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ETA sprengt Friedensprozess in die Luft

Noch vor Weihnachten dachte Spaniens Regierung, positive Signale von der ETA über den Fortgang des Friedensprozesses im Baskenland erhalten zu haben. Doch nach dem Autobombenanschlag in Madrid ist die Zukunft der Friedensgespräche zwischen Spaniens sozialistischer Regierung und der baskischen Untergrundorganisation ungewiss. Hans-Günter Kellner berichtet aus Madrid.

    Einen Tag nach dem Anschlag sollte es eine Demonstration gegen die ETA werden, aber im Mittelpunkt der Kritik stand die spanische Regierung. Mehrere tausend Demonstranten forderten nach der Rückkehr der ETA zu den Bomben im Madrider Zentrum den Rücktritt von Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Dieser Mann meinte:

    "Die Regierung hat es zugelassen, dass sich die ETA wieder bewaffnet. Aber in Wirklichkeit hat die ETA die Waffen niemals niedergelegt. Die Regierung hat mit einer Mörderbande verhandelt. Das Schicksal Spaniens ist in Händen dieser Mörder, und ein Komplize von ihnen ist Zapatero."

    Schon lange gab es Kontakte zwischen den regierenden Sozialisten und dem politischen Arm der ETA, der Partei Batasuna. Dies führte schließlich zum Waffenstillstand der ETA und zum ersten direkten Treffen mit den Terroristen. Solche Kontakte sind in Spanien höchst umstritten. Die Opposition hat der Regierung immer wieder vorgeworfen, der ETA Zugeständnisse zu machen, obgleich Zapatero dies immer wieder zurückwies. Das seit der Wahlniederlage der Konservativen vor zwei Jahren im Parlament herrschende aggressive Klima hat längst auf die Straße übergriffen. Hartnäckig hält sich in Spanien auch die Theorie, die ETA und nicht El Kaida stecke hinter den Anschlägen auf die Madrider Nahverkehrszüge, obwohl der zuständige Ermittlungsrichter eine solche Spur ausdrücklich ausschließt.

    Demonstrant: "Am 11. März 2004 haben sie 200 Menschen getötet. Das war auch die ETA, auch wenn die Regierung das nicht untersuchen möchte."

    Demonstrant: "Diese Politik zerstört Spanien. Der alte Hass bricht wieder auf, und er teilt das Land. Während Europa zusammenwächst, teilt die Regierung Spanien in kleine Ländereien auf. Zapatero paktiert doch ständig mit der ETA, nur um seine Macht zu verteidigen. Spanien interessiert den doch gar nicht."

    Die Demonstration wurde von der Vereinigung der Opfer des Terrorismus organisiert. Sie steht den Konservativen nahe. Aber damit alleine erklärt sich der raue Wind, der Zapatero auf den Straßen der spanischen Hauptstadt ins Gesicht weht, nicht. Seine Fehleinschätzung der realen Bedrohungssituation ist offensichtlich. Noch am Freitag hatte sich Zapatero optimistisch über den Friedensprozess im Baskenland geäußert, ETA-Attentate der Vergangenheit sogar als Unfälle bezeichnet. Nach dem neuen Anschlag sagte er:

    "Nichts verletzt so stark die vom Parlament im Mai letzten Jahres beschlossenen Bedingungen für einen Dialog stärker als dieses Attentat. Ich habe darum angeordnet, diesen Dialog auszusetzen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass dieser Prozess lang, hart und schwer sein wird."

    Von einem Scheitern des Friedensprozesses spricht Zapatero jedoch nicht, was in Spanien auch als Einladung an die ETA interpretiert wird, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Damit setzt sich der Regierungschef erneut der Kritik aus. Für die Opposition ist der Anschlag hingegen nichts weiter als ein neuer Beweis dafür, dass Verhandlungen mit Terroristen diesen nur Hoffnungen machen, mit Pistolen und Bomben doch etwas zu erreichen, was sie auf legalem Weg nicht erreichen können. Oppositionschef Mariano Rajoy:

    "Dieses Attentat bestätigt, was wir alle schon lange wissen: Die ETA ist eine Terrorgruppe, und der Frieden der Spanier interessiert sie nicht. Das ist die Realität. Ich bitte die Regierung, alle Kontakte zur ETA abzubrechen. Und ich bitte sie, zum Rechtsstaat zurückzukehren."

    "Verläuft der Friedensprozess im Baskenland gut, gewinnen die Sozialisten die Wahlen, scheitert er, gewinnen die Konservativen." Mit diesen Worten fasste ein politischer Kommentator die innenpolitische Situation in Spanien vor den Kommunal- und Regionalwahlen im April zusammen. Die politischen Parteien haben mit ihrer Zerstrittenheit den Terroristen zu viel Einfluss auf die spanische Politik eingeräumt, meinte am Rande der Demonstration im Madrider Zentrum diese Passantin:

    "Die Leute haben mehr Wut auf die Regierung als auf die ETA. Ich glaube nicht, dass die Regierung Schuld ist. Sie haben vielleicht Fehler gemacht. Aber solche Anschläge gibt es schon seit so vielen Jahren. Die Parteien sollten dem Terror gemeinsam die Stirn bieten, nicht gegeneinander arbeiten. Wir hatten doch so große Hoffnungen. Und jetzt das. Damit hat niemand gerechnet. Die Parteien müssen sich verständigen."