Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Grundsteuer-Reform
Dressel: Einfaches Modell mit Zusatzfaktoren versehen

Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) gibt bei der Grundsteuer-Reform dem sogenannten Flächenmodell den Vorzug vor einem wertabhängigen Modell. Wichtig sei vor allem, bei der Datenerhebung auf vorhandene Systeme zurückzugreifen, auch um Fristen einhalten zu können, sagte Dressel im Dlf.

Andreas Dressel im Gespräch mit Christoph Heinemann | 01.02.2019
    Andreas Dressel (SPD), Finanzsenator Hamburgs, spricht während der Bürgerschaftssitzung zum Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020
    Ich möchte einerseits natürlich ein gutes Gesetz, aber eines, von dem ich auch vorher weiß, dass ich es auch eins zu eins umsetzen kann (dpa/Markus Scholz)
    Christoph Heinemann: April 2018, Rote Karte aus Karlsruhe – das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die geltenden Berechnungsgrundlagen für die Grundsteuer verfassungswidrig seien. Die Grundsteuer muss reformiert werden, und das betrifft viele Millionen Haushalte in Deutschland. Wenn Olaf Scholz heute seine Amtskolleginnen und -kollegen aus den Ländern trifft, dann liegen vor allem zwei Modelle auf dem Tisch: ein wertabhängiges WAM und WUM, das wertunabhängige. Die Grundsteuer-Gretchenfrage an den Gesetzgeber lautet also: Wie hältst du es, nur mit der Grundfläche oder auch mit dem Wert des Grundstücks oder des Gebäudes?
    Und mit dabei in der Runde bei Olaf Scholz ist heute auch Andreas Dressel, SPD, der Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, den ich vor wenigen Minuten gefragt habe, welchem Ziel sollte die Reform dienen?
    Andreas Dressel: Also wir müssen natürlich umsetzen, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat, und zwei Leitplanken sind für mich jetzt als Hamburger Finanzsenator dabei wichtig: Wir müssen eine wirklich bezahlbare Reform hinlegen, und sie muss machbar sein, und zwar sowohl für die Steuerpflichtigen wie auch nachher die Finanzverwaltung.
    "Gerechtigkeit ist natürlich ein Ziel"
    Heinemann: Wieso ist Gerechtigkeit für Sie kein Ziel?
    Dressel: Doch, natürlich ist das auch ein Ziel, aber wenn wir nachher ein so multikomplexes System haben, was riskiert, dass wir, A, nicht fertig werden, dass nachher wir mit Klagen überschüttet werden, das ist nachher auch etwas, was nichts bringt, und wir müssen wirklich darauf aufpassen, dass die 14 Milliarden Euro, die für die kommunale Familie in Deutschland wirklich existenziell sind, dass wir die nicht gefährden.
    Heinemann: Was heißt multikomplex?
    Dressel: Es geht schon darum, wie viel man bei den einzelnen Faktoren und Parametern im Einzelnen noch erheben muss oder wo wir pauschalieren können. Das wird ein wesentlicher Punkt sein auch in der Diskussion heute in Berlin, dass wir erreichen, dass ein bisschen von Einzelerhebung Abstand genommen wird, sondern dass wir Bezug nehmen können auf Daten, die vorhanden sind, auf auch Datenbanken, die vorhanden sind, damit wir wirklich pauschaliert zu vernünftigen Ergebnissen kommen, damit dieses System nachher auch zeitgerecht starten kann. Wir haben ja eine doppelte Umsetzungsfrist, einmal fürs Gesetz bis Ende des Jahres, aber dann muss in den nächsten Jahren auch noch die Umsetzung klappen, und da liegen noch ganz schön viele Pferdefüße.
    Heinemann: Liegen die meisten Daten für das wertabhängige Modell von Olaf Scholz nicht längst vor?
    Dressel: Na ja, das ist sehr unterschiedlich. Was wir jedenfalls aus den Finanzverwaltungen hören, gibt es natürlich Bereiche, wo man auf Daten auch zurückgreifen kann, aber das ist nicht überall einheitlich in Deutschland der Fall, was mir meine Finanzexperten sagen aus der Steuerverwaltung, dass wir da in einigen Bereichen schon weiße Flecken haben. Das können wir nicht riskieren, dass nachher nicht wirklich einheitlich auch erhoben werden kann.
    "Muss schauen, was mir die Praktiker sagen"
    Heinemann: Bernhard Daldrup, Ihr Parteifreund, SPD-Obmann im Bundestagsbauausschuss, sagt, das meiste liegt vor, das ist alles kein Hexenwerk. Wieso sagt die SPD hü und hott?
    Dressel: Na ja, ich muss einfach als Hamburger Finanzsenator, der auch ja nun eng hier mit unserer eigenen Steuerverwaltung in Kontakt steht, sehen, was die Praktiker mir sagen, und ich muss gucken, kriege ich das umgesetzt, und manchmal ist dann auch das, was sozusagen in Berlin diskutiert wird, muss immer wieder den Realitätscheck haben mit den Beamtinnen und Beamten vor Ort, mit den Finanzverwaltungen vor Ort. Das ist etwas, auf das ich besonders auch Rücksicht nehme und was mir wichtig ist dabei. Ich möchte einerseits natürlich ein gutes Gesetz, aber eins, von dem ich auch vorher weiß, dass ich es auch eins zu eins umsetzen kann.
    Heinemann: Stichwort Realitätscheck: Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag hat sich bei uns im Deutschlandfunk kürzlich folgendermaßen geäußert:
    Helmut Dedy: Ein einfaches Modell ist oft nicht ein gerechtes Modell. Also wir könnten auch die Einkommenssteuer pro Kopf aufteilen. Das würde aber wahrscheinlich von den meisten Menschen als ungerecht empfunden, und ich glaube, bei der Grundsteuer ist es nicht viel anders. Es macht halt einen Unterschied, ob ich in einer Gründerzeitvilla sitze oder in einem Plattenbau in Ostdeutschland.
    Heinemann: Herr Dressel, warum keine wertabhängige Grundsteuer?
    Dressel: Na ja, wir sind ja mittlerweile schon ein bisschen weiter in der Diskussion. Also ich glaube, jedem ist klar, dass das BMF-Modell nicht in Reinkultur kommen wird, und es ist auch jedem klar, dass das Flächenmodell in Reinkultur nicht kommen wird, sondern es geht jetzt schon darum, wie finden wir einen Kompromiss. Da sind wir ja auch in der Diskussion ein Stückchen weiter. Ich glaube, dass es einfacher ist, ein einfaches Modell mit Zusatzfaktoren zu versehen, als ein an einigen Stellen deutlich zu kompliziertes Modell sozusagen abzurüsten. Insofern mit dieser Marschrichtung fahre ich heute nach Berlin, weil das, glaube ich, ein vernünftiger Punkt ist, zum Beispiel dass wir die Mietenstufen nach Wohngeldgesetz in ein Flächenmodell miteinbeziehen, dass wir noch mal gucken, wie können bestimmte Wohnlagen auch Berücksichtigung finden in einem solchen Modell. Das sind die Ausgangspunkte, die wir heute betrachten, und ich glaube, wir haben eine gute Chance, dass wir uns alle Schritt für Schritt auch in Richtung eines Kompromisses bewegen.
    Grundsteuer muss kommunale Leistungen einbeziehen
    Heinemann: Den steigenden Wert von Aktien oder zusätzliche Zinseinkünfte, die muss man versteuern. Warum nicht den steigenden Wert eines Hauses – nebenbei übrigens der einzige Wert, den Sie nicht ins Ausland verlagern können?
    Dressel: Also man muss ja im Kern mal sagen, was ist Anknüpfungspunkt bei der Grundsteuer. Natürlich ist eine Grundsteuer ein Element, wo es auch darum geht, die kommunalen Leistungen, die ein Grundstück in Anspruch nimmt, mit in eine Finanzierung miteinzubeziehen, und da muss man sagen, das ist etwas, was nicht zwingend etwas mit dem Wert des Grundstückes zu tun hat, in welchem Umfang ich kommunale Leistungen in Anspruch nehme, sondern das ist etwas, was mit auch Größe, Fläche und so weiter zu tun hat. Insofern finde ich ein bisschen diese sehr grundsätzliche Diskussion wenig hilfreich, sondern wir müssen jetzt ja gucken, wie wir in dieser knappen Zeit hinkommen, so, dass wir die 14 Milliarden Euro Einnahmequelle für die kommunale Familie in Deutschland nicht gefährden, und darum ist es wichtig, dass wir uns da nicht heißreden, indem wir sagen, ja, das wird alles schon klappen und die Daten liegen schon vor, wenn wir genau wissen von den Finanzverwaltung, dass es einigen Stellen hakt. Das ist nachher etwas, was dieses Thema gefährden kann.
    Heinemann: Klingt so, als wollten Sie Villenbesitzer schützen.
    Dressel: Es geht nicht um die Frage irgendwie, wen man unterstützt oder wen nicht, sondern ich möchte, dass die Grundsteuer erhalten bleibt, weil sie in wirklich vielen Kommunen in Deutschland absolut unverzichtbar ist, und ich bin ja sehr offen dafür, dass wir …
    Heinemann: Ja, das will Olaf Scholz doch auch.
    Dressel: Das … Ja, richtig, und trotzdem müssen wir gucken, wie finden wir ein Modell, was einerseits machbar ist, vereinfacht machbar ist, wo wir auf vorhandene Datenquellen auch Bezug nehmen können, und was einerseits, andererseits auch die Möglichkeit hat, auch Gerechtigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Deshalb ist ja jetzt das reine Flächenmodell etwas, was auch schon weiterentwickelt ist in der Diskussion noch mal um zum Beispiel die Mietenstufen. Es gibt Überlegungen, wie können wir Wohnlagen auch gezielt miteinbeziehen. Noch mal, ich glaube, es ist in einer solchen schwierigen Diskussionslage besser, ein einfaches Modell mit Zusatzfaktoren zu versehen, als umgekehrt ein zu komplexes Modell zu vereinfachen.
    Heinemann: Wobei Sie ja doch eher dem Flächenmodell zuneigen.
    Dressel: Ja.
    Fläche als Ausgangspunkt nehmen
    Heinemann: Kinderreiche Familien benötigen mehr Wohnfläche. Warum wollen Sie die systematisch benachteiligen?
    Dressel: Ich glaube, noch mal, es geht darum, jetzt einen Kompromiss zu finden in einer solchen Situation, und dabei erscheint mir eine Situation, dass wir in der Tat die Fläche als Ausgangspunkt nehmen und die dann mit Zusatzfaktoren, noch mal, zum Beispiel die Mietenstufen nach Wohngeldgesetz, die eine gute Kategorisierung ergeben, und dann gibt es jetzt Überlegungen zum Beispiel aus Niedersachsen, aber auch Überlegungen aus Hessen beispielsweise zu sagen, wie können wir bestimmte Wohnlagen und bestimmte unterschiedliche Zonierungen auch mitberücksichtigen, um die Sache dann mit mehr Gerechtigkeit auch zu versehen. Das ist ein Punkt, der auch wichtig ist, aber noch mal: Er muss machbar sein, es muss vernünftig auch einbeziehbar sein in eine solche Erhebung. Damit hätten wir eine gute Grundlage, und jetzt gucken wir mal heute, wie weit wir damit kommen.
    Heinemann: Sollten Vermieter die Steuer auch künftig an Mieter weitergeben können?
    Dressel: Also ich halte nichts davon, dass wir jetzt bei der Gelegenheit noch mal eben an den Regelungen zum Mietrecht herumschrauben. Es geht erstens natürlich auch darum, dass wir dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen, dass weiter Wohnungen gebaut werden in Deutschland, und zwar ganz viele Wohnungen gebaut werden, dass wir die nicht mal eben so ändern. Zum anderen, glaube ich, wird es eine sehr kurzsichtige Diskussion, denn natürlich würden Vermieter, wenn die Umlagefähigkeit jetzt wegfallen würde, gucken, wie würde man beim nächsten Mieterhöhungsverlangen vielleicht den Rahmen noch etwas weiter ausschöpfen, wie würde man im Neuvermietungsfall den Rahmen noch etwas weiter ausschöpfen. Ich glaube, das ist eine Milchmädchenrechnung zu glauben, dass man dann den Mieter nachhaltig entlasten würde, sondern das wäre aus meiner Sicht ein Akt von symbolpolitischer Gesetzgebung, der nach wenigen Jahren große Enttäuschungen hervorrufen würde, weil es am Schluss für die Mieter genauso teuer ist wie vorher.
    Heinemann: Olaf Scholz erwägt ja genau das, nämlich die Umlagefähigkeit zu kassieren. Er ist also kurzsichtig.
    Dressel: Nein, wir diskutieren das in der deutschen Sozialdemokratie. Es hat dazu Vorstöße gegeben von verschiedenen Ecken. Ich glaube nur, dass am Schluss wir einmal ans Ende denken müssen der ganzen Diskussion. Da müssen wir eben sehen, wir dürfen auch nichts tun, um die Rahmenbedingungen für den massiv notwendigen Wohnungsneubau in Deutschland auch zu verschlechtern, und wir sind darauf angewiesen, dass Wohnungen gebaut werden. Wir sind an vielen Stellen in Deutschland in Bündnissen für das Wohnen, wo wir mit der Wohnungswirtschaft zusammen arbeiten, um dafür zu sorgen, die Rahmenbedingungen auch gut zu gestalten, und da finde ich es schwierig, wenn man mittendrin an der Stelle die Spielregeln verändert, weil wir, wie gesagt, daran arbeiten wollen, dass die Wohnungswirtschaft auch gute Rahmenbedingungen hat.
    Heinemann: Finanzsenator Andreas Dressel, SPD, den wir vor einer knappen halben Stunde in Hamburg erreicht haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.