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Fußballtrainer
Improvisationen auf der Schlüsselposition

Nach dem Ausscheiden der hoch ambitionierten Fußballdenker Pep Guardiola und Thomas Tuchel und dem Scheitern ihrer konservativeren Nachfolger Carlo Ancelotti und Peter Bosz herrscht Verwirrung. Unter Fans, Experten und in Klubführungen wird kontrovers diskutiert, welchen Trainertypen die Zukunft gehören soll.

Von Daniel Theweleit | 21.01.2018
    Der Ex-Trainer von Bayern München, Carlo Ancelotti, reagiert am Spielfeldrand.
    Der Ex-Trainer von Bayern München, Carlo Ancelotti, reagiert am Spielfeldrand. (dpa / Matthias Balk)
    Die Aufregung ist groß im deutschen Fußball. Mit Ausnahme des FC Bayern haben alle Bundesligisten in den Europapokalen ihre Ziele verpasst, und viele Zuschauer haben das Gefühl, dass das Niveau der Spiele in den nationalen Wettbewerben gesunken sei. Unter der Woche schlug Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball-Liga, Alarm und forderte die Klubs auf, die Kommerzialisierung voranzutreiben. Die Formel: mehr Geld, gleich besserer Fußball. Seifert betonte aber zugleich, dass die finanzielle Ausstattung derzeit eigentlich nicht als Grund für Misserfolge dienen könne.
    "Auch die Bundesliga hat erhebliche finanzielle Mittel. Am Ende ist entscheidend, dass die Klub der Bundesliga in der Lage ist, mit in der Europäischen Spitze mitzuhalten, und da sind wir Stand heute und wir arbeiten daran, dass das auch so bleibt."
    Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL), spricht am 16.01.2018 auf dem DFL-Neujahrsempfang in Frankfurt am Main (Hessen). Foto: Arne Dedert/dpa | Verwendung weltweit
    Geschäftsführer Christian Seifert las den Klubs beim Neujahrsempfang der DFL die Leviten (dpa / picture alliance / Arne Dedert)
    Scholl mit Rundumschlag
    Das schwache Abschneiden der deutschen Europapokalteilnehmer muss also andere Gründe haben, als die finanzielle Ausstattung. Wurden in den sportlichen Führungsgremien möglicherweise die falschen Spieler verpflichtet? Oder liegt es an den Trainern, die derzeit noch stärker im Fokus stehen als sonst?
    Mit Borussia Dortmund und dem FC Bayern haben sich schließlich die beiden größten Klubs im Saisonverlauf von ihren Chefcoaches getrennt. Und beide suchen bislang vergeblich nach Fußball-Lehrern, denen sie zutrauen, eine neue Erfolgsära zu begründen. Woher rührt dieses Trainerproblem?
    Fußball DFB-Pokal Viertelfinale: Alemannia Aachen - Bayern München am Mittwoch (26.01.2011) im Tivoli Stadion in Aachen. TV-Experte Mehmet Scholl.
    Ex-Fußballprofi Mehmet Scholl lässt kein gutes Haar an der jungen Trainergeneration (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Für den ehemaligen TV-Experten Mehmet Scholl ist klar: Es liegt am Hype um die jungen Trainer, die nie selbst auf Weltklasseniveau gespielt haben.
    Leute, wie der Hoffenheimer Julian Nagelsmann, Schalkes Domenico Tedesco, Stuttgarts Hannes Wolf oder der derzeit arbeitslose Thomas Tuchel, sagt Scholl, "sprießen aus dem Boden, und der deutsche Fußball wird sein blaues Wunder erleben, weil das, was da oben ankommt, das ist okay. sie sind nicht wirklich an Menschen und an den Fußballern interessiert. Viel schlimmer ist, sie gehen jetzt in den Nachwuchs, diese ganzen Trainer, weil oben die Plätze begrenzt sind. Wir verlieren die Basis, die Kinder müssen abspielen, dürfen sich nicht mehr im Dribbling ausprobieren, sie kriegen nicht mehr die richtigen Hinweise, warum ein Pass nicht gelingt, warum ein Dribbling nicht gelingt, warum der Zweikampf verloren wurde. Statt dessen können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen."
    Es ist eine hochkomplexe Debatte. Denn noch vor zwei Jahren glaubten viele Experten, Deutschland, die Nation des Weltmeisters, befände sich an der Spitze einer Bewegung. Pep Guardiola verlieh dem FC Bayern eine spektakuläre taktische Flexibilität. Thomas Tuchel hatte den unter Jürgen Klopp stagnierenden BVB-Fußball modernisiert.
    "Die Bundesliga hat sich in jedem Fall entwickelt"
    Selbst das Projekt von Roger Schmidt in Leverkusen wirkte innovativ und taugte für die K.o.-Phase der Champions League. Nun wird in den Talkshows ernsthaft diskutiert, ob der wütende Scholl Recht hat. Wie konnte es dazu kommen? Frank Wormuth, der die Hennes-Weisweiler Akademie leitet, wo alle deutschen Trainer ihre Lizenz erwerben, hält die Anmerkungen der Kritiker für verfrüht.

    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola (l.) und der ehemalige Coach von Borussia Dortmund, Thomas Tuchel (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    "Das sehe ich nicht so negativ. Wir verfolgen seit zehn Jahren Spiele national, wie international. Die Bundesliga hat sich in jedem Fall entwickelt, insbesondere im taktischen Bereich. Die Flexibilität der Grundordnung des Systems ist auf jeden Fall vorhanden, und die Spieler haben sich aufgrund ihrer Ausbildung in den Leistungszentren technisch-taktisch entwickelt. Es ist richtig, dass wir zur Zeit Spiele haben, die nicht so gut aussehen, aber die hat es im Fußball schon immer gegeben."
    Guardiola und Tuchel eckten an
    Verflogen ist allerdings das Verlangen nach Innovationen. Guardiola, Tuchel und Schmidt, die nach neuen Wegen suchten, sind keine einfachen Menschen, eckten an. Auch weil sie vielen Traditionalsten das Gefühl gaben, irgendwie nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein. Das einfache Spiel, in dessen Mittelpunkt eigentlich der Mensch stehen sollte, schien plötzlich zu einer Wissenschaft zu werden.
    In der ewigen Pendelbewegung zwischen Fortschritt und Festhalten am Bewährten, haben die konservativen Kräfte in den vergangenen beiden Jahren an Boden gewonnen. Verloren ist die Bereitschaft von Leuten wie Tuchel oder Guardiola für einen ambitionierten Spielstil, das Risiko krachender Niederlagen einzustecken, glaubt Wormuth.
    DFB-Trainer-Ausbilder Frank Wormuth gestikuliert in der Hennes-Weisweiler-Akademie. 
    DFB-Trainer-Ausbilder Frank Wormuth (dpa)
    "Es ist richtig, dass Spiele manchmal sehr hektisch wirken, das liegt aber daran, dass die Spielweise sich verändert hat in den letzten Jahren. Angefangen mit dem sehr hoch Stehen, vorne bereits schon Pressen, den Gegner unter Druck setzen, und dann reicht manchmal nicht das Niveau aus, dann werden lange Bälle gespielt und dann wirkt es irgendwo sehr hektisch, weil jeder Fehlpass in der Spieleröffnung, der zum Tor führt, heißt: Wir werden Probleme haben, dieses Spiel noch zu drehen und entsprechend arbeiten die Trainer dann auch nur im Bereich der Effektivität."
    Bayern vertraut immer noch Altmeister Heynckes
    Den perfekten Trainer gibt es natürlich nicht, aber der deutsche Fußball erlebt eine Saison, in der Vieles zusammenkommt: Einige kreative Geister sind weg, und zugleich haben eher konservative Ex-Profis wie Heiko Herrlich in Leverkusen, Dieter Hecking in Mönchengladbach, der Frankfurter Niko Kovac oder Hannovers André Breitenreiter viel Erfolg. Und mit Leipzig und Hoffenheim spielten die Emporkömmlinge Ralph Hasenhüttl und Julian Nagelsmann zum ersten mal in internationalen Wettbewerben – zu echten Spitzentrainern fehlt ihnen auf dieser Ebene die Erfahrung.
    Das ist der Grund, warum der FC Bayern noch ein Jahr mit Altmeister Jupp Heynckes weiter machen möchte, bevor das Münchner Projekt dann einem der gereiften Nachwuchsleute anvertraut werden kann. Denn selbst die besten Trainer scheitern, wenn sie mit den falschen Teams oder Vorgesetzten mit ganz anderen Vorstellungen zusammenarbeiten müssen, glaubt Wormuth: "Es gibt viele gute Trainer auf dem Markt, aber manchmal haben sie einfach nicht die Mannschaft, die dazu passt."