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Griechenland-Vokabular erklärt
Der Unterschied zwischen Umschuldung und Schuldenschnitt

Umschuldung, Teilerlass, Schuldenschnitt – in den vergangenen Tagen haben Politiker und Notenbanker weltweit ihre Empfehlungen abgegeben, was man mit Griechenlands Schulden tun könnte oder sollte. Aber: Unter welchen Voraussetzungen könnten solche Maßnahmen greifen? Ein Überblick.

Von Brigitte Scholtes | 09.07.2015
    Eine griechische Flagge weht vor dunklem Hintergrund.
    Düstere Aussichten für Griechenland: Ob eine Umschuldung helfen würde? (AFP / Angelos Tzortzinis)
    Griechenland schuldet ausländischen Gläubigern 320 Milliarden Euro – das sind 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Maastrichter Vertrag hatten sich die Mitgliedsstaaten der Währungsunion einst auf 60 Prozent als Höchstgrenze geeinigt. Diese Schulden kann das Land nicht mehr tragen, sagen viele Ökonomen. Der Internationale Währungsfonds fordert deshalb einen Schuldenerlass von gut 53 Milliarden Euro. Ein Schuldenschnitt aber sei politisch vermintes Gelände, sagt Daniel Lenz, Volkswirt der DZ-Bank:
    "Es ist nicht davon auszugehen, dass es einen nominalen Schuldenschnitt gibt, sprich, dass man die nominale Kredithöhe, wenn man einmal von 100 Euro Verbindlichkeiten ausgeht, dass man die dann einfach auf 70 herabsetzt. Sondern es würde eher derart laufen, dass die Fälligkeit der Kredite nach hinten verlängert würde beziehungsweise. dass Zinszahlungen reduziert werden könnten oder auch ausgesetzt werden für gewisse Zeit."
    Eine solche Umschuldung nämlich sieht harmloser aus als ein direkter Schuldenschnitt. Am Ende aber läuft sie eigentlich auf dasselbe hinaus: Denn wenn man heute einen Betrag X ansetzt, dann wird der durch die Inflation im Laufe der Jahre, in diesem Fall wohl eher Jahrzehnte, durch die Inflation reduziert. Zum anderen sind mit einer Umschuldung meist auch niedrigere Zinsen verbunden, auch das reduziert dann die Rückzahlung an die Gläubiger. 26 Milliarden Euro insgesamt muss Griechenland im laufenden Jahr allein an Schuldendienst leisten. Und das gehe nur mit frischem Geld, sagt Daniel Lenz:
    "Man muss sozusagen diese Zahlung begleichen mit neuen Finanzmitteln, aber die Rückzahlung dann dieser neuen Kredite, die könnte man so gestalten, dass es wesentlich günstiger für Griechenland wäre."
    Maßgeblich für einen nachhaltigen Erfolg einer Umschuldung aber sei auch, dass Staat und Wirtschaft sich tatsächlich an eine Umstrukturierung machen, mahnt Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance and Management:
    "Wenn es nicht zu den viel geforderten Reformen, zu notwendigen Anpassungen der Wirtschaftsstruktur, auch des staatlichen Handelns, auch des Verwaltungshandelns in Griechenland kommt, bedeutet das, dass die Spirale abwärts nicht gestoppt werden kann. Das heißt, einerseits stehen wir vor der Fragestellung: Was machen wir mit den aufgelaufenen Schulden, und andererseits - wie geht's dann überhaupt weiter? Das heißt, wer ist dann überhaupt bereit, neues Geld für die griechische Wirtschaft bereitzustellen?"
    Dazu müsste der Schuldenstand mindestens auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken, sagen Ökonomen. Udo Steffens appelliert an die Rationalität der Beteiligten:
    Wenn sich jetzt, wie sich abzeichnet, eventuell doch ein Kompromiss finden lässt, dass man das eben sehr lange streckt, dann heißt das auch, dass sich die Rationalität der politisch Handelnden in der Europäischen Union durchgesetzt hat, und dass man über die verschiedenen emotionalen, politisch intuitiven Fragestellungen auch nach Gerechtigkeit quasi sich hinwegsetzt und sagt: Das Gut, nämlich die europäische Solidarität und der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union ist so hoch, dass wir hier vielleicht nicht als gerecht empfundene Kompromisse eingehen müssen."