, wie es richtig gewesen wäre, nämlich zu einem anderen Zeitpunkt und ohne irgendeinen Druck von außen. Daher die misslichen Umstände.
Heckmann: Herr Kammann, wenn schon bei dieser zentralen Personalfrage der Einfluss der Politik doch offensichtlich so stark ist, wie ist es denn dann um die journalistische Unabhängigkeit des ZDF im Alltagsgeschäft bestellt? Schlägt das auch durch Ihrer Erfahrung nach?
Kammann: Im Alltagsgeschäft ist das sicher viel undramatischer. Brender hat sich auch immer sehr vor seine Mannschaft gestellt, hat bei jeder Beschwerde, die von der Politik kam, gesagt, dann geben sie mir das doch bitte schriftlich, und schon war das oft vom Tisch. Das wollte natürlich keiner wagen. Wenn, wird das ja immer eher versucht, unter der Hand sozusagen durchzustechen. Ich glaube, da ist die Unabhängigkeit sehr viel größer. Die mittleren Positionen, da wird professionell gearbeitet. Es ist ein auch zum Teil symbolisches Handeln, auch das war eben mit dieser Koch-Aktion und seinen Getreuen verbunden. Aber an der anderen Stelle, glaube ich, muss man sich nicht diese Sorgen machen. Es ist nur schlecht, wenn so etwas als Gesamtatmosphäre durchstrahlt und wenn die Öffentlichkeit den Eindruck haben muss, dass ein Sender weitgehend politisch dirigiert wird. Das darf und kann nicht sein. Aber ich glaube, im Alltagsgeschäft, so auch wie bei den anderen ARD-Anstalten, ist da dieser Versuch, ständig zu beeinflussen, ständig per Telefon präsent zu sein, geringer einzuschätzen – zum Glück, denn sonst wäre es natürlich ganz schlimm, wenn das so gradlinig wäre wie bei einem Automaten: oben eine Münze politisch eingeworfen und unten kommt dann die gewünschte journalistische Haltung heraus. Nein, so ist es sicherlich nicht.
Heckmann: Kurt Beck hat ja lange gezögert, auch nach Karlsruhe zu gehen. Er hat gesagt, er möchte erst mit den Unionsministerpräsidenten verhandeln, um leichte Änderungen am Staatsvertrag herbeiführen zu können. Aber war ein Grund möglicherweise auch, dass auch er um den Einfluss seiner SPD auf das ZDF fürchtet?
Kammann: Ja, natürlich. Er ist ja ein Teil dieses Systems und als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist er sozusagen naturgemäß der Vorsitzende des Verwaltungsrates. Auch dort geben natürlich Parteien nicht gerne ihren Einfluss, ihre Position auf. Es ist ein bisschen sozusagen auch wie ein Widerspruch in sich. Jeder weiß, diese Konstruktion mit dem staatsnahen Verwaltungsrat und dem auch sehr politisch besetzten Fernsehrat ist ein Geburtsfehler des ZDF. Auf der anderen Seite weiß auch jeder, durch diese starke Einbindung der Länder in diese Anstalt, die ja von allen Ländern getragen wird, wird natürlich das ZDF in gewisser Weise gestärkt. Manchem kann man das schwer erklären, weil es dadurch natürlich zum Teil, wie sie meinen, im Interesse aller Länder handelt. Aber es ist richtig: Man muss es verfassungsrechtlich klären lassen und ich bin sicher, dass der Staatseinfluss doch durch die Richter in Karlsruhe weitgehend zurückgedrängt wird, denn sie haben ja immer dafür gestanden, dass der Rundfunk so unabhängig wie nur möglich sein muss. Dass die Politik ein Wort mitspricht, ist klar. Sie sind ja nun wesentliche Faktoren in unserem Alltagsgeschäft und sie steuern die Gesellschaft in wesentlichen Bereichen. Aber sie dürfen eben keinen durchschlagenden Einfluss haben, schon lange nicht beim Rundfunk, der eben selber ein Kontrollinstrument ist und sein muss.
Heckmann: Einige Beobachter sagen vor diesem Hintergrund, man müsse Ministerpräsident Roland Koch geradezu dankbar sein, dass er diese Entscheidung getroffen hat, da es ja jetzt in Karlsruhe geprüft wird.
Kammann: Ja. Das ist die kleine Ironie der Geschichte. Tatsächlich wird er durch diese Hartnäckigkeit, mit der er dieses Einzelinteresse verfolgt hat, etwas ganz anderes hervorrufen. Ich bin also auch sicher, der öffentliche Rundfunk wird gestärkt aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen. Die Regeln werden klarer sein, die Konstruktionen werden so geändert werden müssen, dass tatsächlich der Staatseinfluss zurückgedrängt wird. Insofern, es ist so: Man muss ihm fast dankbar sein. Trotz alledem aber finde ich, es ist immer noch ein sehr, sehr beklemmendes Gefühl zu sehen, dass eine kleine Gruppe sich einfach, da muss man sagen, brutalst möglich durchgesetzt hat, um ihre Vorstellungen von Personalpolitik durchzusetzen.
Heckmann: Wie unabhängig ist das Zweite Deutsche Fernsehen? Aus Anlass des Stabwechsels in der ZDF-Chefredaktion haben wir gesprochen mit Uwe Kammann, dem Leiter des Adolf-Grimme-Instituts. Herr Kammann, besten Dank und schönen Tag!
Kammann: Gerne.
Uwe Kammann: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Kammann, was ist aus Ihrer Sicht der Grund für die Ablösung Brenders gewesen?
Kammann: Es war ein klares Machtexempel. Die Union wollte zeigen, wo der Hammer hängt. Sie haben einen Vorschlag des Intendanten, der ja nun gut begründet war, abgelehnt, sie haben ihn praktisch in die Ecke gestellt und damit haben sie demonstriert, dass sie sich als die wahren Herren des ZDF sehen, und darum wird ja mit Recht mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt vorm Verfassungsgericht geklärt werden, inwieweit dort die Rundfunkfreiheit beeinträchtigt ist, eben durch die Grundkonstruktion im Verwaltungsrat des ZDF, der die Spitzenpositionen besetzen kann, also Intendant und die Direktoren, inwieweit der Verwaltungsrat überhaupt dem Prinzip der Rundfunkfreiheit gehorchen kann, weil er eben sehr staatsnah besetzt ist mit vier Ministerpräsidenten. Also gut die Hälfte der Positionen dort sind direkt Regierungsfunktionen oder hohen Staatsämtern zuzuordnen.
Heckmann: Der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen meinte, Brender sei einfach zu sperrig, also zu unbequem gewesen. Ist das möglicherweise auch ein Grund gewesen?
Kammann: Ja, aber das ist nicht die Sache des Verwaltungsrats, das zu beurteilen. Der Intendant muss ja die Personalpolitik an der Stelle bestimmen. Wenn er gemeint hätte, dass Brender an der Stelle sozusagen seinen Aufgaben nicht gerecht geworden wäre, dass er immer quer gelegen hätte, dann hätte er das beurteilen müssen. Das ist also nicht der eigentliche Punkt. Brender war sicherlich ein sehr unbequemer Mann, und Sie haben ja auch zurecht in der Anmoderation gesagt, das Urteil von Pleitgen: Er war sehr unabhängig. Er war sicherlich auch kratzbürstig. Ich kenne ihn sehr, sehr lange. Was mir immer sehr gut gefallen hat, war die Leidenschaft bei ihm, und das ist natürlich klar etwas, was nicht den Politikern gefallen muss, aber das soll es ja auch gar nicht, denn die Politiker sind ja diejenigen, die von einem Journalisten, von einem Sender kontrolliert werden, denen auf die Finger geschaut wird. Es geht also nicht darum, kann nicht darum gehen, einen ihnen genehmen Mann an die Spitze zu wählen.
Heckmann: Herr Kammann, Sie sprechen von einer Machtdemonstration. Die Union und auch Ministerpräsident Roland Koch argumentieren aber, der Verwaltungsrat müsse halt auch mal an einer Spitzenposition einen Wechsel vornehmen können, um die Zukunft des ZDF zu sichern.
Kammann: Ja. Wie gesagt, ich finde, das ist die Sache des Intendanten. Wenn Kritik an der Amtsführung gekommen wäre, dann wäre sie wenn beim Fernsehrat zu verorten, und der Fernsehrat hatte sich für Brender ausgesprochen. Von daher sieht man, es ist ein sogenannter Organkonflikt, der sich dort abgezeichnet hat. Nun, es ist anders gekommen. Das waren sehr beklemmende Umstände, als damals in der Pressekonferenz Koch vor die Presse trat. Da habe ich selten so fast sprachlose Journalisten gesehen. Man sagte, es kann gar nicht sein, dass jemand mit solcher Kälte seine eigene Macht demonstriert und unabhängig von allen anderen Einschätzungen ein Urteil exekutiert. Aber es ist jetzt so gelaufen; jetzt muss man sehen, wie man das Beste daraus macht. Zum Glück ist der Nachfolger von Brender, Peter Frey, ein sehr guter Mann, er kennt den Sender von der Pike auf, war lange erst Referent beim früheren Chefredakteur Bresser, hat ja auch als Leiter des Hauptstadtstudios des ZDF sehr gut bewiesen, wie er sein journalistisches Handwerk versteht. Von daher ist das der einzige Lichtblick darin, dass eine gute Nachfolge gefunden wurde. Allerdings wird sicher erst mal ein Schatten darüber liegen, denn es sind ja alle beschädigt worden. Es ist das System insgesamt als freies öffentliches System beschädigt worden, es ist der Intendant des ZDF, der offensichtlich seinen Vorschlag nicht durchsetzen konnte, es ist Brender selber, obwohl er jetzt natürlich als Held ganz gut aus der Sache herauskommt, und eben auch Frey, der nicht unter den Umständen Chefredakteur werden konnte, wie es richtig gewesen wäre, nämlich zu einem anderen Zeitpunkt und ohne irgendeinen Druck von außen. Daher die misslichen Umstände.
Heckmann: Herr Kammann, wenn schon bei dieser zentralen Personalfrage der Einfluss der Politik doch offensichtlich so stark ist, wie ist es denn dann um die journalistische Unabhängigkeit des ZDF im Alltagsgeschäft bestellt? Schlägt das auch durch Ihrer Erfahrung nach?
Kammann: Im Alltagsgeschäft ist das sicher viel undramatischer. Brender hat sich auch immer sehr vor seine Mannschaft gestellt, hat bei jeder Beschwerde, die von der Politik kam, gesagt, dann geben sie mir das doch bitte schriftlich, und schon war das oft vom Tisch. Das wollte natürlich keiner wagen. Wenn, wird das ja immer eher versucht, unter der Hand sozusagen durchzustechen. Ich glaube, da ist die Unabhängigkeit sehr viel größer. Die mittleren Positionen, da wird professionell gearbeitet. Es ist ein auch zum Teil symbolisches Handeln, auch das war eben mit dieser Koch-Aktion und seinen Getreuen verbunden. Aber an der anderen Stelle, glaube ich, muss man sich nicht diese Sorgen machen. Es ist nur schlecht, wenn so etwas als Gesamtatmosphäre durchstrahlt und wenn die Öffentlichkeit den Eindruck haben muss, dass ein Sender weitgehend politisch dirigiert wird. Das darf und kann nicht sein. Aber ich glaube, im Alltagsgeschäft, so auch wie bei den anderen ARD-Anstalten, ist da dieser Versuch, ständig zu beeinflussen, ständig per Telefon präsent zu sein, geringer einzuschätzen – zum Glück, denn sonst wäre es natürlich ganz schlimm, wenn das so gradlinig wäre wie bei einem Automaten: oben eine Münze politisch eingeworfen und unten kommt dann die gewünschte journalistische Haltung heraus. Nein, so ist es sicherlich nicht.
Heckmann: Kurt Beck hat ja lange gezögert, auch nach Karlsruhe zu gehen. Er hat gesagt, er möchte erst mit den Unionsministerpräsidenten verhandeln, um leichte Änderungen am Staatsvertrag herbeiführen zu können. Aber war ein Grund möglicherweise auch, dass auch er um den Einfluss seiner SPD auf das ZDF fürchtet?
Kammann: Ja, natürlich. Er ist ja ein Teil dieses Systems und als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist er sozusagen naturgemäß der Vorsitzende des Verwaltungsrates. Auch dort geben natürlich Parteien nicht gerne ihren Einfluss, ihre Position auf. Es ist ein bisschen sozusagen auch wie ein Widerspruch in sich. Jeder weiß, diese Konstruktion mit dem staatsnahen Verwaltungsrat und dem auch sehr politisch besetzten Fernsehrat ist ein Geburtsfehler des ZDF. Auf der anderen Seite weiß auch jeder, durch diese starke Einbindung der Länder in diese Anstalt, die ja von allen Ländern getragen wird, wird natürlich das ZDF in gewisser Weise gestärkt. Manchem kann man das schwer erklären, weil es dadurch natürlich zum Teil, wie sie meinen, im Interesse aller Länder handelt. Aber es ist richtig: Man muss es verfassungsrechtlich klären lassen und ich bin sicher, dass der Staatseinfluss doch durch die Richter in Karlsruhe weitgehend zurückgedrängt wird, denn sie haben ja immer dafür gestanden, dass der Rundfunk so unabhängig wie nur möglich sein muss. Dass die Politik ein Wort mitspricht, ist klar. Sie sind ja nun wesentliche Faktoren in unserem Alltagsgeschäft und sie steuern die Gesellschaft in wesentlichen Bereichen. Aber sie dürfen eben keinen durchschlagenden Einfluss haben, schon lange nicht beim Rundfunk, der eben selber ein Kontrollinstrument ist und sein muss.
Heckmann: Einige Beobachter sagen vor diesem Hintergrund, man müsse Ministerpräsident Roland Koch geradezu dankbar sein, dass er diese Entscheidung getroffen hat, da es ja jetzt in Karlsruhe geprüft wird.
Kammann: Ja. Das ist die kleine Ironie der Geschichte. Tatsächlich wird er durch diese Hartnäckigkeit, mit der er dieses Einzelinteresse verfolgt hat, etwas ganz anderes hervorrufen. Ich bin also auch sicher, der öffentliche Rundfunk wird gestärkt aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen. Die Regeln werden klarer sein, die Konstruktionen werden so geändert werden müssen, dass tatsächlich der Staatseinfluss zurückgedrängt wird. Insofern, es ist so: Man muss ihm fast dankbar sein. Trotz alledem aber finde ich, es ist immer noch ein sehr, sehr beklemmendes Gefühl zu sehen, dass eine kleine Gruppe sich einfach, da muss man sagen, brutalst möglich durchgesetzt hat, um ihre Vorstellungen von Personalpolitik durchzusetzen.
Heckmann: Wie unabhängig ist das Zweite Deutsche Fernsehen? Aus Anlass des Stabwechsels in der ZDF-Chefredaktion haben wir gesprochen mit Uwe Kammann, dem Leiter des Adolf-Grimme-Instituts. Herr Kammann, besten Dank und schönen Tag!
Kammann: Gerne.