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Gesellschaft in den USA
Struktureller Rassismus und weiße Privilegien

Struktureller Rassismus führe in den USA zu andauernder Benachteiligung schwarzer Bürger, sagte die Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson im Dlf. Ihnen würde etwa der Zugang zu guter Schulbildung verwehrt. Bei der Polizei und an anderen Schaltstellen säßen zudem oft Anhänger rassistischer Ideologien.

Britta Waldschmidt-Nelson im Gespräch mit Änne Seidel | 07.06.2020
Demonstrierende im Washington Square Park
Die aktuellen Demonstrationen in den USA machen auf die strukturelle Benachteiligung von Schwarzen in den USA aufmerksam (dpa/ picture alliance/ SOPA Images via ZUMA Wire)
Bei den aktuellen Protesten nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd geht es nicht nur um Polizeigewalt, sondern generell um den weit verbreiteten Rassismus in den USA und soziale Ungerechtigkeiten gegenüber Schwarzen.
In den USA lägen Abgründe zwischen der Qualität der Schulen in den "black communities", die vollkommen unterfinanziert seien, und den Schulen in reichen weißen Gemeinden, erklärte die Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson. Das liege daran, dass die Schulen in den USA sich aus den lokalen Grundsteuern finanzierten. Diese Benachteiligung setze sich dann immer weiter fort: Wer keine gute Ausbildung habe, bekomme keinen guten Job und keine Krankenversicherung. Das sei auch ein Grund dafür, dass 40 Prozent der Corona-Toten in den USA Afroamerikaner seien, obwohl diese gerade mal 13 Prozent der Bevölkerung ausmachten.
Dossier: Rassismus
Britta Waldschmidt-Nelson ist Professorin für Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Universität Augsburg und forscht zur Geschichte der Schwarzen in den USA. Die Ursachen für den heutigen Rassismus in den USA hätten ihren Ursprung in der langen Geschichte der Unterdrückung der Schwarzen, sagte sie im Dlf. Auf 250 Jahre Sklaverei seien weitere 100 Jahre der legalen Diskriminierung, politischen Entmündigung und wirtschaftlichen Ausbeutung von Schwarzen gefolgt, insbesondere im Süden der USA. Das sei auch ideologisch begründet worden.
Mehrere Demonstranten mit Atemschutzmasken stellen sich protestierend vor eine Reihe von Polizisten.
Tod von George Floyd - Und wieder stirbt ein Schwarzer
Polizisten in Minneapolis ließen nicht von George Floyd ab, obwohl sie von Passanten dazu aufgefordert und sogar gefilmt wurden. Das Problem sei ein Korpsgeist unter Polizisten, die zusammenhalten, egal was passiert, kommentiert Jan Bösche.
"Die Situation hat sich verschlimmert"
In bestimmten Kreisen habe die Bevölkerung diese Ideologie der weißen rassischen Überlegenheit bis heute verinnerlicht. Die Gruppe der "white supremacists" sei eine Minderheit der Weißen, von denen aber viele bei der Polizei oder an anderen Schaltstellen säßen, wo Schwarze Diskriminierung erfahren. Als mit Barack Obama erstmals ein Schwarzer Präsident der USA wurde, habe das viele von ihnen auf den Plan gerufen: "Für die, die wirklich an 'White Supremacy' glauben, bedeutete das, dass die letzte Bastion ihrer 'white privileges' von einem Schwarzen erobert wurde", so Waldschmidt-Nelson. Die "wahnsinnige Anhäufig von rassistischen Übergriffen in immer höherer Brutalität" habe schon unter Obama begonnen. Die Situation habe sich gegenüber den 1960er- bis 1980er-Jahren eher verschlimmert.
US-Präsident Donald Trump versuche nun auch noch Öl ins Feuer zu gießen. Seine Anhänger ersetzten die Idee von "Make America great again" innerlich durch "Make white America great again". Damit spiele Trump ganz bewusst.
US-Präsident Trump steht an einem Rednerpult und gestikuliert mit der rechten Hand. Im Hintergrund sind Zuhörer zu sehen.
White Supremacy
Donald Trump bediene die Ideologie der White Supremacy, die den politischen Einfluss von Minoritäten verhindern wolle, sagte der Historiker Simon Wendt im Dlf. Dahinter stecke die Angst vieler weißer Amerikaner, die "weiße amerikanische Kultur" werde zurückgedrängt.
Waldschmidt-Nelson äußerte die Hoffnung, dass der aktuelle Aufschrei in den USA und die Proteste weltweit diesmal etwas bewirken können. Der weiße Polizist, der George Floyd minutenlang sein Knie in den Nacken gedrückt hatte, sodass dieser nicht mehr atmen konnte, ist wegen Mordes zweiten Grades angeklagt. Eine Verurteilung könnte möglicherweise eine größere strukturelle Reform der Polizei nach sich ziehen, so die Historikerin.