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EU-Gipfel
Erst der Anfang einer grundsätzlichen Debatte

Nach dem gestrigen Eklat um die Personalie Donald Tusk hatte sich die Stimmung beim EU-Gipfel heute wieder beruhigt. Uneinigkeit herrschte aber auch heute noch vor allem über die Frage nach einem "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten". Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte, zu beschwichtigen.

Von Jörg Münchenberg | 10.03.2017
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel im März 2017.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel im März 2017. (JOHN THYS / AFP)
    Beim informellen Teil des EU-Gipfels - die britische Premierministerin Theresa May war nicht mehr dabei - standen heute die ganz großen Fragen auf der Agenda. Wie soll sich die EU nach dem Brexit aufstellen, wofür steht sie und wie soll sie in zehn Jahren aussehen?
    Fragen, die die 27 bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge in einer allgemeinen Erklärung beantworten wollen. Und nach dem gestrigen Eklat um die Personalie Tusk war die Stimmung heute offenbar konstruktiver, berichtete anschließend der wiedergewählte Ratspräsident Donald Tusk:
    "Heute war völlig klar: die Haltung, von allen 27 und auch die von Polen, war sehr konstruktiv."
    Juncker: "Es geht nicht um einen neuen Eisernen Vorhang"
    Doch über die konkrete Ausgestaltung der sehr allgemein formulierten Rom-Erklärung gehen die Meinungen unter den 27 weit auseinander. Besonders der nicht zuletzt von Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien befürworte Ansatz eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten sorgt bei manchen für Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung, räumte auch anschließend EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker ein:
    "Manche Kollegen befürchten, dass es hier eine neue Trennlinie geben wird. Einen neuen Eisernen Vorhang zwischen Ost und West. Aber darum geht es überhaupt nicht".
    Zudem, so Juncker, gebe es längst ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, etwa mit der Eurozone oder auch dem Schengenraum. Der Widerstand kommt aber vor allen von den osteuropäischen Ländern. Und nicht zuletzt die polnische Regierungschefin Beata Szydlo ließ an ihrer Meinung auch nach dem Ende des informellen Treffens erst gar keinen Zweifel aufkommen:
    "Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, in dem also nicht für alle Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten gelten, werden wir niemals akzeptieren. Wir glauben, dass jede vertragliche Formulierung in diese Richtung nur zur Bildung kleiner Eliteklubs beiträgt und die Union am Ende daran zerbricht."
    Merkel: "Konzentration auf wesentliche Dinge"
    Insofern bleibt bis Ende März noch einiges zu tun, räumte heute auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Trotzdem sei sie zuversichtlich, dass sich am Ende alle 27 hinter die gemeinsame Erklärung stellen werden würden. Schließlich soll Rom nach dem Brexit auch ein Zeichen der Geschlossenheit aussenden. Kritik, die Erklärung falle zu allgemein aus, wies die Bundeskanzlerin zurück:
    "Wir wollten jetzt keine neuen 100 Seiten verfassen über unsere nächsten Arbeitsplanungen. Sondern Bestandsaufnahme, Grundausrichtung, Einigkeit und Konzentration auch auf wesentliche Dinge".
    Ohnehin steht die EU erst am Anfang einer grundsätzlichen Debatte. Wie es um die weitere Integration bestellt ist und wie sie konkret umgesetzt werden soll - diese Frage, so die Bundeskanzlerin, werde wohl nicht mehr in diesem Jahr abschließend beantwortet.