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Fußball und Politik
Staatlicher Eingriff in die Premier League bleibt wohl ungeahndet

Der Fußball-Weltverband hat Kenia und Simbabwe suspendiert. Ihre Regierungen hatten Verbandspolitik mitbestimmt. Aber gilt diese Konsequenz auch bei großen Verbänden? Denn Englands Regierung hat eine Finanz-Aufsichtsbehörde für die Premier League eingerichtet, die Regelverstöße sanktionieren soll.

Von Piet Kreuzer | 04.06.2022
Dele Alli von Tottenham Hotspur schießt aufs Liverpooler Tor.
In der Premier League übernimmt der Staat die Kontrolle der Finanzen - wohl ungeahndet von der FIFA. (Kieran McManus/Shutterstock/imago images)
"Es ist ja kein so starkes Schwert, die Drohung der FIFA, Verbände zu sperren, denn dann müsste man, wenn man das streng durchsetzt, doch häufiger tun, als es tatsächlich passiert", sagt der Sportrechtsexperte Martin Stopper zum Artikel 19 der Statuten des Welt-Fußballverbandes. Der besagt: Jeder Mitgliedsverband muss seine Belange eigenständig und ohne unzulässige Einflussnahme Dritter bestimmen. "Und was zulässig ist und was nicht, hier herrscht größte Flexibilität in der Beurteilung seitens des Weltverbandes."
Unter anderem Brunei, Philippinen, Nigeria, Griechenland und jetzt auch Kenia sowie Simbabwe hat das Schicksal einer Suspendierung ereilt. Aus europäischer Sicht mag dieser Artikel 19 verwundern, aber nicht alle Staaten teilen das westliche  Demokratieverständnis.

Englische Regierung greift ein

"Dann ist es da schon sinnvoll sicherzustellen in autokratischen Staaten, dass die Verbände unabhängig von staatlicher Intervention sind", sagt Rechtsanwalt Christof Wieschemann, der Erfahrung in Verfahren zu dieser Causa hat. Aber gilt dies auch für die großen Fußballnationen?
Der Blick nach England lässt aufhorchen. Denn jetzt greift auch die englische Regierung in den Fußball ein. Sportminister Nigel Huddleton:
"Der englische Fußball hat außergewöhnliche Erfolge vorzuweisen. Unsere Premier League hat sich zur meistgesehenen Sportliga der Welt entwickelt. Allerdings hat die Good Governance unserer Vereine nicht mit dieser Expansion und Entwicklung Schritt gehalten. Ich bestätige, dass die Regierung im Rahmen eines umfassenderen Reformplans eine unabhängige Regulierungsbehörde für den Fußball gesetzlich verankern wird."
Entstanden war die Idee vor einem Jahr, als mehrere englische Klubs sich an der Gründung einer internationalen Super League beteiligen wollten. Aktuell stehen zudem der neue saudische Eigentümer von Newcastle United und der Verkauf des FC Chelsea im Fokus. Eine Regulierungsbehörde für den Fußball? Verstößt das nicht gegen FIFA-Artikel 19 und müsste eine Suspendierung nach sich ziehen?
"Ich kann vorwegnehmen ich bin mir sicher, das wird nicht passieren", sagt Rechtsanwalt Wieschemann. "Die Frage ist aber viel eher, ob eine solche Intervention rechtmäßig wäre. Auch in Deutschland zum Beispiel sind ein Teil der Wettbewerbsteilnehmer der Fußball-Bundesliga mittlerweile natürlich auch Kapitalgesellschaften. Und diese Kapitalgesellschaften unterliegen den gleichen Regeln wie andere Kapitalgesellschaften auch."

In Deutschland prüft das Kartellamt 50+1

Dabei geht es um Wettbewerbs- und Finanzvorschriften, im Ergebnis um Eingriffe in viele verschiedene Freiheiten des Wirtschaftslebens, die durch europäische und englische Gesetze geschützt sind. Nur wenn Gesetze oder Urteile ausschließlich auf Fußball-Kapitalgesellschaften Anwendung finden, dann könnte die Fifa eingreifen. Sportrechtsexperte Martin Stopper: "Es ist völlig unabhängig, ob nun ein Staat ein Gesetz verabschiedet oder ein Verband selber sich Regeln gibt wie in Deutschland eine 50+1-Regel, die ja jetzt auch überprüft wird."
Das Bundeskartellamt überprüft aktuell die Rechtmäßigkeit dieser Regel. Sollte sie für rechtswidrig erklärt werden, wäre das, wie Rechtsanwalt Wieschemann meint, vergleichbar: "Das richtet sich als Weisung, also als ordnungspolitischer Rahmen des Staates, an alle Kapitalgesellschaften vergleichbarer Art und alle Unternehmens vergleichbarer Art und ist nicht fußballspezifisch, auch wenn es hier im Fußball zur Anwendung kommen. Das wäre mit Sicherheit kein Fall, wo die FIFA intervenieren würde."
In England werden jetzt bereits bestehende Regeln der Premier League von der geplanten Behörde übernommen. Die Finanzaufsicht wird der Liga aus der Hand genommen, genauso wie die Überprüfung potentieller Investoren. Die Regierung will die komplette Kontrolle. Für Martin Stopper ist das überflüssig: "Also, warum kann nicht ein Verband sagen ja, ich mache den sogenannten fit in proper-Test für potenzielle Eigentümer von Premier League Clubs, überprüfe ich durch eine Stelle oder eine Aufsichtsstelle innerhalb meiner FA oder der Premier League. Und dann kann ich sagen okay, ja, du darfst Eigentümer eines Klubs werden, der in unserer Liga mitspielt oder nicht. Das macht doch schon eher Sinn, das so auf dieser Ebene zu halten."
Aber Sportminister Huddleton hat andere Pläne. Und die Fifa wird ihn nur stoppen, wenn die geplante Behörde direkt in die Organisation und das Selbstbestimmungsrecht des Verbandes eingreift.