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Flüchtlingspolitik
Kontingente statt Obergrenze

Internationale Organisationen prognostizieren auch für die kommenden Monate ein weiteres Ansteigen der Flüchtlingszahlen - trotz nahendem Winter. Im Streit der Unionsparteien über die Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen erneuert Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) jetzt seine Forderung nach einer Kontingentlösung. Das könnte sich auch die SPD vorstellen.

Von Gerhard Schröder | 22.11.2015
    Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland.
    Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland. (dpa / picture alliance / Armin Weigel)
    Der Vorschlag ist nicht ganz neu. Schon Ende September hatte sich Innenminister Thomas de Maizière für eine Kontingentlösung stark gemacht – und wenig Widerhall erfahren. Jetzt erneuert de Maizière seine Idee, auch mit Blick auf die verschärfte Flüchtlingsdebatte innerhalb der Union. Ein Kontingent bedeutet automatisch eine Begrenzung der Anzahl von Flüchtlingen, sagte de Maizière der "Bild am Sonntag". Er freue sich, dass dieser Vorschlag inzwischen immer mehr Zustimmung finde.
    Nicht nur in der Union, sondern auch beim Koalitionspartner SPD. Deren Fraktionschef Thomas Oppermann macht sich im "Tagesspiegel" für die Einführung flexibler Flüchtlingskontingente vor, deren Größe jährlich neu festgelegt werden soll. Und zwar durch den Deutschen Bundestag, in Abstimmung mit der Europäischen Union und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Dabei, so Oppermann, sollten die Parlamentarier immer im Blick behalten, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen und integrieren könne.
    "Wir brauchen auch Obergrenzen, aber die kann nur Europa festlegen", sagt auch Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg im Interview der Woche im Deutschlandfunk. "Wir können das Flüchtlingsproblem nur auf europäischer Ebene lösen", sagt er, ganz im Einklang mit Oppermann und de Maiziere.
    "Wir arbeiten daran, die Zahl der Flüchtlinge insgesamt zu steuern, zu ordnen und zu reduzieren", sagte de Maizière. Dabei liege jetzt das Augenmerk auf den Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei. Europa will Ankara finanziell unterstützen, damit es die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Syrien und Irak besser aufnehmen kann. Ein bestimmtes Kontingent will im Gegenzug die EU aufnehmen. Ein Weg, für den sich vor einer Woche auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stark machte.
    Merkel: Die beste Art, mit dem Problem umzugehen
    "Ich glaube, das ist der Weg, den wir den Flüchtlingen schuldig sind. Das ist die Form der Lastenteilung, die wir der Türkei schuldig sind in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Und das ist die beste Art und Weise, wie man mit so einem Problem umgeht."
    Feste Obergrenzen - wie sie die CSU fordert, lehnt Merkel allerdings nach wie vor ab. Das sei mit dem Grundrecht auf Asyl nicht vereinbar, sagt sie. Der Grüne Winfried Kretschmann hält nationale Obergrenzen auch ganz praktisch für nicht durchsetzbar:
    "Sollen wir allen Ernstes Grenzzäune um Deutschland stellen? Sollen wir dort die Bundeswehr positionieren? Und sollen die zum Schluss wieder schießen?"
    Die CSU dagegen lässt nicht locker. Merkel habe auf dem CSU-Parteitag keinen einzigen Satz zum Anliegen der Christsozialen gesagt, eine Obergrenze für den Zustrom von Flüchtlingen zu setzen, kritisierte CSU-Chef Horst Seehofer in der "Bild am Sonntag". "Kein Zeichen der Verständigung, obwohl sie meine Position kennt." Das habe ihn enttäuscht, sagte der bayerische Ministerpräsident, der jedoch versicherte, es gebe keinen Bruch zwischen ihm und Merkel. "Wir werden trotz mancher unterschiedlicher Position weiter gut zusammenarbeiten."