
Sergej Newski, geboren 1972 in Moskau, ist eine wichtige Stimme geworden – seine Werke stoßen bei Interpreten und großen Festivals auf Resonanz. Das resultiert wohl aus Zweierlei: Einerseits sind ihm die Schostakowitsch-Nachfolger und -Epigonen als Lehrer erspart geblieben, denn Newski hat in Dresden und Berlin studiert, wo er seit über dreißig Jahren auch lebt.
Schostakowitsch als Maßstab
Zum anderen hat ihn seine Distanz zum Land seiner Geburt befähigt, Schostakowitsch jenseits sowjetischer Zusammenhänge zu lesen. Ähnlich wie Karl Amadeus Hartman oder Stefan Wolpe kann Sergej Newski den vor 50 Jahren verstorbenen Komponisten als ein bedrängtes Individuum verstehen, das sich in einer aggressiven Massengesellschaft zu behaupten sucht, indem es die Bedrängnisse in die Partituren zurückspiegelt.
Ein dritter Punkt ist, dass Newski schon früh den Tunnelblick der westlichen Neuen Musik auf bloße Materialfragen erkannt hat; den Hang, die sozialen, politischen Konnotationen von Musik auszublenden.
Unbedingt solidarisch
Seit dem 24. Februar 2022, das heißt seit dem russischen Angriff auf Kyjiw steht Sergej Newski solidarisch an der Seite seiner ukrainischen Komponistenkollegen. Dass sich dabei auch Widersprüche auftun, bleibt nicht verborgen.
Entschieden hält Newski umgekehrt daran fest, den Austausch zwischen Westeuropa und den verbliebenen Resten der russischen Zivilgesellschaft als Aufgabe anzusehen.
Ein Podium für die Osteuropäer
Nicht anders steht er zur Stärkung der Stimmen aus den Anrainer-Ländern. Sein jüngstes Werk „Göttin der Geschichte“ für Mezzosopran und Orchester, das kürzlich in Köln die deutsche Erstaufführung erlebte, beruft sich etwa auf den litauischen Dichter Tomas Venclova.
Schließlich wirkt Sergej Newski als Kurator für das Berliner Voices-Festival, das die postsowjetischen Räume ausleuchtet und unabhängig gebliebenen russischen Stimmen ein Podium einräumt.