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Europa-Parteitag
Die Linke ringt um europäische Grundpositionen

Schon vor dem Parteitag der Linken in Bonn gab es Streit um die Grundausrichtung der Europapolitik: Der Vorstand strich einen umstrittenen Satz aus dem Programmentwurf für den Europawahlkampf. Die Reformer stoßen sich weiter am negativen Grundton des Programms und fordern ein klareres EU-Bekenntnis.

Mathias von Lieben | 22.02.2019
Die Stühle für die Delegierten stehen am 09.06.2017 vor dem Bundesparteitag der Linken in Hannover (Niedersachsen) bereit. Vom 09.06 bis zum 11.06.2017 hält die Partei Die Linke ihren Parteitag in Hannover ab.
Beim Europa-Parteitag der Linken werden intensive Debatten über das Verhältnis der Partei zu Europa und der EU erwartet (dpa / picture alliance / Peter Steffen)
"Weil wir deine Freunde sind, wirst du nie wieder alleine sein." Mit dieser Textzeile sollen beim Europa-Parteitag der Linkspartei in Bonn die einzelnen Redner auf dem Podium empfangen werden. Die Nachricht: Wir sind Freunde, wir treten geschlossen auf. Gestern Abend schon mal der erste Soundcheck.
Im vergangenen Jahr konnte die Realität dieser melodischen Verheißung nicht immer standhalten. Ein innerparteilicher Richtungsstreit dominierte das Bild der Linken in der Öffentlichkeit. Im Fokus oft: Fraktionschefin Sarah Wagenknecht, die mit ihrer "Aufstehen"-Bewegung die Positionen der Partei einige Male durchkreuzte. In den kommenden drei Tagen will die Partei nun ihr Programm für die Europawahl verabschieden und ihre Kandidaten bestimmen - möglichst harmonisch.
"Darauf setzen, ein soziales Europa zu schaffen"
Martin Schirdewan setzt dabei auf linke Kernthemen: "Werden darauf setzen ein soziales Europa zu schaffen. Wir werden darauf setzen Arbeitnehmerrechte in der EU zu stärken. Wir wollen endlich für Steuergerechtigkeit sorgen, dass die Unternehmen aber auch die Vermögenden wieder ihren gerechten Anteil an der Entwicklung der Gesellschaft leisten. Wir werden entschlossen für Klimaschutz kämpfen und wir werden mit klarer Kante gegen rechts stehen."
Der in der DDR aufgewachsene Politikwissenschaftler Schirdewan ist seit 2017 Mitglied des Europa-Parlaments, übernahm damals das Mandat von Fabio de Masi, der in den Bundestag gewählt wurde. Gemeinsam mit der deutsch-türkischen Gewerkschafterin Özlem Demirel aus Nordrhein-Westfalen soll er das Spitzenduo der Linken für die Europawahl bilden - und besser abschneiden als 2014, als die Linke 7,4 Prozent der Wähler erreichte. Kein leichtes Unterfangen, eine aktuelle ARD-Umfrage sieht die Partei bei nur sechs Prozent.
Programmentwurf will Neustart für die EU
Hinzu kommt: Schirdewan und Demirel, 43 und 34 Jahre alt, sind unbekannt. Ein Handicap für die Europawahl? Nein, sagt Demirel: "Müssen immer die gleichen Gesichter vorne stehen? Muss man jemanden immer von Anfang an kennen? Es geht doch nicht darum. Es geht darum, welche Positionen und Haltungen diese Menschen verkörpern."
Ihre Kernthemen: Soziale Mindeststandards in Europa, ein Stopp aller Rüstungsexporte - und der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. Inhalte, die auch im 46 Seiten langen Programmentwurf der Linken für die Europawahl zu finden sind. Gefordert wird darin nichts weniger als ein Neustart für die EU: Steueroasen abschaffen, eine Finanztransaktionssteuer einführen, solidarische Lösungen in der Flüchtlingspolitik. Auffällig lang auch das klimapolitische Kapitel, in dem unter anderem eine europäische Energiewende verlangt wird. Mit Russland soll der Dialog verstärkt werden, an den USA und Donald Trump wird nicht mit Kritik gespart.
Streit um das Wahlprogramm
Die Reformer in der Partei stören sich allerdings an dem negativen Grundton des Wahlprogramms, plädieren für ein eindeutigeres Bekenntnis zur EU und wollen mehr Vereinheitlichung - zum Beispiel Gregor Gysi, Präsident der Europäischen Linken. Ein umstrittener Satz aus dem Programmentwurf, in dem die EU als "militaristisch, undemokratisch und neoliberal" bezeichnet worden war, wurde bereits vor dem Parteitag vom Vorstand entschärft.
Der linke Flügel hingegen, zu dem auch die designierte Spitzenkandidatin Özlem Demirel gehört, will die Kritik an der EU schärfen: "Es geht nicht darum, und das ist auch nicht meine Absicht, mit EU-Skepsis zu werben. Es gibt politische Grundlagen innerhalb der EU, die wir zu kritisieren haben, das werden wir als Linke auch weiterhin machen. Wir werden nicht in eine Euphorie verfallen an Punkten, wo wir wissen: Da läuft was falsch."
Mehr oder weniger Kompetenzen für Brüssel?
Im Mittelpunkt der Diskussionen dürfte daher auch die Frage stehen: Will die Linke mehr Kompetenzen an Brüssel abgeben – oder sollen die Probleme auf nationaler Ebene gelöst werden? Der Partei steht ein Wochenende mit intensiven Debatten über ihr Verhältnis zu Europa und der EU bevor. Dass die Konflikte der innenpolitischen auf der europapolitischen Ebene fortgesetzt werden, das will man vermeiden. Nicht dabei ist jedenfalls die Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht, die ihre Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hat.